In unserer heutigen, schnelllebigen Welt ist Stress allgegenwärtig. Um dem entgegenzuwirken, suchen viele Menschen nach natürlichen und effektiven Methoden zur Entspannung und Beruhigung. Eine solche Methode ist die Akupressur, eine alte Heilkunst, die ihren Ursprung in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) hat. Dieser Artikel bietet eine umfassende Einführung in die Akupressur, ihre Wirkungsweise und Anwendung zur Beruhigung der Nerven.
Was ist Akupressur?
Akupressur leitet sich vom lateinischen Verb „premere“ ab, was „drücken“ bedeutet. Sie ist ein therapeutisches Verfahren der alternativen Medizin, das mittels Druck auf bestimmte Punkte des Körpers (sogenannte Akupunkturpunkte, Energiepunkte oder Triggerpunkte) zur Linderung von körperlichen Schmerzen und psychischen Beschwerden beitragen kann. Akupressur ist eng mit der Akupunktur verwandt, wird aber ohne Nadeln durchgeführt. Stattdessen werden bestimmte Reizpunkte der Haut durch Druck aktiviert.
Das Konzept des Qi und der Meridiane
Die TCM kennt 20 Leitbahnen, auch Meridiane genannt, in denen das sogenannte Qi fließt. Darunter versteht man die Lebensenergie, die durch eine Vielzahl von Akupressur-Punkten, die vom Scheitel bis zur Sohle über den Körper verteilt sind, durch Fingerdruck, Reiben, Pressen oder Massieren stimuliert werden kann. Die Leitbahnen beeinflussen verschiedene Organe unseres Körpers. Nach der Lehre der TCM treten Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Schlafstörungen dann auf, wenn der Qi-Fluss in bestimmten Meridianen gestört ist.
Wie funktioniert Akupressur?
Die Wirkung der Akupressur auf die Psyche und den Körper ist vielfältig. Akupressurpunkte sind mit dem Nervensystem, insbesondere dem Vagusnerv, verbunden. Der Vagusnerv ist Teil des Parasympathikus, welcher wiederum einen Teil des vegetativen Nervensystems ausmacht. Er ist für die Entspannungsreaktion im Körper zuständig. Akupressur beruhigt das vegetative Nervensystem und löst eine Entspannungsreaktion im Körper aus. Somit kann Akupressur als Stresstherapie bezeichnet werden.
Zwischen den Händen und dem Gehirn gibt es Nervenverbindungen. Die Stimulation bestimmter Druckpunkte an den Händen aktiviert bestimmte Hirnareale. Die Hände tauschen eine besonders große Menge an Informationen mit dem Gehirn aus, was erklärt, warum Akupressur zur Beruhigung so gut funktioniert.
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Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Wirksamkeit
Die heilende Wirkung von Akupressur ist wissenschaftlich für einige Beschwerdebilder nachgewiesen. Es gibt klinische Studien zu Menstruationsbeschwerden, die zeigen, dass Akupressur nachweislich wirkt. Eine Untersuchung an der Charité zu Regelschmerzen und Akupressur ergab, dass 37 Prozent der Frauen nach drei Monaten in der Akupressurgruppe eine fünfzigprozentige Schmerzreduktion erreichten. Nach sechs Monaten waren es mit 58 Prozent sogar mehr als die Hälfte. Auch zur Wirksamkeit der Akupressur bei Beschwerden wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Schlafstörungen gibt es Studien, die einen positiven, schmerzlindernden Effekt bei der Selbstbehandlung gezeigt haben.
Akupressurpunkte zur Beruhigung der Nerven
Es gibt eine Vielzahl von Akupressurpunkten, die zur Beruhigung der Nerven und zum Stressabbau eingesetzt werden können. Hier sind einige der wichtigsten Punkte:
1. Der "Notfall-Knopf"
Dieser Punkt befindet sich im weichen Gewebe zwischen Daumen und Zeigefinger. Er wird auch als "He Gu" (Dickdarm 4) bezeichnet.
- Anwendung: Gezielt die sensibelste Stelle im weichen Gewebe zwischen Daumen und Zeigefinger für ca. 10 Sekunden drücken. Dann ca. 10 Sekunden entspannen und die Akupressur noch 2-3mal wiederholen. Anschließend auf die andere Hand wechseln und das Ganze entsprechend wiederholen.
- Wirkung: Der "Notfall-Knopf" ist ein wichtiger Punkt zur Linderung von Stress und Angstzuständen. Er kann in akuten Stresssituationen helfen, den Stress einfach "wegzudrücken".
