Das zentrale Nervensystem (ZNS), bestehend aus Gehirn und Rückenmark, ist für die Steuerung nahezu aller Körperfunktionen verantwortlich. Erkrankungen des ZNS können daher vielfältige und schwerwiegende Auswirkungen haben. Die Klinik für Neurologie widmet sich mit besonderem Engagement der Behandlung dieser komplexen Erkrankungen, wobei ein Schwerpunkt auf Multipler Sklerose (MS) und erregerbedingten neurologischen Erkrankungen liegt. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über ZNS-Erkrankungen, wobei Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlungsansätze erläutert werden. Ein besonderer Fokus liegt auf der Multiplen Sklerose und Erkrankungen des Rückenmarks.
Multiple Sklerose (MS): Eine chronisch-entzündliche ZNS-Erkrankung
Multiple Sklerose, auch Encephalomyelitis disseminata genannt, ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, die das zentrale Nervensystem (ZNS) betrifft. Bei MS greifen körpereigene Abwehrzellen die Myelinscheiden an, die Schutzschicht der Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark. Diese Entzündungsreaktion führt zum Abbau der Myelinscheiden (Demyelinisierung) und somit zu einer gestörten oder blockierten Funktion der betroffenen Nerven.
Ursachen von MS
Die genauen Ursachen für die fehlgesteuerte Reaktion des Immunsystems bei MS sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren, sowohl genetischer als auch umweltbedingter, zum Ausbruch der Krankheit führt.
Genetische Prädisposition: Untersuchungen an Zwillingen belegen eine genetische Prädisposition für das Auftreten einer MS. Es wurden mehr als 100 Suszeptibilitätsgene für MS beschrieben.
Umweltfaktoren: Niedrige Vitamin-D-Spiegel, Adipositas, frühere Epstein-Barr-Virus-Infektionen und Rauchen bzw. Rauchexposition wurden als Umweltfaktoren identifiziert.
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Symptome von MS
Die Symptome von MS sind äußerst vielfältig, da sich die Entzündungsherde in allen Regionen des zentralen Nervensystems entwickeln können. Es gibt keine typische Krankheitsgeschichte, und die Symptome variieren stark in ihrem zeitlichen Verlauf, ihrer Ausprägung und Intensität. MS wird daher auch als "die Krankheit mit den vielen Gesichtern" bezeichnet.
Frühe Anzeichen:
- Störungen der Gefühlswahrnehmung in Armen und Beinen (Kribbeln, Taubheit)
- Unsicherheit beim Gehen
- Gleichgewichtsstörungen
- Sehstörungen
- Darmentleerungsprobleme
Weitere Beschwerden:
- Starke Ermüdungserscheinungen (Fatigue)
- Blasenentleerungsstörungen (Drangblase, Harnverhalt, Harninkontinenz)
- Sprechstörungen (undeutliche, verwaschene Sprache)
- Schwäche in den Beinen
- Gangstörungen durch krampfhafte Erhöhungen der Muskelspannung (Spastik)
- Koordinationsstörungen
- Schmerzen
- Sexuelle Störungen
- Kognitive Störungen (Gedächtnisstörungen)
- Psychische Veränderungen
- Lähmungen der Muskeln (in schweren Fällen)
Verlaufsformen von MS
Die Entwicklung von MS kann sich bei jedem Betroffenen anders darstellen. Grundsätzlich werden drei Verlaufsformen unterschieden:
- Schubförmig-remittierende MS (RRMS): Bei den meisten MS-Erkrankten (80 Prozent) beginnt die MS mit Schüben. Während dieser Schübe verschlechtern sich bestehende Symptome oder es treten neue Beschwerden auf. Zwischen den Schüben kommt es zu einer teilweisen oder vollständigen Remission der Symptome.
