Komplementärmedizinische Strategien spielen eine zunehmend große Rolle in der Prävention und Behandlung von Demenz. Während die Forschung im Bereich der Phytotherapie, beispielsweise zu Gingko biloba, in den letzten Jahren vielversprechende Ergebnisse gezeigt hat, gibt es zu anderen komplementären Verfahren wie Akupunktur weniger oder qualitativ schlechtere Studien. Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle Evidenzlage zur Wirksamkeit von Akupunktur bei Demenz, basierend auf Forschungsergebnissen und traditionellen chinesischen Ansätzen.
Komplementärmedizin bei Demenz: Ein Überblick
Eine erste Übersichtsarbeit, die sämtliche Studien im Bereich Demenz und Komplementärmedizin untersuchte, ergab 36 relevante Übersichtsarbeiten, die mehrere klinische Studien bewertet haben. Positive Effekte konnten für Interventionen wie Massage, Akupunktur, Aromatherapie und Musiktherapie nachgewiesen werden. Akupressur zeigt in Studien vor allem bei Unruhezuständen (Agitation) von Demenzpatienten positive Ergebnisse. Auch Handmassagen scheinen eine gute Methode zur Beruhigung der Patienten zu sein, wobei regelmäßige Berührung, kombiniert mit Zuspruch oder leichter Massage, hilfreich sein kann. Eine noch größere Evidenz zeigte sich bei der Wirksamkeit der Fußreflexzonenmassage, die durchweg positive Effekte bei Ängstlichkeit, aggressivem Verhalten, Agitation sowie Verweigerungshaltung zeigte.
Akupunktur bei Demenz: Fokus auf Kognition und Verhalten
Übersichtsarbeiten zu Akupunktur bei Demenz untersuchen vor allem die Wirkung auf kognitive Leistungen und weniger auf Verhalten und andere psychologische Parameter der Patienten. Die Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich der Effekte auf Gedächtnisleistung und die Bewältigung von Alltagsaktivitäten. Eine Übersichtsarbeit mit zehn qualitativ guten klinischen Studien zeigt jedoch, dass Akupunktur die Wirkung von Medikamenten positiv verstärken kann. Zukünftige Studien müssen klären, ob Akupunktur als alleinige Therapie wirksam ist und welche Patienten am meisten davon profitieren.
Akupunktur in der Psychiatrie: Ein breiteres Anwendungsfeld
Akupunktur wird zunehmend in psychiatrischen Kliniken angeboten. Die Evidenz in der publizierten Literatur hat über die letzten Jahre deutlich zugenommen, wobei die Qualität der Studien weiter verbessert werden muss, um zu klaren Ergebnissen und Empfehlungen in Metaanalysen zu kommen. Neben der Behandlung von Demenz gibt es Hinweise auf die Wirksamkeit von Akupunktur bei verschiedenen psychiatrischen Störungsbildern:
- Organische psychische Störungen: Insbesondere in China wird Akupunktur seit langem bei hirnorganischen Erkrankungen wie Demenz angewandt.
- Störungen durch psychotrope Substanzen und abhängige Verhaltensweisen: Die Suchtmedizin ist ein Bereich, in dem Akupunktur in der westlichen Welt eine gewisse Verbreitung gefunden hat, insbesondere in Form der standardisierten Ohrakupunktur nach dem NADA-Protokoll.
- Affektive Störungen: Es gibt eine relativ große Evidenz für die Wirksamkeit von Akupunktur bei der Behandlung depressiver Störungsbilder, insbesondere in Kombination mit Antidepressiva.
- Angststörungen: Der Einsatz von Akupunktur bei generalisierter Angststörung kann einen positiven Effekt haben, wobei diese Ergebnisse aufgrund der heterogenen Methodik der ausgewerteten Studien unter Vorbehalt zu betrachten sind.
- Traumafolgestörungen: Akupunktur kann zur akuten Linderung nach traumatischen Ereignissen, zur Verbesserung einzelner Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung und zur Begleitung einer Exposition nach erfolgter Traumatisierung eingesetzt werden.
- Schlafstörungen: Akupunktur kann bei der Behandlung von Schlafstörungen wirksam sein, insbesondere in Kombination mit westlichen Ansätzen.
Fallbeispiel: Akupunktur bei Depression und Trauma
Eine 60-jährige Patientin mit abklingender depressiver Symptomatik aufgrund von sexuellem Missbrauch in der Kindheit wurde mit akupunkturbasierter Exposition (ABE) behandelt. Dabei imaginierte sie gewaltsame Situationen aus der Kindheit, und die aufkommenden Körperempfindungen und Emotionen wurden mittels Akupunktur behandelt und aufgelöst. Nach Abschluss der Sitzungen berichtete die Patientin, keine Traumabelastung mehr zu verspüren, und auch die Schmerzsymptomatik der Fibromyalgie hatte sich verbessert.
