Yoga erfreut sich wachsender Beliebtheit und gilt als gesundheitsfördernd. Studien belegen positive Auswirkungen auf Depressionen, Angstzustände, Schlafstörungen, chronische Nacken- und Rückenschmerzen sowie Herz-Kreislauf-Parameter. Yoga verbessert Balance und Körpergefühl, was besonders ältere Menschen vor Stürzen schützen kann. Doch der Trendsport birgt auch Risiken und Nebenwirkungen, die nicht unterschätzt werden sollten. Immer mehr Menschen ziehen sich bei Yoga-Übungen Zerrungen oder Frakturen zu. Vor allem ältere Menschen sind betroffen, wenn sie ihre körperlichen Fähigkeiten überschätzen.
Zunahme von Yoga-Verletzungen
In den USA hat die Zahl der Yoga-Verletzungen zugenommen. Eine Studie der Universität in Alabama ergab, dass sich 2014 mehr als achtmal so viele Menschen über 65 Jahre beim Yoga verletzten als im Jahr 2001. Auch in der Schweiz praktizieren viele Menschen Yoga regelmässig. Gemäss einer Umfrage der Zeitschrift «20 Minuten» praktizieren 36 % der Schweizer regelmässig Yoga und 20 % hin und wieder. 27 % betreiben zwar kein Yoga, haben es aber vor.
Dr. med. Daniel Wüst, Orthopäde und Sportmediziner in Zürich, beobachtet auch in seiner Praxis regelmässig Patienten mit Yoga-Verletzungen. Frauen klagen häufig über Knieschmerzen nach längerem Sitzen auf den Fersen mit maximaler Beugung der Kniegelenke. Dabei stellt Wüst oft einen Schaden am Meniskus fest. Dr. med. Alexander Barié, Leiter des Bereichs Sportorthopädie und Sporttraumatologie am Universitätsklinikum Heidelberg, sieht ebenfalls häufig Knieschmerzen bei Yogasportlern nach Einnahme des Lotussitzes. Die Schmerzen werden durch Überlastung bereits degenerativ vorgeschädigter Menisken verursacht. Auch Sehnenirritationen im Bereich der Sitzbeine kommen vor, vor allem wenn die fehlenden körperlichen Voraussetzungen durch den Übenden missachtet und übergangen werden. Wüst sieht immer wieder auch Schäden an Bändern oder Kapseln am Schultergelenk, wenn die Yogabegeisterten zu heftig gedehnt haben.
Arten von Yoga-Verletzungen
Frakturen durch Yoga sind selten. In einer US-amerikanischen Studie machten sie nur 4,76 % der Verletzungen aus. Am häufigsten (45,03 %) zerrten sich die Leute Bänder, Kapseln und Muskeln, vor allem an Hals, Rücken oder Beinen. Prinzipiell kann jedes unserer Bänder, jeder Muskel und jede Gelenkkapsel gezerrt werden. Das passiert, wenn man das Gewebe über seine eigentliche maximale Dehnungsfähigkeit hinaus dehnt. Es kommt dann zu kleinsten Rissen im Gewebe, was eine Blutung und Entzündung auslösen kann, die Schmerzen verursacht. Die Zerrungen entstehen, weil die Yogasportler ihre Übungen zu ehrgeizig machen, ihre körperlichen Fähigkeiten überschätzen oder nicht richtig angeleitet werden, so Barié. Das sind auch die Gründe, warum sich ältere Yogasportler häufiger verletzten. Im Alter ist das Gewebe nicht mehr so dehnbar und wird anfälliger für Verletzungen. Macht man dann die Übungen so intensiv wie ein junger Mensch, reizt man das vorgeschädigte Gewebe, und es wird gezerrt. Im Alter lässt zudem die Knochendichte nach und Knochen brechen leichter, was auch die erhöhte Frakturrate bei den Senioren erklärt. Ältere Sportler sind ausserdem oft ziemlich ehrgeizig. Die Yogagruppen sind häufig gemischt, und die Senioren möchten unbedingt mit den Jüngeren mithalten.
Schlaganfall als seltene, aber schwerwiegende Folge
In seltenen Fällen kann Yoga auch zu schwerwiegenderen Gesundheitsproblemen wie einem Schlaganfall führen. Medizinische Fachblätter berichten von Einzelfällen, in denen junge Erwachsene nach Yoga einen Schlaganfall erlitten. Ursache waren winzige Verletzungen an der Halsschlagader durch abrupte Kopfbewegungen. Eine US-Amerikanerin erlitt beispielsweise einen Schlaganfall, als sie einen sogenannten „Hollowback“-Handstand durchführte. Bei dieser Übung geht man in einen Handstand - allerdings rückwärtsgerichtet mit Hohlkreuz. Ärzte vermuteten, dass sie sich die rechte Halsschlagader verletzt hat. Bewegt man während der Übungen den Nacken ruckartig und weit nach hinten, kann das zu Schwellungen und Blutgerinnseln in den Adern führen. Im Extremfall droht ein Schlaganfall - auch bei jungen, gesunden Menschen.