- Sekundär chronisch-progredienter Verlauf (SPMS): Bei einem Teil der Patienten geht die RRMS nach einigen Jahren in eine SPMS über. Hierbei nehmen die Beschwerden kontinuierlich zu, auch ohne das Auftreten von Schüben.
- Primär chronisch-progredienter Verlauf (PPMS): Bei dieser Verlaufsform (10-15 Prozent der Fälle) kommt es von Beginn an zu einer schleichenden Zunahme der Symptome ohne Schübe.
Diagnose von MS
Die Diagnose von MS erfordert eine umfassende neurologische Untersuchung, da es kein typisches Beschwerdebild und keine spezifischen MS-Symptome gibt. Andere Erkrankungen müssen ausgeschlossen werden.
Untersuchungen zur Diagnosestellung:
- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte, einschließlich aktueller Beschwerden und früherer neurologischer Symptome.
- Körperliche Untersuchung: Klinisch-neurologische Untersuchung des Nervensystems, einschließlich der Funktion von Augen und Hirnnerven, Empfindungen, Muskelkraft und Muskelspannung.
- Apparative Untersuchung:
- Magnetresonanztomografie (MRT): Darstellung von Entmarkungsherden im Gehirn und Rückenmark.
- Evozierte Potenziale (EP): Funktionsmessungen von Seh-, Hör-, sensiblen und motorischen Bahnen.
- Laboruntersuchungen:
- Liquordiagnostik: Analyse des Nervenwassers zur Feststellung von Entzündungszeichen und zum Ausschluss anderer Erkrankungen.
- Blutanalyse: Ausschluss anderer Erkrankungen.
Die Diagnose wird üblicherweise nach den international anerkannten McDonald-Kriterien gestellt. Diese Kriterien berücksichtigen die räumliche und zeitliche Streuung der Läsionen im ZNS, nachgewiesen durch MRT und klinische Befunde.
Therapie von MS
MS ist nicht heilbar, aber die Therapie zielt darauf ab, die Krankheitsaktivität aufzuhalten oder zu verlangsamen und die Symptome zu lindern. Die Therapie wird individuell auf den Patienten und seinen Krankheitsverlauf abgestimmt.
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Therapeutische Ansätze:
- Schubtherapie: Behandlung akuter Schübe mit hochdosierten Kortikosteroiden, um die Entzündungsreaktion zu stoppen und die Symptome zu lindern. Bei unzureichendem Ansprechen auf Kortikosteroide kann eine Blutwäsche (Plasmapharese) in Erwägung gezogen werden.
- Verlaufsmodifizierende Therapie: Langzeittherapie mit immunmodulatorischen Medikamenten, um die Schubfrequenz und das Fortschreiten der Erkrankung zu verringern. Zu den verfügbaren Medikamenten gehören Beta-Interferone, Glatirameracetat, Dimethylfumarat, Natalizumab, Fingolimod und Alemtuzumab. Die Wahl des Medikaments hängt von der Verlaufsform der MS und der individuellen Verträglichkeit ab.
- Symptomatische Behandlung: Behandlung von spezifischen Symptomen wie Spastik, Schmerzen, Fatigue, Blasenstörungen und Depressionen. Hier kommen verschiedene Medikamente, Physiotherapie, Ergotherapie und psychologische Unterstützung zum Einsatz.
- Rehabilitationsmaßnahmen: Unterstützung beim Wiedererlernen von Fähigkeiten und Verbesserung der Lebensqualität.
Motoneuronerkrankungen: Erkrankungen des motorischen Nervensystems
Motoneuronerkrankungen sind eine Gruppe von Erkrankungen, die das motorische Nervensystem betreffen. Die Leitsymptome sind fortschreitende Muskelschwäche (Parese), Muskelverschmächtigungen (Atrophie), Muskelzuckungen (Faszikulationen) und Muskelsteifigkeit (Spastik). Sensible Symptome, also Störungen des "Gefühls", sind untypisch.