2. Shen Men (Herz 7)
Dieser Punkt befindet sich auf der Daumenseite der Innenseite des Handgelenks, an der tastbaren Sehne am inneren Ende der Handgelenksfalte vor dem Erbsenbein.
- Anwendung: Mit dem Daumen sanften Druck auf diesen Punkt ausüben und für 1-2 Minuten halten.
- Wirkung: Shen Men ist bekannt für seine beruhigende Wirkung auf den Geist. Er kann bei Ruhelosigkeit, Zerstreutheit, Burnout, Schlaflosigkeit und Alpträumen helfen.
3. Neiguan (Perikard 6)
Dieser Punkt befindet sich auf der Innenseite des Unterarms, etwa zwei Daumenbreit unterhalb der Handgelenksfalte, zwischen den Sehnen.
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- Anwendung: Mit dem Daumen leichten bis mittleren Druck auf diesen Punkt ausüben und für 2-3 Minuten halten.
- Wirkung: Neiguan ist ein wichtiger Punkt, um das Herz zu beruhigen und den Geist zu klären. Er kann bei Nervosität, Herzrasen und Brustschmerzen helfen.
4. Baihui (Lenkergefäß 20)
Dieser Punkt befindet sich auf dem höchsten Punkt des Kopfes, in der Mittellinie zwischen den Ohren.
- Anwendung: Mit dem Zeige- oder Mittelfinger sanften Druck auf diesen Punkt ausüben und für 1-2 Minuten halten.
- Wirkung: Baihui ist einer der wichtigsten Punkte zur Harmonisierung des gesamten Körpers. Er kann bei Stress, Angstzuständen und Schlafstörungen helfen.
5. Sanyinjiao (Milz 6)
Dieser Punkt befindet sich drei Daumenbreit oberhalb der Spitze des Innenknöchels an der hinteren Kante der Tibia.
- Anwendung: Mit dem Daumen sanften Druck auf diesen Punkt ausüben und für 1-2 Minuten halten.
- Wirkung: Sanyinjiao ist ein zentraler Punkt zur Beruhigung des Geistes und zur Förderung der Entspannung. Er kann bei Stress, Angstzuständen und Schlafstörungen helfen.
Weitere Akupressurpunkte zur Beruhigung
- Handgelenk: Hierfür legst du den linken Daumen auf die Innenseite des rechten Handgelenks - und zwar auf die Stelle, an der du den Puls spürst. Drücke zwei- bis dreimal nicht zu fest auf diesen Punkt. Das regt Herz und Kreislauf an.
- Kleiner Finger: Um hier den richtigen Punkt zu finden, greifst du mit dem Daumen der rechten Hand seitlich an den kleinen Finger der linken Hand. Die richtige Stelle liegt an der Innenseite des äußersten Knöchels an der linken Hand. Diesen Punkt drückst du 30 Sekunden lang mit dem Daumennagel. Danach wechselst du die Seite.
- Stirn: Massiere den Punkt zwischen deinen Augenbrauen mit dem rechten Mittelfinger mindestens fünf Minuten lang sanft nach unten.
- Fingerkuppen: Drücke mit dem Daumen der einen Hand nacheinander ganz leicht auf die vier Fingerkuppen der anderen Hand. Danach wechselst du die Seite.
- Handrücken: Lege den Daumen deiner rechten Hand auf die weiche Stelle auf dem Handrücken zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger deiner linken Hand. Drücke diese Stelle zehn Sekunden lang und lass dann für etwa zwei Sekunden locker. Diesen Rhythmus wiederholst du eine Minute lang, dann wechselst du die Seite.
- Brust: Um den Brustpunkt gegen Stress zu finden, brauchst du zunächst einmal die Stelle oberhalb deines Bauchnabels, wo die Knochen des Brustbeins zusammenlaufen. Der Brustpunkt befindet sich vier Finger breit darüber. Massiere ihn mit Zeige- und Mittelfinger bis zu fünf Minuten lang kräftig nach oben.
Wie man Akupressur richtig anwendet
Akupressur ist gut für die Selbstbehandlung geeignet. Hand-Akupressurpunkte und Fuß-Akupressurpunkte können Sie selbst stimulieren. Auch im Gesicht ist das möglich, am besten verwenden Sie dafür einen Spiegel. Die Akupressur bestimmter Körperpunkte, beispielsweise am Rücken, ist besser mithilfe einer Vertrauensperson zu bewerkstelligen.
