Ein nachlassendes Gedächtnis muss keine unvermeidbare Alterserscheinung sein. Ebenso wie sich körperliche Fähigkeiten gezielt trainieren lassen, kann man auch die Funktion des Gehirns durch regelmäßiges Training verbessern. Dies ist besonders wichtig, wenn die geistigen Herausforderungen im Alltag abnehmen, beispielsweise durch den Eintritt in den Ruhestand oder weniger soziale Kontakte.
Die Bedeutung von Gedächtnistraining für Senioren
Wissenschaftliche Studien belegen die Wirksamkeit von Gedächtnistraining. Die sogenannte „ACTIVE“-Studie zeigte, dass Teilnehmer der Generation 65+, die an einem mehrwöchigen Gedächtnistraining teilnahmen, bei kognitiven Tests signifikant besser abschnitten als eine Kontrollgruppe. Diese Effekte hielten teilweise bis zu 10 Jahre an. Die Teilnehmer berichteten zudem von einer subjektiven Verbesserung im Alltag.
Grundsätze für ein wirkungsvolles Gedächtnistraining
- Abwechslung: Ein effektives Gedächtnistraining sollte das Gehirn auf unterschiedliche Weise fordern und nicht nur auf eintönige Aufgaben wie Sudoku oder Kreuzworträtsel beschränkt sein.
- Regelmäßigkeit: Kurze, aber häufige Trainingseinheiten sind effektiver als lange, seltene Einheiten, um Überforderung zu vermeiden.
- Geeigneter Schwierigkeitsgrad: Das Training sollte dem aktuellen Können angepasst werden und bei Bedarf gesteigert werden, wenn die Übungen zu leicht fallen.
- Gruppentraining: Sozialkontakte fordern das Gehirn und halten geistig fit. Gemeinsames Gedächtnistraining macht zudem mehr Spaß.
- Stressvermeidung: Gedächtnistraining sollte Freude bereiten und keine Stressgefühle auslösen. Das Bemühen zählt mehr als die erbrachte Leistung.
Neben Gedächtnistraining ist ein gesunder Lebensstil wichtig, um geistig fit zu bleiben. Körperliche Aktivität spielt dabei eine zentrale Rolle.
Aktivierung bei Demenz: Mehr als nur Beschäftigung
Aktivierungen gehören fest in den Betreuungsalltag für Menschen mit Demenz. Dabei helfen beispielsweise Materialien zum Anschauen und Berühren, mit denen die Wahrnehmung der Senioren angeregt werden kann. In der Altenpflege wird “Aktivierung bei Demenz” häufig synonym zu “Beschäftigung bei Demenz” verstanden. Anknüpfungspunkt für alle Formen der Aktivierung in der Arbeit mit Menschen mit Demenz ist die persönliche Biografie der Betroffenen.
Der Mensch im Mittelpunkt
Man sollte immer im Hinterkopf behalten, dass im Mittelpunkt unserer Aktivierungen die Senioren stehen, um die es geht. Der Mensch, mit all seinen Erfahrungen, Gefühlen, schönen aber auch traurigen Erinnerungen. Manche Erlebnisse aus der Kindheit begleiten uns ein Leben lang, Beziehungen kommen und gehen, verändern sich… und manche Momente vergisst man nie. Und genau da knüpfen die Aktivierungen für Menschen mit Demenz an.
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Aktivierungsmethoden
- 10-Minuten-Aktivierung: Diese bekannte Form der Aktivierung ermöglicht es, innerhalb kurzer Zeit (etwa 10 bis 15 Minuten) Zugang zu den Betroffenen und ihrer persönlichen Biografie zu gelangen. Dies gelingt mit Hilfe von Aktivierungsmaterialien, biografischen Fragen und kurzen Übungen zur Wahrnehmungsanregung, Bewegung oder für das Gedächtnistraining.
- Aktivierungsstunden: Hierbei handelt es sich um komplett ausgearbeitete Stundenkonzepte für Gruppen von Senioren und Menschen mit Demenz. Diese können unterschiedlich gestaltet sein, idealerweise aber Elemente aus der Erinnerungsarbeit mit Bewegung, Musik und Übungen für das Gedächtnistraining kombinieren.
- Aktivierungskarten: Diese Karten bringen Bewegung in die Aktivierung und verleihen ihr spielerische Züge. Sie können die Atmosphäre in Einzel- oder Gruppenangeboten auflockern. Die Karten mit Biografie- oder Rätselfragen, kleinen Aktionen oder Zahlen können von den Teilnehmern willkürlich gezogen oder mit Hilfe von Zahlen- oder Farbwürfeln erwürfelt werden.
Beispiele für Aktivierungsübungen
- Winter-Aktivierung: Biografieorientierte Fragen zum Winter stellen (z.B. „Sind Sie früher oft Schlitten gefahren?“), Bewegungsübungen mit winterlichen Gegenständen (Handschuhe, Mützen, Deko-Schneemänner) durchführen, Sprichwörter zum Thema Winter suchen.