Ursachen von Motoneuronerkrankungen
Die Ursachen für Motoneuronerkrankungen sind vielfältig und nicht immer bekannt. Einige Formen sind erblich bedingt, während andere sporadisch auftreten.
Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
Die häufigste Motoneuronerkrankung ist die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Hauptsymptome der ALS sind zunehmende Muskelschwäche an Armen und Beinen sowie Probleme beim Sprechen und Schlucken. Die Symptome schreiten in der Regel rasch fort.
Spinale Muskelatrophie (SMA)
Die spinale Muskelatrophie (SMA) ist eine erbliche Motoneuronerkrankung, die häufig im frühen Kindesalter beginnt. Es gibt jedoch auch Verlaufsformen, die erst im frühen Erwachsenenalter auftreten. Die SMA führt zu fortschreitender schlaffer Muskelschwäche an Armen und Beinen.
Diagnose von Motoneuronerkrankungen
Die Diagnose von Motoneuronerkrankungen erfordert eine sorgfältige klinisch-neurologische Untersuchung durch einen Experten, um andere Erkrankungen mit ähnlichem Erscheinungsbild auszuschließen.
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Therapie von Motoneuronerkrankungen
Bislang gibt es nur bei sehr wenigen Motoneuronerkrankungen eine kausale Behandlung. Die symptomatische Therapie zielt darauf ab, die Beschwerden wie Schmerzen, Muskelkrämpfe und Bewegungseinschränkungen zu lindern. Wichtig ist auch die frühzeitige Erkennung und Behandlung von Atem- und Schluckstörungen.
Entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen des ZNS
Die entzündlich-demyelinisierenden Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) sind eine Gruppe von Erkrankungen, bei denen autoimmunologische Prozesse zu einer vorübergehenden oder dauerhaften Schädigung des Myelins im Gehirn oder Rückenmark führen.
Akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM)
Im Kleinkindesalter tritt am häufigsten die akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM) auf. Die ADEM ist eine entzündliche Erkrankung des ZNS, die typischerweise nach einer Infektion oder Impfung auftritt.
Optikusneuritis und Myelitis transversa
Die Optikusneuritis (Entzündung des Sehnervs) und die Myelitis transversa (Entzündung des Rückenmarks) können isoliert auftreten oder im Rahmen von anderen Erkrankungen wie MS oder Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD).
Diagnose von entzündlich-demyelinisierenden Erkrankungen
Die Diagnosestellung ist insbesondere bei Erstmanifestation schwierig. Die Einordnung innerhalb der entzündlichen demyelinisierenden ZNS-Erkrankungen ist häufig erst im Verlauf möglich.
Therapie von entzündlich-demyelinisierenden Erkrankungen
Die Schubtherapie unterscheidet sich bei den verschiedenen entzündlichen demyelinisierenden Erkrankungen nicht und sollte möglichst rasch nach Beginn der Beschwerden erfolgen. Sie besteht in der intravenösen Gabe von Methylprednisolon.
ZNS-Tumoren: Seltene, aber schwerwiegende Erkrankungen
Tumoren des zentralen Nervensystems (ZNS) sind relativ seltene Erkrankungen. Sie können gutartig oder bösartig sein und in verschiedenen Regionen des Gehirns oder Rückenmarks auftreten.
Symptome von ZNS-Tumoren
Es gibt keine typischen Symptome, die auf einen ZNS-Tumor hinweisen. Mögliche Symptome sind epileptische Anfälle, neurologische Ausfälle (z.B. Halbseitenlähmung, Sehstörung, Orientierungsstörung) oder Wesensveränderungen.
Diagnose und Therapie von ZNS-Tumoren
Die Diagnose erfolgt in der Regel mittels MRT. Die Therapie ist individuell und hängt von der Art, Größe und Lokalisation des Tumors ab. In der Regel umfasst die Behandlung eine Operation, Strahlentherapie und/oder Chemotherapie.
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