Zunge verschlucken bei Epilepsie: Was tun?

Ein epileptischer Anfall kann für Angehörige und Zeugen beängstigend sein. Es ist wichtig zu verstehen, was während eines solchen Anfalls passiert, welche Gefahren drohen und wie man richtig reagiert. Dieser Artikel gibt einen umfassenden Überblick über epileptische Anfälle, insbesondere im Hinblick auf die Zunge, und erklärt, wie man Erste Hilfe leistet.

Was ist ein epileptischer Anfall?

Ein Krampfanfall, auch bekannt als epileptischer Anfall, ist eine abnorme elektrische Aktivität im Gehirn. Die Nervenbündel im Gehirn entladen sich dabei plötzlich unkontrolliert, was zu verschiedenen Symptomen führt. Diese reichen von kurzen Aussetzern des Bewusstseins oder Zuckungen einzelner Muskeln bis hin zu schweren, unkontrollierten Ganzkörperkrämpfen und Bewusstlosigkeit. Epileptische Anfälle sind nicht vom Willen beeinflussbar.

In ihrem Leben erleiden bis zu zehn Prozent aller Menschen mindestens einen solchen Krampfanfall. Jedes 20. Kind macht bis zum Erwachsenenalter einen Krampfanfall durch. Krampfanfälle treten häufig bei Epilepsie auf - ein Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen, die den epileptischen Anfall gemeinsam haben.

Begünstigende Faktoren, die einen Anfall auslösen können, sind etwa großer Stress, Schlafdefizite, optische und akustische Reize (z. B. Lichtblitze in Diskotheken, überlaute Musik) oder die Arbeit am PC. Doch nicht alle Menschen, bei denen ein Krampfanfall auftritt, sind an einer Epilepsie erkrankt. Narbenbildung im Gehirn, z. B.

Manchmal, aber nicht immer, hat die betroffene Person schon eine Vorahnung (Aura), dass sich ein Anfall anbahnt.

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Symptome eines epileptischen Anfalls

Bei einem epileptischen Anfall, welcher den ganzen Körper ergreift, stürzt die betroffene Person plötzlich zu Boden und fängt an, am ganzen Körper zu krampfen. Der Körper verkrampft sich (Streckkrampf), es folgen unkontrollierte, zuckende und/oder schlagende Bewegungen (Beugekrämpfe). Arme und Beine zucken. In manchen Fällen kann Stuhl- oder Harnverlust auftreten. Die betroffene Person liegt ruhig und ist nicht erweckbar/ bewusstlos (Tiefschlaf). Aus diesem schlafartigen Zustand „wacht“ der Betroffene in der Regel langsam auf.

Epileptische Anfälle können ganz unterschiedlich ausgeprägt sein, je nachdem welche Bereiche des Gehirns betroffen sind. Die sogenannten fokalen Anfälle sind eng lokalisiert und spielen sich bei normalem Bewusstsein ab. Es kann kurzzeitig zu Bewegungsauffälligkeiten ebenso wie Lautäußerungen oder Schwindel kommen. Generalisierte Anfälle erfassen hingegen das gesamte Gehirn und lösen komaähnliche Bewusstseinsstörungen aus. Die wohl ausgeprägteste Form ist der sogenannte große Anfall, ein tonisch-klonischer Anfall mit Verkrampfungen am ganzen Körper, Atempause und Bewusstseinsverlust, der bis zu zwei Minuten andauern kann. Ereignen sich mehrere derartige epileptische Anfälle in Serie, ohne dass zwischenzeitlich eine Normalisierung der Bewusstseinslage eintritt, spricht man von einem Status epilepticus.

Die Rolle der Zunge bei einem epileptischen Anfall

Ein weit verbreiteter Mythos ist die Angst, dass eine Person während eines epileptischen Anfalls ihre Zunge verschlucken könnte. Diese Befürchtung ist unbegründet. Es ist physisch unmöglich, die Zunge während eines Anfalls zu verschlucken. Die Zunge kann jedoch durch die unkontrollierten Muskelkontraktionen verletzt werden.

