Übergewicht und Adipositas sind weit verbreitete Gesundheitsprobleme, die oft mit einer Vielzahl von Stoffwechselstörungen einhergehen, darunter Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Regulation des Körpergewichts ist ein komplexer Prozess, an dem verschiedene Organe und Systeme beteiligt sind, darunter auch das zentrale Nervensystem (ZNS). Das Gehirn spielt eine entscheidende Rolle bei der Steuerung von Appetit, Sättigung, Energieverbrauch und Stoffwechselprozessen.
Die Rolle des Gehirns bei der Gewichtsregulation
Das Gehirn verbraucht beträchtliche Mengen an Glukose, benötigt jedoch im Gegensatz zu peripheren Organen wie Leber und Muskeln kein Insulin für die Glukoseaufnahme. Die Existenz von Insulinrezeptoren im ZNS wirft daher die Frage nach ihrer Funktion auf. Studien haben gezeigt, dass das Gehirn eine zentrale Kontrollfunktion über den peripheren Insulinstoffwechsel ausübt und dass Störungen in diesem Stoffwechsel im Kopf beginnen können.
Die Wirkung von Insulin im Gehirn variiert zwischen Individuen. Manche Menschen haben Nervenzellen, die sehr empfindlich auf das Hormon reagieren, während andere nur schwach oder gar nicht reagieren. Diese Unterschiede haben erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit, da der Grad der Insulinresistenz im Gehirn beeinflusst, wie stark übergewichtige Menschen von einer Änderung ihres Lebensstils profitieren. Personen mit einer hohen Insulinsensitivität im Gehirn können durch Sport und gesunde Ernährung ihr Gewicht stärker reduzieren als Personen mit einer geringeren Insulinempfindlichkeit.
Insulinresistenz im Gehirn: Ein Hindernis für den Gewichtsverlust
Insulinresistenz im Gehirn kann die Gewichtsabnahme erschweren und zu einem Rebound-Effekt führen, bei dem das Gewicht nach anfänglichem Verlust wieder zunimmt. Studien haben gezeigt, dass Menschen mit einer erhöhten Insulinresistenz im Gehirn nur in den ersten Monaten eines Lebensstilprogramms leicht an Gewicht verlieren, danach jedoch wieder zunehmen und mehr Bauchfett anlagern.
Beeinflussung der Insulinresistenz
Die Frage, ob die Insulinresistenz im Gehirn beeinflussbar ist, ist Gegenstand aktueller Forschung. Studien haben gezeigt, dass sowohl Medikamente wie Empagliflozin als auch regelmäßiges Ausdauertraining einen messbaren Einfluss auf die Insulinresistenz im Gehirn haben können. Empagliflozin verbessert die Insulinwirkung im Hypothalamus, einer Hirnregion, die unser Gefühl für Hunger und Sättigung steuert. Ausdauertraining kann dazu führen, dass Insulin seinen Einfluss im Gehirn wieder ähnlich gut ausüben kann wie bei normalgewichtigen Personen.
Lesen Sie auch: Auswirkungen neurologischer Dysfunktion
Medikamentöse Therapien
Für Menschen, die kaum von mehr Bewegung profitieren, könnten medikamentöse Therapien in Betracht kommen. Chemische Substanzen greifen an anderen Stellen im Gehirn an als körperliche Aktivitäten. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass nicht alle Menschen in gleicher Weise auf Medikamente und Lebensstiländerungen ansprechen. Daher ist es wichtig, Möglichkeiten zu finden, um diejenigen Personen zu identifizieren, die entweder mehr von Bewegung oder stärker von Medikamenten profitieren.
Inkretine und ihre Rolle bei der Gewichtsregulation
Inkretine wie GLP-1 und GIP spielen eine zentrale Rolle bei der Regulation des Blutzuckerspiegels und des Energiestoffwechsels. GLP-1 reduziert über spezifische Sättigungszentren im Gehirn das Hungergefühl. GLP-1-Agonisten wie Semaglutid helfen bei der Gewichtsreduktion. Noch stärkere Effekte lassen sich erzielen, wenn zusätzlich der GIP-Rezeptor stimuliert wird - zum Beispiel durch Tirzepatid, das beide Rezeptoren gleichzeitig aktiviert (Polyagonist).
