Yoga erfreut sich in Deutschland steigender Beliebtheit. Klinische Studien haben einen gewissen Nutzen bei unterschiedlichsten Indikationen von Kreuzschmerzen bis Migräne untersucht. Die Übungen werden in der Rehabilitation von Schlaganfall-Patienten oder begleitend zur Strahlentherapie bei Brustkrebs eingesetzt. Doch wie wirksam ist Yoga wirklich nach einem Schlaganfall? Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle Studienlage und gibt Hinweise zur praktischen Anwendung.
Yoga bei spezifischen Beschwerden und Erkrankungen
Asthma bronchiale
Yoga-Übungen können die Symptome eines Asthma bronchiale lindern und die Lebensqualität der Patienten verbessern. Dies ergab eine Meta-Analyse in der Cochrane Database of Systematic Reviews (2016; doi: 10.1002/14651858.CD010346.pub2). Asthma bronchiale ist gekennzeichnet durch eine Überempfindlichkeit und Entzündung der Atemwege, die zu episodischen, aber reversiblen Obstruktionen der Bronchien führt. Die Behandlung besteht in einer Kombination aus inhalativen Steroiden, die die Entzündung mildern, mit Beta-Agonisten, die die Bronchien weitstellen. Einige Patienten versuchen komplementäre Therapien. Yoga-Übungen bieten sich an, da die Atemübungen (Pranayama) und die Meditationen (Dhyana), die neben den Körperhaltungen (Asanas) zu den drei Prinzipien der verschiedenen Varianten des Yoga gehören, eine beruhigende Wirkung auf die Atmung haben. Zuyao Yang von der Jockey Club School of Public Health and Primary Care an der chinesischen Universität Hongkong hat für die Cochrane Collaboration die Ergebnisse von 15 randomisierten klinischen Studien ausgewertet, die Yoga-Übungen mit einer konventionellen Behandlung oder scheinbaren Yogaübungen bei Patienten mit Asthma bronchiale verglichen haben. Die Studien wurden zumeist in Indien, aber auch in Europa und den USA durchgeführt. Die insgesamt 1.048 Teilnehmer litten an mildem bis mittelschwerem Asthma, und die Krankheitsdauer lag zwischen sechs Monaten und mehr als 23 Jahren. Die meisten Patienten nahmen parallel zu den Yoga-Übungen ihre Medikamente weiter ein. Yang fand Belege von „mittlerer Beweiskraft“ für günstige Auswirkungen auf Lebensqualität und Symptome. Im Asthma Quality of Life Questionnaire wurde eine Besserung um 0,57 Punkte auf einer Skala von 0 bis 7 Punkten erzielt (95-Prozent-Konfidenzintervall 0,37-0,77). Die Symptome besserten sich um 0,37 SMD. SMD steht für standardisierte mittlere Differenz. Sie ist ein Hinweis auf die Effektstärke und kann einen Wert von 0 (kein Nutzen) bis 1 (maximaler Effekt) annehmen. Ein Wert von 0,37 ist eine eher schwache Wirkung, die aber bei einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,09 bis 0,65 signifikant war. Darüber hinaus senkte Yoga in zwei Studien den Medikamentenverbrauch, wobei die Streubreite hier allerdings sehr groß war (relatives Risiko 5,35; 1,29-22,11). Ein Vorteil für die Lungenfunktion war in den Studien nicht erkennbar. Die Einsekundenkapazität (FEV1) nahm nicht-signifikant um 0,04 Liter zu (minus 0,10 bis 0,19 Liter). Insgesamt bleibt die Evidenz nach Einschätzung von Yang doch recht unsicher, auch was die möglichen Nebenwirkungen der Übungen betrifft. Aufgrund der möglichen Auswirkungen auf Lebensqualität und Symptome spreche nichts gegen Yoga-Übungen, solange die Patienten darüber die medikamentöse Therapie nicht vernachlässigen.
Gonarthrose
Noch vor invasiven Methoden wird von allen Leitlinien bei Kniearthrose die adjuvante muskuläre Stabilisierung der knieumgebenden Strukturen empfohlen. Neben gängigen Kräftigungsprogrammen bietet sich Yoga als leicht zugängliches und schonendes Bewegungstraining an. Es stellt sich die Frage, ob man damit vergleichbare Ergebnisse erzielen kann wie mit knieaktivem Krafttraining.
Rückenschmerzen
Eine amerikanische Untersuchung verglich Studien zu nicht-pharmakologischen Behandlungen bei Rückenschmerzen. Mehrere der Therapien können - so die Schlussfolgerung - möglicherweise gering bis moderat, meist allerdings nur kurzfristig auf den Schmerz einwirken. Eine Studie der Charité in Berlin beschäftigte sich mit der Frage, ob Yoga oder Qi Gong chronische Schmerzen des unteren Rückens bei Senioren im Vergleich zu keiner Intervention positiv beeinflussen können.
