Alkoholrezeptoren, Gehirn und ihre Wirkung: Ein umfassender Überblick

Alkohol ist eine der am häufigsten konsumierten psychoaktiven Substanzen weltweit. Obwohl viele Menschen Alkohol als harmlos betrachten, ist es tatsächlich ein starkes Nervengift, das bei übermäßigem Konsum schwerwiegende Folgen haben kann. Dieser Artikel beleuchtet die komplexen Auswirkungen von Alkohol auf das Gehirn, insbesondere im Hinblick auf Rezeptoren, Neurotransmitter und langfristige Konsequenzen.

Dopamin und das Belohnungssystem

Dopamin ist ein Neurotransmitter, der oft als "Glückshormon" bezeichnet wird. Es spielt eine zentrale Rolle im Belohnungssystem des Gehirns. Dieses System sichert seit Jahrtausenden unser Überleben, indem es bestimmte Reize mit positiven Gefühlen verknüpft. Dopamin markiert den Alkoholkonsum als "positiv" und belohnend im Gedächtnis, was die Motivation weckt, das Trinkerlebnis zu wiederholen.

Alkohol verstärkt die Ausschüttung von Dopamin, wirkt aber auch auf das körpereigene Opioidsystem und das Serotoninsystem. Das Gehirn merkt sich den positiven Effekt und möchte dieses Stimmungshoch wieder herbeiführen, was zu Suchtverlangen oder Craving führt. Langfristig führt häufiger Alkoholkonsum zu einer Sensibilisierung des dopaminergen Systems.

Die Auswirkungen des Alkoholkonsums auf den Dopaminspiegel können nicht nur zur Entwicklung einer Alkoholsucht führen, sondern auch abstinenzwillige Alkoholiker zu einem Rückfall verleiten. Studien haben gezeigt, dass bestimmte Hirnareale, die über die Verhaltenskontrolle entscheiden, bei Alkoholikern eine größere Dopaminkonzentration aufweisen, was die Verhaltenskontrolle nachhaltig verringern kann.

Alkohol als Nervengift

Alkohol ist ein Nervengift, das die Gehirnfunktion beeinträchtigt und die Gesundheit des Körpers insgesamt schädigt. Regelmäßiger und übermäßiger Alkoholkonsum kann zu einer Vielzahl von körperlichen Erkrankungen führen, wie Leberschäden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs. Auch das Immunsystem wird geschwächt und somit anfälliger für Infektionen.

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Alkohol hat auch Auswirkungen auf die Psyche und kann zu Stimmungsschwankungen, Angstzuständen und Depressionen führen sowie das Risiko für Suizid erhöhen. Zudem beeinträchtigt es die Wahrnehmungsfähigkeit und Reaktionszeit.

Auswirkungen auf das Gehirn

Schon eine geringe Menge Alkohol kann die graue und weiße Substanz im Gehirn schrumpfen lassen, wenn sie über einen langen Zeitraum regelmäßig konsumiert wird. Die graue Substanz beherbergt Nervenzellkörper, während die weiße Substanz aus Zellfortsätzen besteht. Beide Substanzen sind wesentliche Bestandteile des zentralen Nervensystems und steuern nahezu alle Hirnfunktionen.

Die Veränderungen, die Alkohol in den Gehirnsubstanzen verursacht, sind nicht linear: Je mehr man trinkt, desto schneller schrumpft das Gehirn. Alkohol beschleunigt den Abbau der Zellstrukturen im Gehirn, was sich vor allem durch ein geschwächtes Erinnerungsvermögen bemerkbar macht. Auch andere kognitive Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Orientierung oder die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung werden beeinträchtigt. Regelmäßiger Alkoholkonsum kann die kognitive Leistungsfähigkeit vermindern und das Risiko einer Demenzerkrankung stark erhöhen.