GIP-Rezeptor-Agonisten und -Antagonisten
Studien haben gezeigt, dass GIPR-Agonisten im Gehirn unabhängig vom GLP-1-Rezeptor wirken. Sie tun dies über Neuronen, die den hemmenden Neurotransmitter Gamma-Aminobuttersäure (GABA) freisetzen (GABAerge Neuronen). Interessanterweise werden derzeit auch Wirkstoffe entwickelt, die den GIP-Rezeptor nicht nur aktivieren (Agonisten), sondern auch blockieren (Antagonisten). Auch sie zeigen positive Effekte auf das Körpergewicht.
Forschende haben herausgefunden, dass GIPR-Agonisten und -Antagonisten zwar beide zu Gewichtsverlust und geringerer Nahrungsaufnahme führen, dies jedoch über völlig unterschiedliche und voneinander unabhängige Mechanismen geschieht. Der Effekt von GIPR-Agonisten ist nur möglich, wenn das GIPR-Signal in GABAergen Neuronen im Gehirn intakt ist. Bei GIPR-Antagonisten spielt dieses Signal hingegen keine Rolle. Einzelzellanalysen liefern zusätzliche Hinweise: Nur GIPR-Antagonisten - nicht jedoch Agonisten - aktivieren im Hinterhirn ähnliche Signalwege wie der GLP-1-Rezeptor.
Weitere Faktoren, die das Körpergewicht beeinflussen
Neben Insulin und Inkretinen spielen auch andere Hormone und Faktoren eine Rolle bei der Gewichtsregulation. Fettgewebe fungiert als eigenständiges endokrines System, das Adipokine, Wachstumsfaktoren, Zytokine und Chemokine absondert, die an verschiedenen Stellen in den Stoffwechsel eingreifen. Ein Gewichtsverlust von nur 3 % infolge der bewussten Kalorienrestriktion führt zu einem chronischen Anstieg des appetitanregenden Peptids Ghrelin. Parallel sinkt der Spiegel des Proteohormons Leptin, was mit einem verminderten Sättigungsgefühl einhergeht.
Lesen Sie auch: Anatomie des ZNS im Detail
Koffeinkonsum
Studien haben gezeigt, dass der Konsum koffeinhaltiger Getränke mit einer langfristigen Gewichtsstabilisierung in Verbindung stehen kann. Teilnehmer von Gewichtskontrollregistern, die erfolgreich Gewicht abnahmen und das reduzierte Gewicht nachhaltig halten konnten, konsumierten deutlich höhere Mengen Kaffee und koffeinhaltige Getränke im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerungsstichprobe.
Psychosoziale Faktoren
Psychosoziale Faktoren spielen ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Gewichtsregulation. Erfahrungen, die uns helfen, die Angst und die damit einhergehende Stressreaktion kontrollierbar zu machen, können tief in unserem Gehirn verankert werden. Strategien wie die Aneignung von Wissen und Kompetenz, das Erreichen von psychosozialer Geborgenheit, das Streben nach Macht und Einfluss oder auch die Kraft des Glaubens können uns helfen, den Einklang zwischen uns und der uns umgebenden Welt wiederherzustellen.
Medikamentöse Behandlungen von Adipositas
Medikamentöse Therapien können eine sinnvolle Ergänzung zu Lebensstilinterventionen sein, um Menschen mit Adipositas in ihren Bemühungen um eine nachhaltige Gewichtsreduktion zu unterstützen. Liraglutid 3 mg ist ein Analogon zum natürlich vorkommenden menschlichen Darmhormon GLP-1, das an spezifische Rezeptoren in Gehirn, Pankreas und Magen-Darm-Trakt bindet, was eine Reduktion des Hungergefühls sowie eine Steigerung des Sättigungs- und Völlegefühls bedingt.
Das Optifast-Programm
Das Optifast-Programm ist ein einjähriges, ambulantes Gewichtsreduktionsprogramm, das speziell auf Menschen mit starkem Übergewicht (BMI > 30 kg/m2) zugeschnitten ist. Das Programm ist in vier Phasen eingeteilt und hilft den Teilnehmern, schrittweise gesund abzunehmen. Es beinhaltet eine Formuladiät, die Umstellung auf eine gesunde Mischkost und die Festigung neuer Ernährungsgewohnheiten und Verhaltensmuster.
Lesen Sie auch: Wie man ZNS-Entzündungen erkennt und behandelt
tags: #zentrales #nervensystem #und #gewichtsverlust