Zungen- und Schlundkrämpfe: Ursachen, Symptome und Behandlung

Zungen- und Schlundkrämpfe können sehr unangenehm sein und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Sie können das Sprechen, Schlucken und Essen erschweren und Betroffene stark belasten. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten von Zungen- und Schlundkrämpfen.

Was sind Zungen- und Schlundkrämpfe?

Zungen- und Schlundkrämpfe sind unwillkürliche Muskelkontraktionen der Zungen-, Schlund- und Gaumenmuskulatur. Sie können plötzlich auftreten und von kurzer oder längerer Dauer sein. In manchen Fällen sind die Beschwerden nicht sehr stark ausgeprägt, sodass sich Betroffene mit den Symptomen arrangieren können. Es kann jedoch auch zu starken Schmerzen kommen oder zu Schwierigkeiten, bestimmte Bewegungen auszuführen. Die unwillkürlichen Bewegungen können außerdem zu einem sozialen Problem und zur seelischen Belastung werden, da die Muskelkontraktionen Bewegungen und Haltungen hervorrufen können, die eigenartig aussehen.

Ursachen von Zungen- und Schlundkrämpfen

Die Ursachen für Zungen- und Schlundkrämpfe sind vielfältig und nicht immer eindeutig zu identifizieren. Es gibt verschiedene Erkrankungen und Faktoren, die solche Krämpfe auslösen können:

Oromandibuläre Dystonie (OMD)

Die oromandibuläre Dystonie ist eine Form der fokalen Dystonie, bei der die Muskeln des Mundes, des Unterkiefers und der Zunge betroffen sind. Oromandibulär bedeutet „den Mund (oris) und Unterkiefer (Mandibula) betreffend“. Bei der OMD sind drei verschiedene Muskelgruppen von den Verkrampfungen betroffen:

  • Mimische Muskeln: Unwillkürliche Anspannungen der mimischen Muskeln im Mund- und Halsbereich können den Gesichtsausdruck grimassenhaft verzerren.
  • Kaumuskeln: Verkrampfungen der Unterkiefer- oder Kaumuskeln können mit dem Öffnen oder Schließen des Kiefers auftreten.
  • Zungen- und Schlundmuskulatur: Die Zunge kann sich permanent in alle Richtungen bewegen, was Sprechen und Schlucken erschwert oder unmöglich macht. Abnorme Bewegungen des Schlundes können sich als „Kloßgefühl“ oder durch häufiges Verschlucken bemerkbar machen.

Die genaue Ursache der OMD ist noch ungeklärt (idiopathische Dystonie). Hinweise auf eine organisch bedingte Fehlfunktion der Bewegungskontrolle im Gehirn sind allerdings vorhanden. Psychische Faktoren (wie z. B. Stress) beeinflussen zwar das Auftreten und den Schweregrad der dystonen Bewegungen, sind aber nicht als deren Ursache anzusehen. Bei etwa 20 % der Patienten findet sich eine Ursache wie z. B. eine Schädigung der Bewegungszentren durch frühere Kopfverletzungen, Schlaganfall oder die Einnahme von Neuroleptika (sekundäre Dystonie). Etwa 70 % aller Patienten mit oromandibulärer Dystonie sind Frauen. Das Durchschnittsalter bei Beginn der Erkrankung liegt bei 44 Jahren. Die Symptomatik kann sich über Jahre hinweg kontinuierlich verstärken.

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Glossopharyngeusneuralgie

Die Glossopharyngeusneuralgie ist eine seltene Erkrankung, die durch einseitige, periodisch auftretende Schmerzen im Bereich des Zungenschlundnervs (Nervus glossopharyngeus) gekennzeichnet ist. Es handelt sich also um Schmerzen, die von der Nervenbahn des Zungenschlundnerven ausgehen und dem Nervenverlauf folgen. Die Schmerzen können in Rachen, Zunge oder Ohr ausstrahlen und werden als einschießend, brennend, elektrisierend, scharf oder brennend beschrieben. Sie treten meist einseitig auf, in 12 % der Fälle beidseitig und können mehrmals am Tag über Wochen oder Monate hinweg auftreten.

Man geht davon aus, dass die Erkrankung meist auf eine Nervenkompression (Nerveneinengung) zurückzuführen ist, die durch Gefäße entsteht, die in unmittelbarer Nähe verlaufen. Die räumliche Nähe und Pulsationen (Ausdehnung und Zusammenziehen) des Gefäßes führen zur Schädigung der schützenden Nervenhülle und lösen die typischen Schmerzen aus.

Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)

Die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine schwere, fortschreitende Erkrankung des motorischen Nervensystems. Bei der ALS verlieren die motorischen Nervenzellen, die für die willkürliche Steuerung der Muskulatur verantwortlich sind, fortschreitend ihre Funktion. Die geschädigten motorischen Nervenzellen (Motoneurone) befinden sich im Gehirn und im Rückenmark.

Zu Beginn der ALS nehmen Patienten überwiegend Muskelschwäche (Parese), Muskelschwund (Atrophie) sowie Muskelsteifigkeit (Spastik) wahr. Die individuellen Beschwerden hängen davon ab, welches Motoneuron und welche Muskelgruppe stärker betroffen ist. Zu 30 bis 40 % stellen sich die ersten Symptome beim Sprechen und Schlucken ein (bulbärer Krankheitsbeginn). Bei diesen Patienten ist die Zungen-, Schlund- und Gaumenmuskulatur beeinträchtigt. Darüber hinaus sind Laryngospasmen (Schlundkrämpfe) ein häufiges Symptom, d.h. dass kurzzeitig ein Muskelkrampf im Schlund auftritt, der das Atmen behindert und sich dann regelhaft wieder löst.

Dystonie allgemein

Unter einer Dystonie versteht man unwillkürliche, anhaltende oder wiederkehrende Muskelanspannungen in verschiedenen Körperregionen. Die Betroffenen leiden unter unwillkürlichen, also nicht willentlich steuerbaren Muskelkontraktionen verschiedener Körperteile. Diese Kontraktionen sind anhaltend oder zeitweilig aussetzend (intermittierend). Die unwillkürlichen Muskelkontraktionen führen zu abnormen, oftmals sich wiederholenden Bewegungen und/oder Fehlhaltungen.

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Weitere Ursachen

Neben den genannten Erkrankungen können Zungen- und Schlundkrämpfe auch durch andere Faktoren ausgelöst werden, wie z.B.:

  • Medikamente: Bestimmte Medikamente, insbesondere Neuroleptika, können als Nebenwirkung Dystonien und Krämpfe verursachen.
  • Neurologische Erkrankungen: Neben ALS können auch andere neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Morbus Parkinson zu Zungen- und Schlundkrämpfen führen.
  • Stoffwechselstörungen: In seltenen Fällen können Stoffwechselstörungen wie ein Kalzium- oder Magnesiummangel Krämpfe auslösen.
  • Psychische Faktoren: Stress und psychische Belastungen können die Symptome verstärken.

Symptome von Zungen- und Schlundkrämpfen

Die Symptome von Zungen- und Schlundkrämpfen können je nach Ursache und Schweregrad variieren. Typische Symptome sind:

  • Unwillkürliche Muskelkontraktionen: Die Zunge, der Schlund oder der Kiefer können sich unwillkürlich bewegen oder verkrampfen.
  • Schmerzen: Die Krämpfe können mit Schmerzen verbunden sein, die als stechend, brennend oder drückend beschrieben werden.
  • Schluckbeschwerden (Dysphagie): Das Schlucken von festen oder flüssigen Speisen kann erschwert sein. Sehr fest oder dünnflüssige Nahrungsmittel bereiten Schwierigkeiten. Eine spezielle Nahrungszusammenstellung oder Ernährungshilfen werden notwendig, um einem Gewichtsverlust entgegen zu wirken.
  • Sprechbeschwerden (Dysarthrie): Das Sprechen kann undeutlich oder verwaschen sein. Das Sprechen und die Artikulation fallen immer schwerer bis hin zur Unfähigkeit, verbal zu kommunizieren. In diesem Fall können Kommunikationshilfen notwendig werden.
  • Veränderte Stimme: Die Stimme kann gepresst, angestrengt oder leise klingen.
  • Kloßgefühl im Hals: Betroffene haben das Gefühl, einen Kloß im Hals zu haben oder sich ständig verschlucken zu müssen.
  • Grimassieren: Unwillkürliche Muskelkontraktionen im Gesicht können zu grimassenartigen Verzerrungen führen.
  • Soziale Isolation: Die Beschwerden können zu sozialer Isolation führen, da Betroffene sich schämen oder Angst haben, in der Öffentlichkeit aufzufallen.

