Epileptische Anfälle können für Betroffene und Umstehende beängstigend sein. Dieser Artikel soll aufklären, was bei einem solchen Anfall im Bezug auf Zungenbisse passiert, welche Gefahren drohen und wie man als Ersthelfer richtig reagiert.
Was ist ein epileptischer Anfall?
Unter dem Begriff Epilepsie werden verschiedene Erkrankungen zusammengefasst, die durch wiederholte epileptische Anfälle gekennzeichnet sind. Diese Anfälle sind vorübergehende Funktionsstörungen des Gehirns, die durch eine übermäßige, synchrone Entladung von Nervenzellen verursacht werden. Die Kommunikation der Nervenzellen wird dadurch beeinträchtigt, was zu Störungen von Sprache, Bewegung oder Bewusstsein führen kann.
Formen epileptischer Anfälle
Epileptische Anfälle lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen:
- Fokale Anfälle: Betreffen nur einen Teil des Gehirns. Die Symptome hängen davon ab, welcher Bereich des Gehirns betroffen ist. Es kann zu Zuckungen, Verkrampfungen oder Versteifungen einzelner Körperteile kommen. Einige Betroffene erleben Kribbeln, plötzliche Wärme oder Kälte, oder sogar Halluzinationen. Bei komplexen fokalen Anfällen ist das Bewusstsein gestört, die Betroffenen wirken benommen, verwirrt oder abwesend. Automatismen wie Kauen, Schmatzen oder Nesteln an der Kleidung können auftreten.
- Generalisierte Anfälle: Betreffen das gesamte Gehirn. Es kommt zu Muskelzuckungen oder -krämpfen im ganzen Körper, oft verbunden mit Bewusstseinsstörungen. Eine milde Form ist die Absence, eine kurze geistige Abwesenheit. Die häufigste Form ist der große Krampfanfall (Grand Mal), der in zwei Phasen verläuft: Zuerst versteift sich der Körper, das Bewusstsein geht verloren und die Atmung ist flach. Danach folgt die Phase mit unkontrollierten Zuckungen.
Der Zungenbiss beim epileptischen Anfall
Ein Zungenbiss ist eine häufige Begleiterscheinung eines großen Krampfanfalls (Grand Mal, generalisiert tonisch-klonischer Anfall). Während der Anfalls kommt es zu einer starken Anspannung der gesamten Muskulatur, was dazu führen kann, dass die Betroffenen sich unkontrolliert auf die Zunge beißen.
Ist ein Zungenbiss gefährlich?
In den meisten Fällen ist ein Zungenbiss bei einem epileptischen Anfall nicht lebensgefährlich. Die Blutung ist meist gering und stoppt von selbst. Allerdings kann ein tieferer Biss schmerzhaft sein und in seltenen Fällen zu Komplikationen wie Infektionen führen.
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Verschlucken der Zunge - Ein Mythos?
Oft wird im Zusammenhang mit Bewusstlosigkeit vom "Verschlucken der Zunge" gesprochen. Tatsächlich ist dies ein Missverständnis. Durch Bewusstlosigkeit oder Lähmungen verliert der Zungenmuskel seinen Tonus und erschlafft. In Rückenlage kann die Zunge dann zurück in den Rachen rutschen und die Atemwege blockieren. Dies ist jedoch kein "Verschlucken" im eigentlichen Sinne.
Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall mit Zungenbiss
Das Wichtigste ist, Ruhe zu bewahren und die betroffene Person vor Verletzungen zu schützen.
Was man tun sollte:
- Ruhe bewahren: Ein epileptischer Anfall sieht beunruhigend aus, ist aber meist harmlos und dauert in der Regel nur wenige Minuten.
- Schutz vor Verletzungen:
- Den Kopf schützen, z.B. mit einem Kleidungsstück unterlegen.
- Gefährliche Gegenstände aus der Umgebung entfernen.
- Brille abnehmen.
- Atemwege freihalten:
- Enge Kleidung am Hals lockern.