Zungenbiss

Während eines tonisch-klonischen Anfalls können sich die Kiefermuskeln unerwartet zusammenziehen. Dies kann dazu führen, dass die betroffene Person sich auf die Zunge oder die Innenseite der Wangen beißt. Ein Zungenbiss ist zwar ein deutliches Zeichen für einen cerebralen Krampfanfall, kommt aber insgesamt seltener vor, als gemeinhin angenommen. Insbesondere schwere Verletzungen der Zunge sind eher die Ausnahme.

Blockierung der Atemwege

Durch Bewusstlosigkeit oder Lähmungen verliert der Zungenmuskel seinen Tonus. Das bedeutet, dass die Muskeln in der Zunge erschlaffen. Vor allem in der Rückenlage kann die Zunge zu einem lebensbedrohenden Problem werden. Denn durch die Schwerkraft rutscht die erschlaffte Zunge zurück in den Rachen und kann damit den kompletten oberen Atemweg blockieren. Ein schnarchendes oder ein röchelndes Geräusch können Zeichen eines blockierten Atemweges sein.

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Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall

Bei einem Krampfanfall musst du dafür sorgen, dass sich die Person nicht verletzt. Hier sind die wichtigsten Schritte:

  1. Ruhig bleiben: Ein epileptischer Anfall sieht für jeden Menschen beunruhigend aus, ist aber meist harmlos und nach wenigen Sekunden, aber meist nach höchstens zwei Minuten wieder vorbei. Es drohen dabei keine langfristigen Hirnschäden und es sterben keine Nervenzellen ab. Nur dann, wenn der Anfall länger als fünf Minuten dauert, müssen Sie aktiv werden, eventuell ein Notfellmedikament verabreichen (meist über den Mund oder als Zäpfchen) und einen Notarzt rufen.
  2. Schutz vor Verletzungen: Siehst du rechtzeitig, dass sie stürzt, verhindere einen harten Aufprall auf Möbelstücke oder den Boden. Räume gefährliche Gegenstände wie scharfe und spitze Objekte sowie Möbelstücke weg, um das Verletzungsrisiko zu minimieren. Lege der Person ein Polster unter den Kopf. Liegt die Person auf dem Bett oder Sofa, schütze sie vor dem Heraus- oder Herunterfallen.
  3. Abstand halten: Versuche nicht, die betroffene Person festzuhalten und schiebe ihr nichts zwischen die Zähne, auch nicht bei Angst vor einem Zungenbiss. Holz kann splittern und von Taschentüchern können sich Teile ablösen, die die Atmung behindern.
  4. Zustand prüfen: Kontrolliere die Atmung der betroffenen Person. Sprich sie an und rüttel sie leicht an der Schulter. Wacht sie nicht auf, atmet aber, ist sie bewusstlos.
  5. Atemwege freimachen: Das sogenannte Kopf überstrecken rettet schnell und effektiv ein Leben. Eine Hand wird an die Stirn und die andere Hand wird an das Kinn gelegt. Dann den Kopf vorsichtig weg vom Körper in Richtung des Nackens überstrecken. Eine Maßnahme die nur wenige Sekunden dauert, aber so effektiv ein Leben rettet.
  6. Stabile Seitenlage: Bringe die Person in die stabile Seitenlage. Durch die stabile Seitenlage können Sekrete, Erbrochenes und Blut ablaufen und der Kopf in eine überstreckte Position gebracht werden. Dadurch wird ein erneuter Verschluss der Atemwege verhindert.
  7. Versorgung von Begleitverletzungen: Versorge Begleitverletzungen, wie etwa Wunden.
  8. Betreuung: Bleibe bei der betroffenen Person, bis sie vollständig bei Bewusstsein ist. Nach einem Krampfanfall benötigt sie etwas Zeit, um wieder voll zu sich zu kommen.

Wann muss ein Notarzt gerufen werden?

In den allermeisten Fällen ist während eines großen Anfalls eine ärztliche Maßnahme nicht erforderlich. Es gibt jedoch Situationen, in denen ein Notarzt gerufen werden muss:

  • Wenn der Anfall länger als fünf Minuten dauert (Status epilepticus).
  • Wenn auf den ersten Anfall direkt ein zweiter Anfall folgt, ohne dass der/die Patient*in zwischendurch wieder zu Bewusstsein gelangt ist.
  • Wenn es durch den Anfall zu Verletzungen gekommen ist, z. B.
  • Wenn es sich um den ersten epileptischen Anfall des/der Betroffenen handelt.