Diagnose von Zungen- und Schlundkrämpfen

Die Diagnose von Zungen- und Schlundkrämpfen erfordert eine sorgfältige Anamnese und eine gründliche neurologische Untersuchung. Der Arzt wird nach den genauen Beschwerden, dem Zeitpunkt des Auftretens und möglichen Auslösern fragen. Bei einer neurologischen Untersuchung werden die Muskelkraft, die Reflexe und die Koordination geprüft.

Je nach Verdacht können weitere Untersuchungen erforderlich sein, wie z.B.:

  • Elektromyographie (EMG): Bei der Elektromyographie (EMG) wird die elektrische Aktivität der Muskeln gemessen. Dies kann helfen, Muskelkrämpfe zu identifizieren und von anderen Erkrankungen zu unterscheiden sowie die betroffenen Muskeln zu identifizieren.
  • Magnetresonanztomographie (MRT): Eine MRT des Gehirns und des Rückenmarks kann helfen, andere Ursachen für die Beschwerden auszuschließen, wie z.B. Tumore oder Entzündungen. Um andere Ursachen auszuschließen, wie z. B. multiple Sklerose, Autoimmunerkrankungen, Verletzungen der Halswirbelsäule oder Tumorerkrankungen wird üblicherweise eine MRT des Gehirns durchgeführt.
  • Blutuntersuchungen: Blutuntersuchungen können helfen, Stoffwechselstörungen oder andere Erkrankungen zu identifizieren.
  • Nervenwasseruntersuchung (Liquoruntersuchung): In seltenen Fällen kann eine Nervenwasseruntersuchung erforderlich sein, um Entzündungen oder andere Erkrankungen des Nervensystems auszuschließen.

Die Diagnose von OMD kann sich als schwierig erweisen. Das liegt daran, dass andere Bewegungsstörungen den Symptomen der oromandibulären Dystonie ähneln und mit dieser verwechselt werden können. Häufig wird z. B. aufgrund der angespannten Kaumuskeln zunächst an einen Bruxismus (nächtliches Zähneknirschen) oder eine Kiefergelenksüberlastung gedacht. Im höheren Alter und bei Zahnlosigkeit treten manchmal auch unwillkürlich Bewegungen der Mundregion auf, ohne dass es sich um eine oromandibuläre Dystonie handelt.

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Behandlung von Zungen- und Schlundkrämpfen

Die Behandlung von Zungen- und Schlundkrämpfen richtet sich nach der Ursache der Beschwerden. Da in vielen Fällen die Ursache für eine Dystonie unbekannt ist, gibt es derzeit keine heilende Therapie. Mit der passenden Behandlung lassen sich aber die Symptome deutlich lindern, was die Lebensqualität der Betroffenen steigert.

Medikamentöse Therapie

  • Botulinumtoxin (Botox): Botulinumtoxin ist ein Nervengift, das die Freisetzung von Acetylcholin hemmt und dadurch die Muskeln entspannt. Es wird in die betroffenen Muskeln injiziert und kann die Krämpfe für einige Monate lindern. Bei fokalen Dystonien wie „Schiefhals“ und Lidkrampf besteht die medikamentöse Therapie meist darin, lokal - in Spritzenform - Botulinumtoxin (Botox) zu verabreichen. Die Wirkung des Botulinumtoxins setzt nach ein paar Tagen ein und hält für circa drei Monate an. Für die Injektionen verwendet der Arzt nur feine Nadeln, sodass die Behandlung kaum schmerzhaft ist. Durch die Therapie mit Botulinumtoxin können die Bewegungsstörungen in vielen Fällen verbessert werden. Je nach Erscheinungsbild der Erkrankung dauert es unter Umständen länger, bis die optimale Dosis und das richtige Schema für die Injektionsbehandlung gefunden sind.
  • Anticholinergika: Anticholinergika sind Medikamente, die die Wirkung von Acetylcholin blockieren und dadurch die Muskelspannung reduzieren können. Sie wirken auf das vegetative Nervensystem. In Frage kommen sie besonders bei jüngeren Menschen mit schweren generalisierten Dystonien, die eigenständig und nicht als Symptom von anderen Erkrankungen auftreten.
  • Andere Medikamente: Je nach Ursache der Krämpfe können auch andere Medikamente eingesetzt werden, wie z.B. Muskelrelaxantien, Antiepileptika oder Antidepressiva. Medikamente gegen Epilepsie (wie Pregabalin) oder Medikamente, die bei Depressionen verordnet werden, können in Betracht gezogen werden, vor allem bei einer mangelhaften Wirkung von Carbamazepin.