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Risikofaktoren und Vorerkrankungen
Bestimmte Vorerkrankungen können das Risiko von Yoga-bedingten Verletzungen erhöhen. Menschen mit hohem Blutdruck oder Augeninnendruck sollten besonders vorsichtig sein, da längeres Kopfüberhalten diese Bedingungen verschlimmern kann. Klaus Völker vom Universitätsklinikum Münster betont die Bedeutung der Vorsicht bei diesen speziellen Übungen. Wer bereits gesundheitliche Probleme hat, sollte besonders vorsichtig sein, denn solche Übungen können dein Schlaganfallrisiko erhöhen.
Auch unerkannte Vorschädigungen der Wirbelsäule können problematisch sein. Wenn jemand von einer Vorschädigung der Wirbelsäule nichts weiß und seinen Rücken dehnt, ohne ihn vorher zu kräftigen, kann einem Bandscheibenvorfall Vorschub geleistet werden. Dabei trifft es besonders häufig den Nacken und den unteren Rückenbereich: Hals- und Lendenwirbelsäule werden im Alltag stark gefordert. Die Lendenwirbelsäule etwa zeigt häufig schon im zweiten Lebensjahrzehnt Abnutzungserscheinungen. Ein weiteres Problem sieht Völker in der Statik einiger Haltungen der Körperkunst: Lastet das Körpergewicht zu lange auf einem kleinen Punkt im Gelenk, drückt es die Nährflüssigkeit aus dem schwammigen Gewebe des Knorpels heraus und beschädigt ihn gegebenenfalls.
Vermeidung von Verletzungen und Risiken
Verletzungen lassen sich vermeiden, wenn die Yogalehrer ihre Schüler individueller anleiten würden, so Barié: Ältere Yogainteressierte und solche mit Vorschäden sollten zunächst individuell durch einen medizinisch geschulten Trainer angeleitet werden und nicht direkt in einer Gruppe beginnen. Ausserdem solle man seine Patienten immer wieder darauf hinweisen, das Aufwärmen nicht zu vergessen, rät Wüst: Das Gewebe wird mehr durchblutet und die Koordination zwischen Muskeln und Gehirn verbessert - das kann vor Verletzungen schützen. Die Übungen sollten über einen längeren Zeitraum gelernt und gesteigert werden. Und niemals sollte der Yogalehrer eine durchgeführte Dehnung mit den Händen verstärken. Dann ist eine Zerrung fast schon vorprogrammiert, so Wüst.
Für eine sichere Praxis solltest du ärztlichen Rat einholen, um sicherzustellen, dass deine Übungen deinem Körper guttut. Ein gut ausgebildeter Lehrer kann die Übungen anpassen. Wer schon Beschwerden hat, sollte seinen Arzt fragen. Ein guter Lehrer sollte seine Schüler nach Vorerkrankungen fragen und Rücksicht auf ihre körperliche Verfassung nehmen. Außerdem sollte er bei Anfängern den Kurs überblicken können.
Ein Großteil der Yoga-Risiken lässt sich einfach minimieren, indem die Schüler auf ihre körperliche Grenzen achten. Schlechter Schmerz ist beispielsweise einschießend, stechend und ein Warnsignal des Körpers. Der zweiter entscheidende Faktor ist eine gute Anleitung.
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Was tun im Notfall?
Kommt es zu einer Zerrung an Bein oder Arm, soll die sogenannte PECH-Regel angewendet werden: Pausieren, Eis, Compression und Hochlagern. Bei Zerrungen an Schulter, Rücken oder Nacken kann der Betroffene erst einmal abwarten. Lassen es die Schmerzen zu, soll er in Bewegung bleiben, also seinem normalen Tagesablauf nachgehen, sagt Barié. Wärme mittels Wärmekissen entkrampft die Muskulatur.
Bei stärkeren und länger anhaltenden Schmerzen sollte sich der Patient beim Hausarzt vorstellen. Wenn aber "red flags" dazukommen, dann ist ein umgehender Besuch beim Facharzt anzuraten. Solche Warnzeichen sind Fieber, Lähmungserscheinungen an Blase, Mastdarm oder Beinen, sich stark verschlimmernde Rückenschmerzen oder vorbekannte Erkrankungen wie Osteoporose, Krebs oder entzündlich-rheumatische Erkrankungen.
Yoga weiterhin positiv sehen
Man dürfe seinen Patienten aber nicht die Freude am Yoga nehmen, findet Barié. Im Vergleich zu anderen Sportarten kommt es beim Yoga selten zu Verletzungen, und die Vorteile überwiegen bei Weitem das Risiko. Yoga werde zunehmend auch in medizinischen Bereichen aufgrund seiner präventiven und therapeutischen Wirkung eingesetzt, z.B. zur Stressreduktion bei neurologischen und psychischen Erkrankungen und bei der Volkskrankheit Rückenschmerz. Im Leistungssport wird es zur Verbesserung der körperlichen Voraussetzungen und aufgrund seiner positiven psychischen Effekte immer häufiger in den Trainingsplan der Athleten aufgenommen, berichtet Barié.
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