Medikamentöse Behandlung

Möglicherweise hat der/die Arzt/Ärztin für einen akuten Anfall ein krampflösendes Mittel verordnet, das auch von einem Laien angewendet werden kann. Es handelt sich hierbei um Diazepam Rectiolen, die in den After eingeführt werden oder um bukkales Midazolam, das mit Hilfe einer vorbefüllten Spritze ohne Nadel zwischen Wange und Zahnfleisch gespritzt wird.

Für die Erstversorgung im Notfall durch Angehörige, Lehrer und Pflegepersonal werden andere Darreichungsformen angeboten. Clevere Lösungen sind hier wichtig, weil viele Epilepsie-Patientinnen und Patienten während eines Anfalls nicht einfach eine Tablette schlucken können: Für Kinder und Jugendliche wird häufig Midazolam in flüssiger Form eingesetzt, da es während eines Anfalls einfach mit vorgefüllten Applikationsspritzen in die Wangentasche gegeben werden kann. Der Wirkstoff wird dann über die Wangenschleimhaut aufgenommen, ohne dass der/die Betroffene diesen schlucken muss. Für Kinder und auch Erwachsene ist Diazepam in sogenannten Rektaltuben erhältlich und wird über den After angewendet, um gefährliche Anfälle schnell zu unterbrechen.

Epilepsie-Syndrome

Bestimmte Abläufe, Häufigkeiten und Symptome werden zu sogenannten Epilepsie-Syndromen zusammengefasst, etwa der Juvenilen Absence-Epilepsie, dem Dravet-Syndrom oder der Rolando-Epilepsie.

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Rolando-Epilepsie

Die Rolando-Epilepsie (auch: Rolandische Epilepsie) gehört zu den häufigsten Formen der Epilepsie bei Kindern. Sie äußert sich durch epileptische Anfälle, die vor allem zwischen dem dritten und dreizehnten Lebensjahr (selten bis achtzehn) auftreten. Jungen sind öfter betroffen als Mädchen. Erwachsene haben die Rolando-Epilepsie in der Regel nicht mehr.

Wichtige Verhaltensweisen nach einem Anfall

  • Beobachten Sie den Anfall gut und notieren oder merken Sie sich, was genau passiert, welche Körperteile betroffen sind und wie lange der Anfall dauert.
  • Bleiben die Patientinnen und Patienten auch nach dem Anfall zunächst bewusstlos, dann Atemwege auf Erbrochenes und Speichel prüfen und davon befreien und Person spätestens jetzt in die stabile Seitenlage bringen.
  • Nach dem Anfall ist der/die Patient*in meist schlaff und längere Zeit nicht oder nur mit Mühe ansprechbar. Manchmal fallen Betroffene auch in einen tiefen Schlaf. Manchmal besteht nach dem Anfall ein Unruhezustand. Diesen sollte man ebenfalls geduldig abklingen lassen.
  • Verwirrtheit und Sprachstörungen nach dem Anfall sind völlig normale Nebenwirkungen.
  • Bieten Sie Ihre Hilfe fortlaufend an, bis die Betroffenen sich erholt haben, aber drängen Sie nicht. Bieten Sie zum Beispiel Begleitung, Sitzmöglichkeiten oder den Anruf eines Arztes oder eines Notfallkontaktes der Patientinnen und Patienten an. Oft kommt es nach Anfällen zur Amnesie für die Dauer des Anfalls.
  • Betroffene nicht allein lassen, bis die Verwirrtheit nachgelassen hat und sie sich wieder orientieren können. Auch Sprachstörungen sind ganz normale Nebenwirkungen.

Leben mit Epilepsie

Viele Menschen mit Epilepsie führen ein normales, erfülltes Leben. Wichtig ist eine gute medizinische Betreuung und die Einhaltung der verordneten Medikamente. Menschen mit Epilepsie wird zudem geraten, ständig einen Notfallausweis mit sich zu führen, auf dem Kontaktpersonen, eventuell einzunehmende Notfallmedikamente und weitere Informationen hinterlegt sind.

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