Hüft-OP
Nach einer Arthroplastie wird häufig zu Yoga als schonender Sportart geraten. Doch längst nicht alle Positionen (Asanas) sind mit einem künstlichen Hüftgelenk tatsächlich geeignet, sondern stellen teilweise ein echtes Risiko für die gefürchtete Dislokation dar. Davor warnen Mediziner der Universität Arkansas, die die Belastungen verschiedener Yoga-Übungen untersucht und in einer Studie ausgewertet haben.
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Yoga nach Schlaganfall: Spezifische Studien und Ergebnisse
Verbesserung des Gleichgewichtssinns und Reduktion der Sturzangst
Indianapolis - Zweimal wöchentliche Yoga-Übungen haben in einer randomisierten Pilotstudie in Stroke (2012; doi: 10.1161/STROKEAHA.112.658211) den Gleichgewichtssinn von Schlaganfallpatienten verbessert und die Angst vor Stürzen gemildert. Die Körperpositionen beim Yoga stellen auch bei Gesunden hohe Ansprüche an die körperliche Balance. Patienten, die nach einem Schlaganfall häufig über Störungen des Gleichgewichtssinns klagen, würden die meisten Mediziner von Yoga-Übungen abraten. Arlene Schmid von der Universität von Indiana in Indianapolis konnte zeigen, dass gerade diese Patienten von zweimal wöchentlichen Yoga-Übungen profitieren. Die Kurse wurden von einer erfahrenen Yoga-Therapeutin geleitet, die die Körperhaltungen auf die Möglichkeiten der Patienten abstimmte und die Ansprüche nur langsam erhöhte. Nach den insgesamt 16 Sitzungen hatten die Patienten nicht nur verschiedene Positionen im Sitzen, Stehen oder Liegen erlernt, sie hatten auch ihren Gleichgewichtssinn verbessert, wie der Vergleich zu zwei anderen Gruppen zeigte, in denen die Patienten nur entspannender Musik zuhörten oder keine besondere Betreuung erfuhren. Auf der Berg Balance Scale, einem zuverlässigen Instrument zur Beurteilung des Gleichgewichtssinns, kam es laut Schmid zu einer signifikanten Verbesserung. Auch das Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten wurde gestärkt. Auf einer Skala gaben die Teilnehmer eine verminderte Angst vor Stürzen an. Schmid hält die Yoga-Übungen für eine geeignete Fortsetzung der Reha-Behandlung, mit der die Patienten auch viele Monate nach dem Schlaganfall noch Fortschritte erzielen könnten. Die Aussagekraft einer Studie mit gerade einmal 37 Patienten ist jedoch begrenzt.
Auswirkungen auf das Gehirn
Sportwissenschaftler haben in einem Review untersucht, welche Effekte Yoga auf das Gehirn hat. Die Arbeit konzentrierte sich auf die Entwicklung motorischer Skills sowie Körpergefühl und Schmerzempfinden. Alle Outcomes weisen auf positive neurologische Anpassungsreaktionen durch regelmäßige Yoga-Praxis hin.
Zirkeltraining versus Tai Chi & Co.
Im Rahmen von zwei Metaanalysen wurden verschiedene Trainingsprogramme für Schlaganfallpatienten genauer unter die Lupe genommen. Die Programme müssen daraufhin abgestimmt sein, welcher Schlaganfalltyp vorlag und wie stark die Beeinträchtigungen sind.