- Frühlings-Aktivierung: Frühlingslieder singen, biografische Fragen zum Frühling stellen (z.B. „Arbeiten Sie gerne im Garten?“), ein Blumen-ABC erstellen (Blumenarten zu jedem Buchstaben des Alphabets finden).
- Aktivierung am Plaudertisch: Bewegungsgeschichten erzählen, Denksportaufgaben stellen (z.B. Kategorien-Puzzle), Alltagsgegenstände nutzen, um Anekdoten und Erinnerungen hervorzurufen, alte Gassenhauer auflegen und gemeinsam singen.
Gedächtnistraining bei Demenz: Ziele und Umsetzung
Mit regelmäßigem Gedächtnistraining bei Demenz lässt sich der Abbau der kognitiven Leistung hinauszögern und vorhandene Kompetenzen stärken. Gedächtnistraining für Demenzerkrankte sind kleine Übungen, mit denen die kognitive Leistung erhalten werden soll. Sie fordern die Gehirnleistung und aktivieren das Gehirn aus dem Ruhemodus. Gedächtnistraining bei Demenz hat zum Ziel, die Konzentrationsfähigkeit zu steigern und den Gedächtnisverlust, der mit der Erkrankung einhergeht, zu verlangsamen. Das Gedächtnistraining bei Menschen mit Demenz sollte ganzheitlich erfolgen. Dabei geht es nicht darum, eine einzelne Fähigkeit abzurufen. Vielmehr sollen die Sinne, der Geist und der Körper angesprochen werden. Das gelingt, indem die Sinneswahrnehmungen gestärkt, das Langzeitgedächtnis aktiviert und Bewegung gefordert wird.
Wichtige Aspekte
- Erfolg & Selbstwert: Die Schwierigkeit der Übungen an die geistigen Fähigkeiten der demenzerkrankten Person anpassen.
- Spaß: Übungen und Rätsel auswählen, die der demenzerkrankten Person Spaß machen.
- Langzeitgedächtnis: Wissen aktivieren, das im Langzeitgedächtnis abgelegt ist. Aktuelle Bezüge zu Politik und Tagesgeschehen vermeiden.
- Kurze Einheiten: Mehrere kleine Einheiten am Tag einplanen, da sich demenzerkrankte Menschen meist nur für kurze Zeit konzentrieren können.
- Vorhandenes stärken: Konzentration auf die Stärkung vorhandener Fähigkeiten statt auf das Aufholen von Defiziten.
- Klare Kommunikation: Deutlich und empathisch kommunizieren und die Reaktionen und Gefühle des Gegenübers genau beobachten.
Beispiele für Gedächtnisübungen
- Sinne schärfen: Aufmerksamkeit auf Farben und Muster lenken, Geräusche erkennen (Alltagsgegenstände), Gegenstände erfühlen (Fundstücke aus der Natur), Düfte erkennen (Seife, Lavendelkissen).
- Wortfindung trainieren: Menschen mit Demenz sind oftmals auf der Suche nach bestimmten Wörtern.
- Erinnerungen wachrufen: Vertraute Bilder von früher oder Gegenstände des Alltags nutzen, Lieder erraten lassen.
- Konzentration fördern: Puzzles oder Memory-Spiele im größeren Format verwenden.
- Händegymnastik: Finger und Hände bewegen, um die kognitiven Leistungen zu verbessern.
Materialien für die Aktivierung
Es gibt eine Vielzahl von Materialien, die für die Aktivierung von Menschen mit Demenz geeignet sind:
- Bücher: Wer erinnert sich? Die fünfziger Jahre. Rätseln. Singen. Erzählen. Zurückblicken. von Thomas Lotz (2020), Aktivierungskarten für Senioren. Spiele, Geschichten, Bilder, Lieder. Mit Online Material zum Download. von Ulrich Baer (2020), Aktivieren mit Handgymnastik - Fingerspiele für Menschen mit und ohne Demenz, Band 1. von Birgit Henze (2016).
- Spiele: Memory-Spiele mit großen Karten und leicht erkennbaren Motiven, einfache Puzzles mit großen Teilen.
- Aktivierungskarten: Karten mit Biografie- oder Rätselfragen, kleinen Aktionen oder Zahlen.
Weitere Aspekte der Betreuung und Aktivierung
- Umgang mit Demenz: Den Demenzerkrankten nicht überfordern, auf persönliche Vorlieben eingehen, die Entscheidung des Erkrankten respektieren, Fehler tolerieren.
- Kreative Tätigkeiten: Umgang mit Materialien aus der Natur oder dem Bastelladen, jahreszeitliche Dekoration basteln.
- Musik: Bekannte Schlager aus der Jugendzeit hören und singen.
- Erinnerungsarbeit: Erinnerungsalben mit Fotos und Erinnerungsstücken erstellen, Fragen zur Kindheit und Jugend stellen.
- Vorlesen: Bücher mit kurzen, einfachen und positiven Geschichten vorlesen.
- Bewegung: Spaziergänge und Ausflüge unternehmen.
- Soziale Kontakte: Treffpunkte für Menschen mit Demenz besuchen.
- Berührung und Snoezelen: Berührungen und gezielte Aktivierung der Sinne.
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