Akupressurpunkte finden
Die meisten Akupressurpunkte sind mit den Akupunkturpunkten der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) identisch. Diese liegen nach Vorstellung der Akupunktur-Meister auf Energiebahnen, die den ganzen Körper durchziehen. Hinzu kommen Reaktionspunkte an den Ohren und Reflexpunkte an Händen und Füßen, die ebenfalls zur Akupressur genutzt werden.
Die richtigen Akupressurpunkte lassen sich mithilfe entsprechender Abbildungen oder Akupressur-Listen finden. Diese ordnen den verschiedensten Beschwerden mögliche Akupressurpunkte zu. Da Symptome wie Kopfschmerzen ganz unterschiedliche Ursachen haben können, müssen Sie testen, welcher Punkt für Ihren Fall der richtige ist.
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Den exakten Punkt finden Sie dann durch Ausprobieren: Akupressurpunkte können bei Druck schmerzen, der Druck kann aber auch ein unmittelbares Wohlgefühl auslösen. Stimulieren Sie die Akupressurpunkte ganz einfach durch Druck Ihres Daumens oder der Fingerspitze des Zeigefingers. Alternativ können Sie auch den Fingerknöchel des angewinkelten Zeigefingers oder einen festen, abgerundeten Gegenstand benutzen.
Drücken Sie auf den Akupressurpunkt und halten Sie diesen Druck. Dabei darf es leicht, aber nicht zu sehr schmerzen. Vibrierende, kreisende oder klopfende Massagen der Akupressurpunkte können die Wirkung der Akupressur verstärken.
Dauer der Akupressurbehandlung
Bei einer Akupressurbehandlung hält man den Druck über mehrere Atemzüge aufrecht. Bei einigen Anwendungen wird starker Druck über ein bis zwei Minuten gehalten und dies dann fünf- bis zehnmal wiederholt. Bei anderen Techniken hält man den Druck einmalig über eine Dauer von zwei bis drei Minuten.
Die TCM empfiehlt altersabhängig folgende Dauer für die Akupressur-Behandlung:
- Babys von drei bis sechs Monaten: eine halbe bis vier Minuten
- Babys bis zwölf Monate: eine bis fünf Minuten
- Kinder von ein bis drei Jahren: drei bis sieben Minuten
- Ältere Kinder: fünf bis zehn Minuten
- Erwachsene: fünf bis fünfzehn Minuten
Es reicht völlig aus, wenn Sie bis zu 60 Sekunden lang einmal täglich diese Punkte massieren. Auf jeden Fall sollte man daran denken, dass beide Körperhälften behandelt werden müssen, auch wenn die Beschwerden nur auf einer Körperhälfte auftreten.
Druckrichtung
Die Akupressurpunkte liegen auf Meridianen, in denen die Lebensenergie „Qi“ in eine bestimmte Richtung fließen soll. Manche Autoren geben eine bestimmte Richtung an, in die der Druck ausgeübt werden soll. Sind keine anderen Angaben vorhanden, wird die Akupressur auf beiden Körperseiten gleichzeitig oder nacheinander durchgeführt.
Tipps für die Anwendung von Akupressur zur Beruhigung
- Regelmäßigkeit: Integriere Akupressur in deine tägliche Routine, idealerweise als Teil deiner Morgen- oder Abendroutine.
- Achtsamkeit: Massiere die Punkte liebevoll und nicht mit zu viel Druck. Achte auf die Reaktion deines Körpers und passe den Druck entsprechend an.
- Entspannung: Sorge für eine entspannte Umgebung, in der du dich wohlfühlst. Du kannst auch ein wohlriechendes Öl verwenden, um die Wirkung zu verstärken.
- Kombination mit anderen Entspannungstechniken: Kombiniere Akupressur mit anderen Entspannungstechniken wie Atemübungen, Meditation oder Yoga, um die Wirkung zu verstärken.
- Pausen nutzen: Nutze Arbeitspausen oder Wartezeiten, um Akupressurpunkte zu stimulieren.
Akupressur bei Kindern und Babys
Oft werden wir gefragt, ob man Akupressur auch zur Beruhigung von Babys anwenden kann. Die Antwort ist: Ja! Gerade bei Babys und Kindern ist die Akupressur bzw. PALMTHERAPY® eine sanfte, aber wirksame Methode zur Entspannung. Bei Kindern ist das sanfte Behandeln noch wichtiger, denn sie sind viel sensibler als Erwachsene. Es gibt eine Maßeinheit, die heißt cun. Diese Maßeinheit entspricht der Daumenbreite Ihres Patienten oder Ihrer Patientin.
