Der anteriore cinguläre Cortex (ACC) ist ein Hirnareal, das eine entscheidende Rolle bei einer Vielzahl von kognitiven und emotionalen Prozessen spielt. Er ist Teil des cingulären Cortex, der wie ein Kragen um den vorderen Teil des Corpus callosum liegt und besteht aus den Brodmann-Arealen 24, 32 und 33. Der ACC ist an der Regulation von autonomen Funktionen wie Blutdruck und Herzfrequenz beteiligt, spielt aber auch eine wichtige Rolle bei höheren kognitiven Funktionen wie Erwartungshaltung, Entscheidungsfindung, Impulskontrolle und Emotionen.
Anatomie und Funktion des ACC
Der ACC lässt sich anatomisch in zwei Hauptkomponenten unterteilen: einen kognitiven (dorsalen) und einen emotionalen (ventralen) Teil.
- Dorsaler ACC: Dieser Teil ist mit dem präfrontalen Kortex, dem parietalen Kortex, dem motorischen System und den frontalen Augenfeldern verbunden. Er ist eine zentrale Schaltstelle für die Verarbeitung von Top-down- und Bottom-up-Stimuli und steuert andere Bereiche im Gehirn.
- Ventraler ACC: Dieser Teil ist mit der Amygdala, dem Nucleus accumbens, dem Hypothalamus und der vorderen Insel verbunden. Er ist wichtig für die Bewertung der Salienz von emotionalen und motivierenden Informationen.
Der ACC ist besonders aktiv, wenn Anstrengung erforderlich ist, um eine Aufgabe auszuführen, wie z. B. beim Lernen und bei der Problemlösung.
Der ACC im Krisenmodus: Stress und seine Folgen
In der heutigen schnelllebigen Welt ist unser Gehirn oft einem ständigen "Krisenmodus" ausgesetzt. Termindruck, Alltagssorgen, Hektik und Lärm zwingen den ACC, permanent Entscheidungen zu treffen. Dies kann zu negativem Stress führen, der, wenn er nicht durch Ruhe und Entspannung ausgeglichen wird, chronisch und "toxisch" werden kann.
Wenn eine Situation unsicher ist oder keine klare Strategie zur Verfügung steht, reagiert der ACC mit erhöhter Aktivität. Hält dieser Zustand an, setzt der Körper Stresshormone wie Cortisol frei. Cortisol erhöht den Blutzucker, mobilisiert Energie, beschleunigt den Herzschlag und die Atemfrequenz und aktiviert den Fettstoffwechsel. In akuten Stresssituationen kann Cortisol die Konzentration, Aufmerksamkeit und Leistungsbereitschaft steigern.
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Wird Cortisol jedoch dauerhaft ausgeschüttet, weil wir uns ständig dem Alltagsdruck ausgesetzt fühlen, kann dies zu körperlichen und psychischen Problemen führen.
Folgen von toxischem Stress
Toxischer Stress kann eine Vielzahl von Beschwerden verursachen, darunter:
- Übergewicht
- Schlafstörungen
- Ein geschwächtes Immunsystem
- Erhöhter Blutdruck
- Erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Diabetes
- Verdauungsprobleme
- Hautkrankheiten
- Kopfschmerzen
- Beeinträchtigung des Gedächtnisses, der Konzentration und Aufmerksamkeit
- Angstzustände, Burn-out und Depressionen
Den ACC beruhigen: Tipps zur Stressbewältigung
Um den ACC zu beruhigen und toxischem Stress entgegenzuwirken, gibt es verschiedene Strategien:
- Bewegung: Bewegung setzt Endorphine und "Wohlfühlhormone" frei, entspannt den Körper und beruhigt den Geist.
- Entspannungstechniken: Meditation, Yoga, progressive Muskelentspannung oder Atemübungen können helfen, Körper und Geist zu beruhigen.
- Ausreichend Schlaf: Während des Schlafs sinkt der Cortisolspiegel.
- Austausch mit anderen: Gespräche mit Freunden, Familie oder Therapeuten können helfen, Sorgen und Ängste abzubauen.
- Achtsamkeit: Sich bewusst machen, was einem guttut, und sich Zeit für sich selbst nehmen. Dinge tun, die Freude bereiten.
- Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung versorgt den Körper mit den notwendigen Nährstoffen, um Stress zu bewältigen.
Der ACC und Emotionen
Der ACC spielt eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen, insbesondere bei der emotionalen Bewertung von Schmerzen. Menschen mit Störungen im ACC nehmen Schmerzen zwar wahr, empfinden diese aber nicht als störend.