Rezeptoren und Neurotransmitter

Alkohol bindet an verschiedene Rezeptoren im Gehirn und beeinflusst die Ausschüttung von Neurotransmittern. Der angstlösende, entspannende Effekt kommt in erster Linie dadurch zustande, dass Alkohol an den γ-Aminobuttersäure-Rezeptor (GABA-Rezeptor) bindet und ihn aktiviert. Das führt zu einer Ausschüttung von Botenstoffen, die eine hemmende Wirkung auf das Gehirn haben. Dann bindet Alkohol auch noch an Serotoninrezeptoren, was Dopamin und letztendlich Endorphine ausschüttet, die wiederum ein Wohlgefühl auslösen. Alkohol bindet auch an den L-Glutamatrezeptor und wirkt dadurch lähmend.

Alkohol und Jugendliche

Jugendliche haben generell eine deutlich höhere Risikobereitschaft und probieren gern neue Dinge aus, und dazu gehört auch das Trinken. Das Gehirn ist während der Umbauprozesse in Pubertät und jungem Erwachsenenalter besonders empfindlich. Daher wird gefordert, dass die Altersgrenze für jegliche Form von Alkohol in Deutschland einheitlich auf 18 Jahre angehoben wird.

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Toleranz und Abhängigkeit

Viele Menschen trinken Alkohol und werden trotzdem nicht süchtig. Dafür müssen viele Faktoren zusammenkommen, dazu gehören genetische und körperliche Faktoren sowie Umwelteinflüsse wie psychische Belastungen und der kulturelle Umgang mit Alkohol. Mit Blick auf das Gehirn kann man sagen, dass sich die Anzahl der Rezeptoren und ihre Regulation untereinander verändert. Dadurch kommt es zu einer Toleranzbildung. Das bedeutet, man braucht immer mehr von einer Substanz, bis eine Wirkung auftritt - zum einen weil die Rezeptoren weniger empfindlich werden und zum anderen weil mehr Rezeptoren gebildet werden. Und je mehr davon da sind, desto mehr Wirkstoff ist nötig, um sie zu besetzen. Außerdem kommt noch ein wichtiger Punkt hinzu: die Konditionierung. Der Abhängige verbindet bestimmte Situationen wie etwa eine Kneipe mit diesem Wohlgefühl, das er beim Trinken empfunden hat. Kommt er wieder in die Situation, braucht er nicht einmal Alkohol zu sehen und verspürt schon den Drang, ein Glas zu trinken.

Es gibt Opiathemmer, die den Belohnungseffekt im Gehirn abschwächen. Sie blockieren die Rezeptoren, so dass weniger Dopamin ausgeschüttet wird. Dadurch stellt sich das Wohlgefühl nicht ein und der Drang lässt nach, Alkohol zu trinken.

Entzug und Therapie

Wenn Menschen Alkohol trinken, wird die Produktion des Neurotransmitters Dopamin angekurbelt. Geschieht dies über einen längeren Zeitraum hinweg regelmäßig, gewöhnt sich der Konsument ebenso wie sein Gehirn an diesen Effekt. Die Folge: Das zentrale Nervensystem fährt die Eigenproduktion des Botenstoffs herunter bzw. Entscheidet sich ein Suchtkranker dazu, keinen Alkohol mehr zu trinken, sinkt der Dopamin-Spiegel schnell ab und verbleibt auf diesem Niedriglevel. Denn das Gehirn ist noch nicht wieder daran gewöhnt, die Dopamin-Werte wieder eigenständig anzuheben. Aufgrund dessen führt die Kombination aus Dopamin und Alkohol beim Entgiften zunächst zu einer intensiven Stimmungsverschlechterung. Betroffene fühlen sich schlapp, dysphorisch und antriebslos. Umso wichtiger ist es, einen Entzug in einem stabilisierenden Setting durchzuführen. Bei einem ärztlich begleiteten Entzug in einer Klinik bekommen Patienten viele Möglichkeiten an die Hand, um das „Loch“ nach der Entgiftung zu überwinden.