Kontraindikationen und Nebenwirkungen
Behutsam durchgeführt, ist Akupressur fast immer frei von Nebenwirkungen. Die Akupressur bestimmter Punkte kann jedoch den Hirndruck ansteigen lassen, weshalb diese bei erhöhtem Hirndruck oder Schädel-Hirn-Trauma nicht eingesetzt werden dürfen.
Werden die Akupressurpunkte übermäßig stark oder mit Gegenständen gepresst, können sich zudem blaue Flecken bilden. Wie bei allen Therapien der TCM sollten bei Schwangeren keine Akupressurpunkte stimuliert werden, die direkt Einfluss auf die Gebärmutter haben. Unterlassen Sie Akupressur an entzündeten oder anderweitig verletzten oder erkrankten Körperpartien.
Akupressur als Teil eines ganzheitlichen Ansatzes
Akupressur kann auch bei Angstzuständen und Depressionen angewandt werden. Die heilende Wirkung von Akupressur ist wissenschaftlich für einige Beschwerdebilder nachgewiesen.
Arbeit, Haushalt, Kinder, Termine - Stress ist im heutigen Leben allgegenwärtig. Angst, Wut und Hilflosigkeit haben einen enormen Einfluss auf unser psychisches Wohlbefinden und damit unsere Lebensqualität. Mehr psychische Probleme führen wiederum dazu, dass mehr Menschen sich an Psychotherapeuten und Psychologen wenden. Und sich Hilfe zu suchen ist ja grundsätzlich gut! Das führt nicht nur bei den Patienten zu noch mehr Frustration, sondern auch beim Therapeuten selbst.
Akupressur und der Vagusnerv
Aktuelle Sachbuchtitel zur heilenden Wirkung des Vagusnervs versprechen eine ganze Menge. Der Vagusnerv ist der längste unserer zwölf Hirnnerven. Als Teil des sogenannten Parasympathikus ist er an der Funktion fast jedes inneren Organs beteiligt. Er ist - vereinfacht gesagt - für Erholung, Ruhe und Verdauung zuständig. Dagegen fördert sein Gegenspieler, der Sympathikus, unsere Leistungs- und Kampfbereitschaft. Der Vagusnerv ist eine regulierende Schaltstelle zwischen dem Gehirn und den Organen. Er hat einen dämpfenden und ausgleichenden Einfluss auf verschiedene Körperfunktionen und beeinflusst auch unser Befinden.
In der Medizin wird die Aktivierung des Vagusnervs bereits gezielt genutzt, zum Beispiel bei Depressionen. Dabei wird mithilfe von Elektroden der Nerv durch Strom gereizt. Wie wichtig der Vagusnerv ist, um bei uns Reserven gegen Stress aufzubauen, und wie stark er die Erholung fördert, ist lange Zeit unterschätzt worden. In puncto Entspannung scheint der „Ruhe-Nerv“ ein besonderes Potenzial zu haben, wenn man ihn richtig zu stimulieren weiß. Das funktioniert zum Beispiel durch tiefes Durchatmen.
Weitere Möglichkeiten zur Stimulation des Vagusnervs
- Selbstmassage: Seitlich beide Handflächen außen an den Hals legen und mit sanften Bewegungen zwischen Ohr und Schulterübergang kreisend über die Haut streichen.
- Kopf drehen: Den Kopf einmal langsam nach links drehen, mit den Augen etwas in nächster Nähe fixieren. Dann den Kopf langsam nach rechts drehen, ebenfalls kurz einen Gegenstand mit den Augen scharf stellen.
- Augenbrauen heben: Die Augenbrauen heben und dabei die Ohren bewegen.
- Gurgeln: Ja, richtig gelesen.
- Singen: Singen Sie Ihre Lieblingslieder. Und Lieder, die vor allem Vokale wie A, O und U enthalten.
- Kältereize setzen: Wer wach und gleichzeitig gelassen in den Tag starten möchte, kann es mit einer kurzen kalten Dusche am Morgen probieren.
- Akkommodieren: Mit dieser Übung trainieren Sie Ihre Augenmuskeln und regen gleichzeitig den Vagusnerv an.
- Box-Breathing: Bewusst tief ein- und ausatmen, vor allem in den Bauchraum hinein, senkt die Herzfrequenz und das Stresslevel.
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