Die Wirkung von Medikamenten an Synapsen ist ein komplexes Thema, das jedoch grundlegend für das Verständnis vieler neurologischer und psychiatrischer Behandlungen ist. Synapsen sind die Verbindungsstellen zwischen Nervenzellen, an denen die Signalübertragung stattfindet. Medikamente, die an diesen Synapsen wirken, können die Art und Weise, wie Nervenzellen miteinander kommunizieren, beeinflussen und somit verschiedene Effekte im Körper und im Gehirn hervorrufen.
Grundlagen der synaptischen Übertragung
Um die Wirkung von Medikamenten an Synapsen zu verstehen, ist es wichtig, die Grundlagen der synaptischen Übertragung zu kennen. Eine Nervenzelle (Neuron) besteht aus einem Zellkörper (Soma), Dendriten und einem Axon. Die Dendriten empfangen Signale von anderen Neuronen, während das Axon Signale an andere Zellen weiterleitet. Die Verbindungsstelle zwischen zwei Neuronen wird als Synapse bezeichnet.
Chemische Signalübertragung
Die meisten Synapsen im menschlichen Körper sind chemische Synapsen. Bei der chemischen Signalübertragung wird ein elektrisches Signal (Aktionspotential) in ein chemisches Signal umgewandelt. Wenn ein Aktionspotential das Ende des Axons (präsynaptische Membran) erreicht, werden Neurotransmitter freigesetzt. Diese Neurotransmitter diffundieren über den synaptischen Spalt und binden an Rezeptoren auf der postsynaptischen Membran der nächsten Nervenzelle.
Neurotransmitter und Rezeptoren
Neurotransmitter sind chemische Botenstoffe, die von Nervenzellen verwendet werden, um miteinander zu kommunizieren. Bekannte Neurotransmitter sind Serotonin, Dopamin, Noradrenalin, Acetylcholin und GABA. Jeder Neurotransmitter bindet an spezifische Rezeptoren auf der postsynaptischen Membran. Diese Bindung kann entweder erregend (exzitatorisch) oder hemmend (inhibitorisch) wirken.
Beendigung des Signals
Nachdem ein Neurotransmitter an einen Rezeptor gebunden hat, muss das Signal beendet werden, um eine kontinuierliche Stimulation oder Hemmung zu verhindern. Dies geschieht auf verschiedene Weisen:
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- Wiederaufnahme (Reuptake): Der Neurotransmitter wird von der präsynaptischen Zelle wieder aufgenommen und wiederverwendet.
- Enzymatischer Abbau: Enzyme im synaptischen Spalt bauen den Neurotransmitter ab.
- Diffusion: Der Neurotransmitter diffundiert aus dem synaptischen Spalt.
Angriffspunkte von Medikamenten an Synapsen
Medikamente können an verschiedenen Stellen der synaptischen Übertragung angreifen, um ihre Wirkung zu erzielen. Hier sind einige der wichtigsten Angriffspunkte:
Beeinflussung der Neurotransmitter-Synthese
Einige Medikamente beeinflussen die Synthese von Neurotransmittern. Zum Beispiel können bestimmte Substanzen die Produktion von Serotonin, Dopamin oder Noradrenalin erhöhen oder verringern.
Beeinflussung der Neurotransmitter-Freisetzung
Andere Medikamente wirken auf die Freisetzung von Neurotransmittern. Beispielsweise kann das Gift der schwarzen Witwe (α-Latrotoxin) eine übermäßige Freisetzung von Acetylcholin verursachen, was zu Muskelkrämpfen führt. Botulinumtoxin (Botox) hingegen verhindert die Freisetzung von Acetylcholin, was zu Muskellähmung führt.
Beeinflussung der Neurotransmitter-Wiederaufnahme
Viele Antidepressiva, insbesondere die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs), wirken, indem sie die Wiederaufnahme von Neurotransmittern blockieren. SSRIs verhindern, dass Serotonin von der präsynaptischen Zelle wieder aufgenommen wird, wodurch die Konzentration von Serotonin im synaptischen Spalt erhöht wird. Dies führt zu einer verstärkten Stimulation der postsynaptischen Rezeptoren.
Beeinflussung des Neurotransmitter-Abbaus
Einige Medikamente hemmen den Abbau von Neurotransmittern. Beispielsweise hemmen Acetylcholinesterase-Hemmer das Enzym Acetylcholinesterase, das Acetylcholin abbaut. Dadurch bleibt Acetylcholin länger im synaptischen Spalt aktiv.
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Beeinflussung der Rezeptoren
Medikamente können auch direkt auf die Rezeptoren wirken. Agonisten sind Substanzen, die an Rezeptoren binden und diese aktivieren, ähnlich wie der natürliche Neurotransmitter. Antagonisten sind Substanzen, die an Rezeptoren binden und diese blockieren, wodurch die Wirkung des Neurotransmitters verhindert wird.
Curare, ein Pfeilgift, blockiert beispielsweise die Acetylcholinrezeptoren und verhindert, dass Acetylcholin binden kann. Dies führt zu Muskellähmung. Atropin, ein weiteres Gift, blockiert ebenfalls Acetylcholinrezeptoren, insbesondere im Herzen, was zu einem Herzstillstand führen kann.
Beispiele für Medikamente und ihre Wirkmechanismen
Antidepressiva
Antidepressiva sind Medikamente, die zur Behandlung von Depressionen eingesetzt werden. Es gibt verschiedene Arten von Antidepressiva, die auf unterschiedliche Weise wirken:
- Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs): Blockieren die Wiederaufnahme von Serotonin, z.B. Citalopram, Sertralin.
- Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI): Blockieren die Wiederaufnahme von Noradrenalin, z.B. Venlafaxin, Duloxetin.
- Trizyklische Antidepressiva (TZA): Blockieren die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin, z.B. Amitriptylin, Imipramin.
- Monoaminooxidase-Hemmer (MAO-Hemmer): Hemmen den Abbau von Serotonin, Dopamin und Noradrenalin, z.B. Tranylcypromin.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Wirkung von Antidepressiva nicht sofort eintritt. Es kann einige Wochen dauern, bis sich die volle Wirkung entfaltet. Zudem sind Antidepressiva keine Drogen, die die Stimmung künstlich pushen oder Ängste nehmen. Sie wirken, indem sie die chemischen Ungleichgewichte im Gehirn ausgleichen, die zu Depressionen beitragen können.
Beta-Blocker
Beta-Blocker sind Medikamente, die zur Behandlung von Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen und Angstzuständen eingesetzt werden. Sie wirken, indem sie die Beta-Rezeptoren im Herzen blockieren. Diese Rezeptoren werden normalerweise durch Noradrenalin aktiviert, was zu einer Erhöhung der Herzfrequenz und des Blutdrucks führt. Durch die Blockierung der Beta-Rezeptoren senken Beta-Blocker die Herzfrequenz und den Blutdruck.
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Narkosemittel
Narkosemittel sind Medikamente, die verwendet werden, um Schmerzen zu lindern und Bewusstlosigkeit während Operationen zu verursachen. Sie wirken, indem sie die Kanäle in den Synapsen blockieren und so die Weiterleitung von Schmerzsignalen unterbrechen.
Weitere Beispiele
- Alkylphosphate: Hemmen die Aktivität des Enzyms Acetylcholinesterase, was zu einer erhöhten Konzentration von Acetylcholin im synaptischen Spalt führt.
- Tetrodotoxin (TTX): Blockiert Natriumkanäle und verhindert so die Weiterleitung von Aktionspotentialen.
- Curare: Blockiert Acetylcholinrezeptoren und führt zu Muskellähmung.
- Batrachotoxin: Bindet an Acetylcholinrezeptoren und verhindert das Schließen der Natriumkanäle, was zu einer permanenten Aktivierung der Muskelzellen führt.
Bedeutung von Gentests
Die Forschung hat interessante Gentests auf den Markt gebracht, die vorhersagen können, wie die Leber ein Medikament verstoffwechseln wird (Stada-Gentest) oder wie gut der Übertritt eines Wirkstoffes vom Blut ins Gehirn gelingen wird (ABCB1-Gentest). Allerdings ist der praktische Nutzen noch nicht optimal. Eine Pharmakotherapie ist sehr komplex. Falls von einem Medikament z.B. speiübel wird, nützt nichts, dass es mittels des Gentests empfohlen wurde. Auch sagen die Tests nicht viel darüber aus, wie gut ein Antidepressivum dann letztlich wirken wird. Denn dies hängt nicht nur am Leberstoffwechsel und dem Übertritt ins Gehirn (sogenannte Blut-Hirn-Schranke).
Therapeutisches Drug Monitoring (TDM)
Mittlerweile wissen wir, dass für Sie passende und vielversprechende Antidepressiva ihre positive Wirkung früh “andeuten”, bevor die volle Wirkung einsetzt. Überdies lässt sich die Konzentration des eingesetzten antidepressiven Wirkstoffs im Blutserum messen. Wenn Sie ein Medikament einnehmen, wird die Tablette im Magen “aufgeschlossen” und der Wirkstoff im anatomisch darauf folgenden Dünndarm aufgenommen. Das wirkstoffreiche Blut wird dann aber zunächst in der Leber “gewaschen”. Wenn wir Ihnen venöses Blut aus der Armbeuge abnehmen, hat dieses die Leber bereits passiert. Wir können dort also messen, wie hoch die antidepressiv wirksamen Substanzen in dem Anteil des Blutes konzentriert sind, welcher auch das Gehirn durchfließen wird. Somit können wir die Dosis des Antidepressivums optimieren. Dieses Vorgehen nennt sich Therapeutisches Drug Monitoring (TDM).
Nebenwirkungen
Eine nebenwirkungsfreie Pharmakotherapie existiert leider (noch) nicht. Jedes Medikament hat erwünschte und unerwünschte Wirkungen. Über mögliche unerwünschte Wirkungen werden Sie von Ihrem Psychiater individuell aufgeklärt. Diese sind von Medikament zu Medikament verschieden. Häufige Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Durchfall und - je nach Wirkstoff - Unruhe und Schlaflosigkeit oder das Gegenteil, nämlich Ermüdung, ein “abgedämpftes Gefühl” und ggf. auch ein Überhang am nächsten Morgen der Einnahme. Die gute Nachricht: Die meisten Nebenwirkungen verschwinden nach ca. zwei bis drei Wochen, da sich der Körper auf den regelmäßig verabreichten Wirkstoff einstellt. Nicht selten beginnt die Pharmakotherapie sehr belastend, denn die Wirkung tritt erst verzögert ein, aber die Nebenwirkungen zeigen sich rasch. Hat man die ersten zwei bis drei Wochen der Therapie durchgestanden, ändert sich das Bild dramatisch.