Hirnschäden durch Alkoholmissbrauch

Alkoholmissbrauch schädigt das Gehirn. Die weiße Substanz, die fast die Hälfte des Gehirns ausmacht, ist nachweislich stark betroffen; dieser Teil des Zentralnervensystems besteht überwiegend aus Leitungsbahnen und Nervenfasern. In der Folge kann es zu zahlreichen Einschränkungen kommen, die Kontrolle des Menschen über die eigene Handlungsfähigkeit nimmt ab. Dies befördert wiederum die Sucht - ein Teufelskreis. Nach neuesten Erkenntnissen treten Hirnschäden nicht nur beim Rauschtrinken selbst auf, sondern verstärken sich insbesondere während der ersten Phasen des Entzugs. Laut Studien tragen die entzugsbedingten Schäden wiederum dazu bei, bestehende Suchtstörungen aufrechtzuerhalten - umso stärker, je mehr Entzüge notwendig sind. Für einen größtmöglichen Therapieerfolg sind daher die Motivation des Patienten und zugleich die medizinische Versorgung von großer Bedeutung.

Toleranzentwicklung und Entzug

Je mehr und regelmäßiger ein Suchtmittel konsumiert wird, desto stärker steuern Körper und Gehirn entgegen, es kommt zur Toleranzentwicklung. Alkohol dämpft die Hirnaktivität, indem er die hemmende Wirkung des Botenstoffs Gamma-Aminobuttersäure (GABA) potenziert und gleichzeitig die erregende Wirkung von Glutamat, eines weiteren wichtigen Botenstoffs, reduziert. Um dies zu kompensieren, passen sich bei dauerhaftem Konsum die Art und Anzahl der entsprechenden Rezeptoren im Gehirn an - der Alkohol wirkt weniger dämpfend. Als Folge werden immer höhere Mengen getrunken, um den gewünschten Effekt noch erzielen zu können. Wenn das Botenstoffsystem aufgrund dieser Toleranzbildung jedoch nicht mehr richtig funktioniert, kommt es beim Entzug wegen der Übererregbarkeit des nüchternen Gehirns zum Absterben von Hirngewebe, insbesondere der weißen Substanz. Im Klartext heißt das: Der Entzug ist für den Patienten umso gefährlicher, je mehr Alkoholtoleranz sein Körper im Lauf der Zeit entwickelt hat. Um die teils lebensbedrohlichen Konsequenzen zu behandeln, kommen Medikamente zum Einsatz, die die Wirkung des Alkohols am GABA-Rezeptor ersetzen.

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Genetische Faktoren und soziale Isolation

Eine Vielzahl von Studien zeigt übereinstimmend, dass genetische Faktoren deutlich zur Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit beitragen. Dieser genetische Anteil ist offenbar in Subgruppen alkoholabhängiger Patienten mit besonders schwerem Krankheitsverlauf am stärksten ausgeprägt. Ein unscheinbareres Merkmal ist nach Studien von Schuckit und Mitarbeitern entscheidend an der Disposition zur Alkoholabhängigkeit beteiligt, nämlich eine teilweise genetisch bedingte, schwache Auswirkung akuten Alkoholkonsums. Als wesentlicher Risikofaktor zeigte sich das Ausmaß der akuten Alkoholwirkungen, beispielsweise der eintretenden Sedierung oder der Ataxie. Dabei waren die Personen besonders gefährdet, die akut nur wenig Auswirkungen des Alkohols verspürten.

Auch soziale Isolation kann eine Rolle spielen. Rhesusaffen, die ohne Mütter aufwachsen müssen, zeigten in Studien als erwachsene Tiere einen exzessiven Alkoholkonsum. In Adoptionsstudien zeigte sich, dass auch Menschen, die in ihrer frühen Kindheit lange in Heimen leben mussten, als Erwachsene häufig exzessiv Alkohol konsumieren und ein erhöhtes Risiko aufweisen, alkoholabhängig zu werden.

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