Operative Therapie

In schweren Fällen, in denen die medikamentöse Therapie nicht ausreichend wirksam ist, kann eine Operation in Erwägung gezogen werden. Es stehen mehrere chirurgische Verfahren zur Verfügung:

  • Tiefe Hirnstimulation (THS): Bei der tiefen Hirnstimulation werden Elektroden in bestimmte Bereiche des Gehirns implantiert, die für die Steuerung der Bewegungen verantwortlich sind. Die Elektroden senden elektrische Impulse aus, die die Hirnaktivität beeinflussen und die Krämpfe reduzieren können. Neu ist die Implantation von Hirnschrittmachern (tiefe Hirnstimulation) in die Regionen des Gehirns, die für die Fehlsteuerung verantwortlich gemacht werden. Diese Methode wird in erster Linie bei schweren generalisierten idiopathischen Dystonien eingesetzt, also bei solchen, die den ganzen Körper beziehungsweise große Teile des Körpers betreffen und deren Ursache unbekannt ist.
  • Selektive periphere Denervierung: Bei der selektiven peripheren Denervierung werden die Nervenäste durchtrennt, die die betroffenen Muskeln versorgen. Das kommt beim „Schiefhals“ (zervikaler Dystonie) in Betracht.

Weitere Therapien

Zusätzlich zur medikamentösen und operativen Therapie können auch andere Therapien helfen, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern:

  • Physiotherapie: Physiotherapie kann helfen, die Muskeln zu entspannen, die Beweglichkeit zu verbessern und Fehlhaltungen zu korrigieren.
  • Ergotherapie: Ergotherapie kann helfen, den Alltag besser zu bewältigen und Hilfsmittel anzupassen.
  • Logopädie: Logopädie kann helfen, Sprech- und Schluckbeschwerden zu verbessern. Zusätzlich empfiehlt Meier eine Therapie durch einen Sprachtherapeuten, um die Muskelfunktionen zu verbessern.
  • Psychotherapie: Psychotherapie kann helfen, mit den psychischen Belastungen der Erkrankung umzugehen. Leiden die Betroffenen sehr unter ihrer Erkrankung, kann unter Umständen auch eine psychotherapeutische Behandlung hilfreich sein.
  • Entspannungstechniken: Entspannungstechniken wie Yoga, Meditation oder progressive Muskelentspannung können helfen, Stress abzubauen und die Muskeln zu entspannen.

Hausmittel und Selbsthilfemaßnahmen

Es gibt einige Hausmittel und Selbsthilfemaßnahmen, die bei Zungen- und Schlundkrämpfen helfen können:

  • Wärme: Wärme kann helfen, die Muskeln zu entspannen und Schmerzen zu lindern. Ein warmes Bad oder eine Wärmflasche können wohltuend sein.
  • Kälte: Kälte kann bei akuten Krämpfen helfen, die Schmerzen zu lindern. Ein Kühlpack oder ein Eiswürfel können auf die betroffene Stelle gelegt werden.
  • Massagen: Massagen können helfen, die Muskeln zu entspannen und die Durchblutung zu fördern.
  • Dehnübungen: Dehnübungen können helfen, die Muskeln zu dehnen und die Beweglichkeit zu verbessern.
  • Vermeidung von Auslösern: Wenn bestimmte Faktoren die Krämpfe auslösen, sollten diese vermieden werden.
  • Stressmanagement: Stress kann die Symptome verstärken. Entspannungstechniken und Stressmanagement können helfen, die Beschwerden zu lindern.
  • Ernährungsumstellung: Eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Flüssigkeit, Vitaminen und Mineralstoffen kann helfen, die Muskeln gesund zu halten.

Reduktion von Stigmata

Zusätzlich sind die Betroffenen durch die Beschwerden bei der Nahrungsaufnahme und beim Sprechen in ihrem Alltag sowie in sozialer Hinsicht beeinträchtigt. Häufig leiden sie unter dem Unverständnis und der Stigmatisierung ihrer Symptome durch ihr unwissendes Umfeld. Es ist wichtig, dass Betroffene und Angehörige sich über die Erkrankung informieren und sich Unterstützung suchen.

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