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Akupunktur bei Demenz aus Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM)
Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) betrachtet Demenz und Alzheimer aus einem ganzheitlichen Blickwinkel, der Körper, Geist und Umwelt einbezieht. In der TCM wird Demenz oft als ein Ungleichgewicht im Fluss der lebenswichtigen Energie "Qi" betrachtet, das zu einer Schwächung des Gehirns und des Geistes führt.
Zentrale Konzepte der TCM bei Demenz
- Qi und Blut: Ein harmonischer Fluss von Qi (Lebensenergie) und Blut ist entscheidend für die Gesundheit. Demenz kann auf ein Ungleichgewicht oder eine Schwächung von Qi und Blut zurückgeführt werden, insbesondere im Zusammenhang mit der Nahrungsmittelversorgung des Gehirns.
- Yin und Yang: Ein Ungleichgewicht zwischen Yin und Yang im Gehirn kann zu Demenzsymptomen führen. Demenz wird oft als Ausdruck von Yin-Mangel und Yang-Überschuss betrachtet.
- Störungen der Organfunktion: Bestimmte Organe und ihre Funktionen sind mit der kognitiven Gesundheit verbunden. Das Gehirn wird oft mit der Nierenfunktion in Verbindung gebracht, da die Nieren die Wurzel der Lebensenergie sind.
- Umweltfaktoren und emotionale Gesundheit: Die TCM berücksichtigt auch Umweltfaktoren und emotionale Gesundheit als wichtige Einflussfaktoren für Demenz.
Behandlung mit TCM
Behandlungsansätze in der TCM für Demenz und Alzheimer umfassen oft eine Kombination aus Akupunktur, Kräutermedizin, Ernährungstherapie, Bewegung und Techniken zur Stressbewältigung wie Qigong oder Tai Chi. Ziel ist es, das Gleichgewicht von Yin und Yang wiederherzustellen, den Fluss von Qi und Blut zu fördern und die Funktion der betroffenen Organe zu stärken.
Akupunktur auf dem Kopf nach Yamamoto
Die Schädelakupunktur nach Yamamoto hat sich in der Behandlung von Demenzpatienten als wirksam erwiesen. Sie verbessert die Durchblutung der Mikrozirkulation und lässt die Durchblutungsmenge des Gewebes zunehmen, was sich positiv auf die Rehabilitation der Gehirnfunktion auswirkt.
Studie zur Akupunktur bei Alzheimer
Eine Studie untersuchte die Wirkung einer Akupunktur-Behandlung auf die Alzheimer-Krankheit. 141 Probanden wurden randomisiert in eine Akupunktur-Gruppe und eine Kontroll-Gruppe aufgeteilt. Die Akupunktur-Gruppe erhielt einmal täglich eine Nadel-Therapie in ausgewählte Akupunkturpunkte, während die Kontroll-Gruppe jede Nacht oral eine 5 mg-Tablette Donepezil erhielt. Die Ergebnisse zeigten, dass Akupunktur die Gesamtfunktion, Kognition und Alltagskompetenz bei Alzheimer-Patienten verbessern konnte und zudem eine höhere Wirksamkeit als die Donepezil-Therapie aufwies.
Weitere Faktoren zur Prävention und Behandlung von Demenz
- Ernährung: Eine adäquate Ernährung mit warmen, nährenden Lebensmitteln sowie der Verzicht auf Kuhmilch und Gluten als "Schleimbildner" sind wichtige präventive Maßnahmen.
- Grüner Tee: Der Konsum von drei oder mehr Tassen grünem Tee pro Tag kann Demenz vorbeugen, da die Inhaltsstoffe antioxidative und entzündungshemmende Wirkungen haben.
- Chinesische Phytotherapie: Chinesische Kräuter können eine sinnvolle Ergänzung zur schulmedizinischen Medikation innerhalb der Demenzbehandlung sein.
Aktuelle Forschung und Herausforderungen
Die unbefriedigenden Ergebnisse der schulmedizinischen Therapien im Bereich der Demenz haben viele Forscher in Asien veranlasst, bei der Therapie der Demenz verstärkt auf den Einsatz von chinesischen Phytotherapeutika zu setzen und randomisierte Studien zum Thema Demenz in der chinesischen Medizin auf den Weg zu bringen. Die Untersuchungen beziehen sich sowohl auf Einzeldrogen als auch auf Standardrezepturen wie das Qi fu Yin.
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Herausforderungen in der Forschung
- Wirksamkeitsnachweis einzelner Therapien: Es ist wichtig, die Wirksamkeit einzelner komplementärmedizinischer Therapien, einschließlich Akupunktur, in Bezug auf Demenz nachzuweisen.
- Umsetzung im Versorgungsalltag: Es gilt herauszufinden, wie die jeweiligen Therapien im nächsten Schritt in den Versorgungsalltag umgesetzt werden können. Wer soll die Akupunktur vor Ort durchführen, und wie ist die Therapie bei Patienten praktisch umsetzbar, die kognitiv nicht mehr in der Lage sind, das angewandte Verfahren zu verstehen?
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