Yoga bei Parkinson: Studienlage und praktische Anwendung

Morbus Parkinson ist nach Alzheimer die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. In Deutschland sind etwa 400.000 Menschen betroffen. Die Parkinson-Forschung hat in der jüngeren Vergangenheit riesige Fortschritte gemacht. In erster Linie wird die Krankheit mit Medikamenten behandelt, die den Dopaminmangel ausgleichen und die neurologischen Störungen wirksam eindämmen können. Auch psychologische Unterstützung, Physio- oder Ergotherapie und überhaupt viel Bewegung tragen dazu bei, dass viele Patient*innen gut mit der Erkrankung klarkommen und ihr Verlauf sich verlangsamt.

Die vielschichtigen Symptome von Parkinson

Oft beginnt Parkinson schleichend mit unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit, Muskelschmerzen, Sehstörungen oder leichtem Zittern. Die Diagnose Morbus Parkinson wird meistens zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr gestellt, aber bei etwa jedem zehnten Betroffenen bereits vor dem 40. Geburtstag.

Die Ursache liegt in einem Mangel des Botenstoffs Dopamin, der durch den Abbau von Nervenzellen entsteht. Dieser Mangel führt zu einem Ungleichgewicht in den Basalganglien, Kerngebieten des Gehirns, die für Bewegungsplanung, -steuerung und -modulation sowie für wichtige Aspekte unseres Fühlens und Verhaltens zuständig sind.

Die Symptome sind vielfältig:

  • Zittern (Tremor)
  • Erhöhter Muskeltonus mit Steifigkeit der Muskeln (Rigor)
  • Verlangsamte Bewegung (Bradykinese)
  • Instabilität und Gleichgewichtsstörungen
  • Nach vorne geneigter Oberkörper
  • Eingeschränkte Hüftbeweglichkeit
  • Unsicherer Gang in kleinen Trippelschritten ohne Armbewegung

Yoga als ganzheitlicher Therapieansatz

Yoga kann die körperliche und mentale Gesundheit auf vielseitige Art unterstützen. Regelmäßig und achtsam geübt kann Yoga sehr viel mehr sein als eine funktionale Gymnastik. Es wirkt ganzheitlich im gesamten Körper, in Seele und Geist - und das ist gerade bei einer so vielschichtigen Erkrankung wie Parkinson ein Vorteil von unschätzbarem Wert.

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Studienergebnisse zur Wirkung von Yoga bei Parkinson

Mehrere Studien belegen die positiven Effekte von Yoga auf Parkinson-Patienten:

  • MRT-gestützte Studie (2013): Ein achtwöchiges Yogaprogramm stärkt die Vernetzung der grauen Substanz im Gehirn, welche bei Morbus Parkinson eine wichtige Rolle spielt.
  • Spanische Studie (2023): Yoga verbessert die Balancefähigkeit der Patient*innen.
  • US-amerikanische Studie (2020): Wöchentliche Yogapraxis kann depressive Symptome lindern.
  • Studie (2019): Yoga kann sowohl die motorischen Fähigkeiten als auch die Lebensqualität bei Parkinson deutlich steigern.

Yoga in verschiedenen Stadien der Parkinson-Erkrankung

Die Mediziner*innen Margaret Hoehn und Melvin Yahr unterteilten den Verlauf in fünf Stadien - und die Yogapraxis sollte sich natürlich nicht nur an die individuelle Ausprägung der Symptome anpassen, sondern auch an diese Stadien und ihre besonderen Merkmale.

Stadium 1: Fokus auf Selbstmanagement und Erhalt der Leistungsfähigkeit

Im frühen Stadium 1 der Erkrankung liegt der Fokus darauf, das Selbstmanagement zu unterstützen, Inaktivität vorzubeugen und die allgemeine körperliche Leistungsfähigkeit zu erhalten und zu verbessern. Dazu eignen sich ganz besonders Stehhaltungen wie Virabhadrasana I und II (Krieger) sowie Trikonasana (Dreieck), die mit großen Armbewegungen kombiniert werden können, um das Gleichgewicht zusätzlich zu stärken. Bei Bedarf kann man sich an einem Stuhl oder an der Wand festhalten. Auf diese Weise kräftigt man die Beinmuskulatur, verbessert die Flexibilität der Hüften und fördert die Aufrichtung und Stabilität des Oberkörpers.

Stadium 2-4: Erhalt der Alltagsfähigkeit

In den mittleren Stadien 2-4 besteht das Ziel darin, die Alltagsfähigkeit zu erhalten. Das wird zum Beispiel durch aktive Positionswechsel und die Förderung des Gleichgewichts erreicht. Sinnvoll sind zum Beispiel Übungen, bei denen man sich am Stuhl festhalten und den Transfer zwischen Boden und Stand üben kann, etwa eine abgewandelte Version des Sonnengrußes.