Yoga in der Ergotherapie nach Schlaganfall
Die Folgen eines Schlaganfalles beeinträchtigen die Lebensqualität der betroffenen Menschen auf vielfältige Art und Weise. Von daher ist es hilfreich, in der ergotherapeutischen Behandlung diese Menschen ebenso vielfältig bzw. ganzheitlich zu unterstützen. Yoga ist eine indische Heilkunde mit Fokus auf der Atmung in Verbindung mit Bewegungen. Die ältesten Spuren des Yoga führen 5.000 bis 8.000 Jahre in die indische Geschichte zurück. Auch in der westlichen Welt findet Yoga mehr und mehr Verbreitung. Yoga wirkt gesundheitsfördernd über die Stärkung der gesunden Anteile des Organismus und kann bei der psychischen und physischen Selbstregulation helfen. Die Teilnahme an Yoga-Kursen wird von Krankenkassen gefördert und es gibt wissenschaftliche Nachweise für die Wirksamkeit von Yoga bei einigen Krankheitsbildern. Schlaganfälle beeinträchtigen Menschen auf sehr unterschiedliche Weise, abhängig unter anderem von der Intensität des Schlaganfalls und dem Gehirnbereich, in dem die Schädigung auftritt. Folgen können Einschränkungen oder Verlust verschiedener durch das Gehirn gesteuerter Fähigkeiten sein wie Bewegungen, Wahrnehmung, Sprache und anderer mentaler Funktionen. Bei der Behandlung von Menschen, die nach einem Schlaganfall das Bewegungsausmaß und die Koordination der betroffenen Körperseite verbessern möchten, sind zwei der therapeutischen Bausteine das Hinwirken auf die Normalisierung der Muskelspannung (Tonus) sowie auf die Verbesserung der Haltungskontrolle bzw. Yogaelemente in ergotherapeutischer Behandlung ermöglichen eine Unterstützung beim Wiedererlangen und Nutzen mancher durch den Schlaganfall verloren gegangener Fähigkeiten. Ein Teil davon richtet sich auf die bewusste Arbeit mit dem eigenen Atem, die zu geistig-seelischer Entspannung und einer Verbesserung der Körpereigenwahrnehmung beitragen kann. Geistiges Fokussieren, ruhiger Atemfluss und Imaginationsübungen können eine Wohlspannung der Muskulatur begünstigen und eine Haltungskorrektur erleichtern. Dies kann in Verbindung mit ergotherapeutischen Behandlungsverfahren und im Alltag beispielsweise im Sitzen am Tisch zur Verbesserung der Haltungsmuster beitragen und das Ausführen von Tätigkeiten wie Greifen, Halten und Holen erleichtern. Yogaübungsprogramme, die Körperpositionen im Sitzen oder Stehen in Verbindung mit bewusster Atemführung beinhalten, erreichen laut Studienergebnissen bei regelmäßiger (zweimal wöchentlicher) Umsetzung eine Verbesserung im Gleichgewicht sowie Herabsetzung der Angst zu fallen für Schlaganfallpatienten.
Ein persönlicher Bericht: Mit Yoga zurück ins Leben
Susanne Althoff, eine 51-jährige Yogalehrerin, erlitt eine schwere Hirnblutung aufgrund einer angeborenen Anomalie der Blutgefäße im Gehirn (AVM). Nach einer Notoperation und einem langen Aufenthalt im Krankenhaus und RehaCentrum kämpfte sie sich mit Hilfe von Yoga zurück ins Leben.
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Die Diagnose und Operation:
Susanne Althoff genoss einen ruhigen Samstagabend mit Yoga-Übungen, als plötzlich ihr Kopf explodierte. Nach anfänglicher Fehldiagnose wurde im UKE eine Blutfistel und drei Hirnblutungen festgestellt. Eine sechsstündige Operation rettete ihr Leben.
Der Weg zurück:
Die Tage nach der OP waren mühsam. Susanne Althoff hatte große Gleichgewichtsprobleme und benötigte zunächst einen Rollstuhl, später eine Gehhilfe. Trotz der Prognose, nur 80 Prozent ihres Gleichgewichts zurückzugewinnen, kämpfte sie unermüdlich.
Yoga als Kraftquelle:
Yoga war und ist ein wesentlicher Bestandteil ihres Lebens. Täglich macht sie ihre Übungen. „Wer weiß, wie ich aus dem Stadium mit der Gehhilfe herausgekommen wäre, wenn ich nicht mein Yoga gehabt hätte. Es verleiht mir innere und äußere Balance, ist Kraftquelle und Ruhepol. Auf dieses Tool kann ich immer zurückgreifen. Yoga ist für mich da, wie ein guter Freund.“
Anpassungen und neue Perspektiven:
Susanne Althoff musste ihr Leben an die neuen Umstände anpassen. Sie gibt keinen Yoga-Unterricht mehr, plant aber, ihre Freude am Schreiben wiederzuentdecken. Trotz der Herausforderungen hadert sie nicht mit ihrem Schicksal, sondern ist dankbar für die gute Behandlung im UKE.
Verletzungsrisiko und Einschränkungen
Ein Forschungsprojekt an der University of Sydney deckte auf, dass zehn Prozent der Yoga-Treibenden von Schmerzen geplagt werden. Bei jedem Fünften verschlimmern sich schon vorhandene Schmerzen, wenn sie Yoga-Übungen machen. Es ist daher ratsam, Yoga unter fachkundiger Anleitung zu praktizieren und auf die Signale des Körpers zu achten. Bestimmte Yoga-Übungen sind nach Hüftoperationen ungeeignet und bergen ein Risiko für Dislokationen.
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