Studien haben auch gezeigt, dass der ACC bei der Verarbeitung von Traurigkeit eine Rolle spielt. Beim Weinen, das oft durch emotionale Belastung ausgelöst wird, scheint der ACC eine Schlüsselrolle bei der Erkennung und Verarbeitung dieser belastenden Situation zu spielen.
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Weinen und der ACC
Welcher genaue Teil des Gehirns für emotionales Weinen verantwortlich ist, ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch angenommen, dass der ACC eine wichtige Rolle spielt, da er eng mit dem Belastungszustand verbunden ist, der das Weinen auslöst. Der ACC hilft uns zu erkennen, ob eine Situation emotional belastend ist. Neurochemische Systeme, wie Hormone wie Prolaktin und Testosteron, können ebenfalls auf das Weinen einwirken und beeinflussen, wann Menschen beim Weinen nicht nur Tränen vergießen, sondern auch mit Lauten wehklagen.
Der ACC und Handlungskontrolle
Die eigene Handlungskontrolle lässt sich an bestimmten Gehirnstrukturen erkennen. Personen mit einer mangelnden Kontrolle über ihre Handlungen lassen sich vermutlich an ihrer Gehirnstruktur erkennen. Ein Hirnareal, die Amygdala, ist laut einer Studie der Ruhr-Universität Bochum größer ausgeprägt. Sie ordnet Situationen bestimmte Emotionen zu und speichert diese. Die Verbindung zwischen Amygdala und dem dorsalen anterioren cingulären Kortex (dorsaler ACC) ist eingeschränkt. Mithilfe des dorsalen ACC kann eine Person beurteilen, wie eine Handlung möglicherweise ausgeht.
"Menschen mit höherem Amygdala-Volumen könnten eine größere Furcht vor den negativen Konsequenzen einer Handlung haben - sie zögern und schieben Dinge auf", vermutet einer der beteiligten Forscher Dr. Erhan Genç.
Der ACC bei Super-Agern
US-Hirnforscher vermuten das Geheimnis der Super-Ager, die im hohen Alter die episodischen Gedächtnisleistungen von 20 bis 30 Jahre jüngeren Menschen haben, im anterioren Gyrus cinguli, einer wichtigen Kontrollinstanz des Gehirns. Ihre jüngste Studie im Journal of Neuroscience (2015; 35: 1781-1791) zeigt, dass die hochintelligenten Senioren hier eine spezielle Hirnsignatur aufweisen.
Die Super-Ager wiesen 87 Prozent weniger neurofibrilläre Ablagerungen auf, die ein Kennzeichen degenerativer Hirnveränderungen wie beim Morbus Alzheimer sind. Der Unterschied zu Personen mit leichten kognitiven Störungen betrug 92 Prozent.
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Ein weiterer Unterschied war eine drei bis fünffach höhere Zahl sogenannter von Economo-Neuronen. Es handelt sich dabei um ungewöhnlich große spindelförmige Neuronen, die es nur im Gehirn von Menschen und anderen Hominiden gibt und die auf den ACC und die Inselrinde beschränkt sind. Kürzlich wurden sie auch im dorsolateralen präfrontalen Cortex nachgewiesen.
Karten vom Gehirn: Eine Herausforderung für die Forschung
Karten vom Gehirn sind ein wichtiges Hilfsmittel, um zu verstehen, wie unsere Denkzentrale funktioniert. Es sei denn, die Karte ist falsch. Neurowissenschaftler haben deshalb heute noch ähnliche Probleme wie damals die Entdecker der Neuen Welt: Ihre Karten zeigen gelegentlich eher das, was allgemein akzeptiert ist, als das, was wirklich ist.
Eine Studie hat gezeigt, dass viele Hirnforscher, die mit Mäusen arbeiten, eine Hirnkarte verwenden, mit der sie sich - im übertragenen Sinne - in Asien verorten, obwohl sie in Amerika sind. Die Karten, die am häufigsten benutzt werden, um durch die Gehirne von Ratten und Mäusen zu navigieren, unterteilen den cingulären Cortex nicht in die funktionell unterschiedlichen Abschnitte ACC und MCC. Für Nagetiere gibt es eine historisch gewachsene Konvention, die den cingulären Cortex in die Abschnitte Cg1 und Cg2 unterteilt. Die Grenze zwischen diesen beiden Regionen liegt genau senkrecht zu der Grenze, die man ziehen würde, wenn man wie bei anderen Spezies in ACC und MCC unterteilen würde.