Stadium 5: Erhalt der Vitalfunktionen

Im fortgeschrittenen Stadium 5 liegt der Schwerpunkt auf dem Erhalt der Vitalfunktionen und der Vermeidung von Kontrakturen. Geeignet sind hier Übungen im Sitzen auf einem Stuhl oder in der Rückenlage auf dem Boden, bei denen der Fokus auf der Atmung, insbesondere der Einatmung, liegt.

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Allgemeine Empfehlungen für die Yogapraxis

In allen Stadien empfiehlt sich eine Brahmana-Praxis, das bedeutet: ein energetisierendes, kräftigendes Üben. Dafür werden Asanas eher dynamisch ausgeführt, anstatt sie statisch zu halten. Ganz wichtig ist auch Pranayama: Eine betonte Einatmung hilft, die Energie ins Fließen zu bringen und kann Antriebslosigkeit, depressiver Verstimmung und der allgemeinen Bewegungsarmut entgegenwirken. Ein gutes Beispiel dafür ist Chandra Bedhana (Mondatmung): Diese Technik hat zugleich eine energetisierende und kühlende Wirkung und kann helfen, Unruhe zu reduzieren.

Zwei Tipps gegen zitternde Hände:

  • Meditation oder auch Yoga Nidra können die Entspannung fördern und sind ein wichtiger Bestandteil einer ganzheitlichen Praxis. Doch häufig stört das Zittern der Hände die Konzentration. Das Gewicht kleiner Sandsäcke auf den Händen kann hier helfen, das Zittern zu minimieren.
  • Zweite Möglichkeit: Die Hände bewusst bewegen und in die Meditation mit einbeziehen, zum Beispiel indem man sie einatmend weit öffnet und ausatmend schließt.

Weitere Bewegungsangebote und ihre Wirkung

Neben Yoga gibt es eine Vielzahl weiterer Bewegungsangebote, die sich positiv auf die Symptome und die Lebensqualität von Parkinson-Patienten auswirken können. Eine im Cochrane Review ausgewertete Evidenz aus 156 randomisierten Studien spricht für günstige Auswirkungen solcher Angebote auf den Schweregrad von Bewegungssymptomen und die Lebensqualität.

Die Auswertung ergab, dass strukturierte Bewegungsangebote - von Tanzen, Bewegung im Wasser (Gangtraining oder Wassergymnastik), Krafttraining und Ausdauertraining bis hin zu Tai Chi, Yoga und Physiotherapie - leichte bis starke Verbesserungen des Schweregrads von Bewegungssymptomen und der Lebensqualität bewirken.

"Hauptsache Bewegung!"

Die Ergebnisse zeigen, dass Patient*innen mit Morbus Parkinson von verschiedenen strukturierten Bewegungsprogrammen profitieren können, um den Schweregrad der motorischen Symptome und die Lebensqualität zu verbessern. Die genaue Art der Bewegung ist dabei zweitrangig. Deshalb sollten die persönlichen Vorlieben von Menschen mit Parkinson besonders berücksichtigt werden, um sie zu motivieren, überhaupt an einem Bewegungsprogramm teilzunehmen.

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Physiotherapie hierdurch nicht ersetzt werden sollte, denn diese ist wichtig, um ganz gezielt zum Beispiel die Feinmotorik zu stärken oder das Sturzrisiko zu senken.

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IPSUM: Mentales Training für Parkinson-Betroffene

IPSUM ist der Name eines neu entwickelten mentalen Trainingskonzepts, welches auf die Bedürfnisse von Parkinson-Betroffenen angepasst ist und aktuell im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie erprobt wird. Ein zentrales Ziel dieses Trainings ist die Steigerung von Lebensqualität durch Erlernen eines achtsamen, wohlwollenden Umgangs mit sich selbst. Dies beinhaltet auch das Erforschen der eigenen Person mitsamt ihren Stärken, Möglichkeiten und Bedürfnissen.

IPSUM besteht aus insgesamt acht wöchentlichen Sitzungen von je zwei Stunden Dauer. Einmal pro Woche treffen Sie sich in einer Gruppe von vier bis sechs Teilnehmern um gemeinsam und aktiv hilfreiche Methoden zur Steigerung Ihrer Achtsamkeit und Ihres Wohlbefindens auszuprobieren. Diese Methoden umfassen klassische Achtsamkeitsübungen, wie zum Beispiel verschiedene Formen der Meditation, sanfte Yoga-Übungen auf dem Stuhl, Atemübungen und viele mehr. Die Teilnahme an IPSUM ist für Betroffene der Parkinson-Erkrankung jederzeit möglich und kostenlos.

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