- Nach dem Anfall prüfen, ob die Atemwege frei sind. Gegebenenfalls Erbrochenes oder Speichel entfernen.
- Falls die Person bewusstlos ist, in die stabile Seitenlage bringen.
- Nicht festhalten: Die krampfende Person nicht festhalten oder zu Boden drücken. Dies kann zu Verletzungen führen.
- Nichts in den Mund stecken: Versuchen Sie nicht, den Mund zu öffnen oder einen Gegenstand zwischen die Zähne zu schieben, um einen Zungenbiss zu verhindern. Dies kann zu Verletzungen führen.
- Auf die Uhr schauen: Notieren Sie sich den Beginn und die Dauer des Anfalls. Dies ist für die spätere Diagnose wichtig.
- Dableiben: Lassen Sie die betroffene Person nicht allein, bis sie wieder vollständig orientiert ist.
- Beruhigen und informieren: Nach dem Anfall sind viele Betroffene verwirrt und verängstigt. Beruhigen Sie die Person und informieren Sie sie darüber, was passiert ist.
Kopf überstrecken bei blockierten Atemwegen
Sollte die Zunge die Atemwege blockieren, kann das sogenannte Kopfüberstrecken helfen: Legen Sie eine Hand an die Stirn und die andere an das Kinn der Person. Überstrecken Sie dann vorsichtig den Kopf nach hinten, um die Atemwege freizumachen.
Wann muss der Notarzt gerufen werden?
- Der Anfall dauert länger als fünf Minuten (Status epilepticus).
- Es folgen mehrere Anfälle ohne zwischenzeitliches Erwachen.
- Es treten Atemprobleme auf.
- Es kam zu Verletzungen durch den Anfall.
- Es handelt sich um den ersten Anfall.
- Die Person kommt nach dem Anfall nicht wieder zu sich.
Notfallausweis und Medikamente
Einige Betroffene haben einen Epilepsie-Notfallausweis dabei, der Informationen über die Erkrankung, benötigte Medikamente und Kontaktpersonen enthält. Manche tragen auch ein Notfallmedikament bei sich, das im Falle eines länger andauernden Anfalls verabreicht werden kann. Dieses wird entweder als Tablette in die Wangentasche gelegt oder als Creme in den After gespritzt.
Nach dem Anfall
Nach einem epileptischen Anfall benötigen die Betroffenen Zeit, um sich zu erholen. Sie sind oft müde, verwirrt oder haben Sprachstörungen. Bieten Sie Unterstützung und eine Ruhegelegenheit an. Schützen Sie die Person vor neugierigen Blicken und beachten Sie mögliche Schamgefühle, z.B. wenn Urin abgegangen ist.
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Informationen sammeln
Versuchen Sie, sich so genau wie möglich an den Ablauf des Anfalls zu erinnern oder machen Sie ein Handyvideo, falls möglich. Diese Informationen können Ärzten bei der Diagnose helfen.
Ursachen und Diagnose von Epilepsie
Epilepsie kann verschiedene Ursachen haben, darunter genetische Faktoren, Hirnschädigungen oder Stoffwechselstörungen. Die Diagnose basiert in erster Linie auf der Anamnese und der Beschreibung des Anfalls. Zusätzliche Untersuchungen wie EEG (Elektroenzephalogramm) und MRT (Magnetresonanztomographie) können helfen, die Ursache der Anfälle zu finden.
Differenzialdiagnosen
Es gibt verschiedene Erkrankungen, die ähnliche Symptome wie epileptische Anfälle verursachen können. Dazu gehören Synkopen (Ohnmachtsanfälle), Migräne mit Aura, Schlafstörungen und psychogene nicht-epileptische Anfälle.
Leben mit Epilepsie
Viele Menschen mit Epilepsie können ein normales Leben führen, wenn die Anfälle durch Medikamente kontrolliert werden. Eine regelmäßige Einnahme der Medikamente, ausreichend Schlaf und der Verzicht auf Alkohol und Drogen können helfen, Anfälle zu vermeiden.
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