Sterben Gehirnzellen durch Alkohol ab? Ein Faktencheck

Alkohol ist ein gesellschaftlich weit verbreitetes Genussmittel, um das sich zahlreiche Mythen ranken. Viele Menschen glauben, dass bereits geringe Mengen Alkohol zu irreparablen Schäden im Gehirn führen. Doch was ist dran an der Behauptung, dass Alkohol Gehirnzellen abtötet? Dieser Artikel beleuchtet die Auswirkungen von Alkohol auf das Gehirn und räumt mit einigen gängigen Irrtümern auf.

Mythen und Fakten über Alkohol

Rund um das Thema Alkohol gibt es viele Volksweisheiten, die sich hartnäckig halten. Einige davon sind schlichtweg falsch. Im Folgenden werden einige der häufigsten Mythen auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft:

  • Mythos: Fettes Essen schafft eine Grundlage, um nicht so schnell betrunken zu werden.

    • Fakt: Ein gut gefüllter Magen verlangsamt die Aufnahme von Alkohol ins Blut. Auch das Trinken von zusätzlichem Wasser kann diesen Effekt mildern. Die gesundheitlichen Risiken durch übermäßigen Alkoholkonsum werden dadurch jedoch nicht verringert.
  • Mythos: Alkohol schützt vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

    • Fakt: Es gibt Hinweise darauf, dass geringe Mengen Alkohol, wie ein Glas Rotwein am Abend, bei älteren Menschen das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringern könnten. Die Ergebnisse sind jedoch umstritten. Hochwertige Studien zeigen, dass Alkohol nahezu jedes Organsystem schädigt - auch Herz und Blutgefäße.
  • Mythos: Ein bisschen Alkohol kann nicht schaden.

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    • Fakt: Wissenschaftler zählen Alkohol zu den zehn wichtigsten Risikofaktoren für verschiedene Krebserkrankungen. Es gibt keinen Schwellenwert, unter dem keine Gefahr besteht.
  • Mythos: Alkohol baut sich im Schlaf schneller ab.

    • Fakt: Alkohol wird immer in der gleichen Geschwindigkeit abgebaut, unabhängig davon, ob man schläft oder nicht. Alkohol kann den Schlaf stören und zu wenig erholsamen Schlaf führen.
  • Mythos: Durcheinandertrinken macht schneller betrunken.

    • Fakt: Die insgesamt getrunkene Menge an Alkohol ist entscheidend, nicht die Reihenfolge der Getränke.
  • Mythos: Ein Strohhalm macht schneller betrunken.

    • Fakt: Über die Mundschleimhaut kann nur eine geringe Menge Alkohol aufgenommen werden. Ein Strohhalm kann jedoch dazu verleiten, schneller und mehr zu trinken.
  • Mythos: Alkohol hilft gegen den Kater.

    • Fakt: Alkoholische Cocktails mit Gemüsesäften oder ein Konterbier können die Symptome eines Katers lindern, da sie den Alkoholspiegel im Blut anheben. Dies verschiebt das Problem jedoch nur in die Zukunft, ohne es zu lösen.

Alkohol und Gehirnzellen: Was stimmt wirklich?

Ein weit verbreiteter Glaube ist, dass jeder Alkoholrausch etwa 10.000 Gehirnzellen abtötet. Diese Aussage ist so nicht richtig. Es stimmt jedoch, dass Alkohol die Kommunikation zwischen den Gehirnzellen stören kann, was zu einer Verlangsamung des Denkens während des Rauschs führt.

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Auswirkungen von regelmäßigem und starkem Alkoholkonsum

Regelmäßiger und starker Alkoholkonsum kann langfristig die Leber entzünden. Dies kann dazu führen, dass eine zu große Menge Ammoniak in die Blutbahn gelangt. Ammoniak ist ein Giftstoff, der dem Gehirn direkt schaden kann, indem er die Gehirnfunktion stört. Im schlimmsten Fall kann dies zu einer Leberzirrhose führen.

Alkoholmissbrauch und Hirnschäden

Es ist längst bekannt, dass Alkoholmissbrauch das Gehirn schädigt. Besonders betroffen ist die weiße Substanz, die fast die Hälfte des Gehirns ausmacht und überwiegend aus Leitungsbahnen und Nervenfasern besteht. Dies kann zu zahlreichen Einschränkungen führen und die Kontrolle über die eigene Handlungsfähigkeit verringern.

Psychische und physische Störungen durch Alkoholmissbrauch belegen in den Krankheitsstatistiken stets vordere Plätze. Hirnschäden treten nicht nur während des Rauschtrinkens selbst auf, sondern können sich insbesondere während der ersten Phasen des Entzugs verstärken. Entzugsbedingte Schäden können bestehende Suchtstörungen aufrechterhalten.

Toleranzentwicklung und Entzug

Je mehr und regelmäßiger Alkohol konsumiert wird, desto stärker steuern Körper und Gehirn entgegen. Es kommt zur Toleranzentwicklung. Alkohol dämpft die Hirnaktivität, indem er die hemmende Wirkung des Botenstoffs Gamma-Aminobuttersäure (GABA) verstärkt und gleichzeitig die erregende Wirkung von Glutamat reduziert. Um dies zu kompensieren, passen sich bei dauerhaftem Konsum die Art und Anzahl der entsprechenden Rezeptoren im Gehirn an.

Wenn das Botenstoffsystem aufgrund dieser Toleranzbildung nicht mehr richtig funktioniert, kann es beim Entzug wegen der Übererregbarkeit des nüchternen Gehirns zum Absterben von Hirngewebe kommen, insbesondere der weißen Substanz. Der Entzug ist für den Patienten umso gefährlicher, je mehr Alkoholtoleranz sein Körper im Laufe der Zeit entwickelt hat.

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Blackout und Gedächtnisverlust

Alkohol und bestimmte Drogen können einen Blackout erzeugen. Betroffene haben Erinnerungslücken, können sich aber während der Episode, für die später die Erinnerung fehlt, noch unterhalten und bewegen. Das Gehirn wird bei einem Blackout also nicht vollständig, sondern nur teilweise außer Gefecht gesetzt. Betroffen ist das episodische Gedächtnis, in dem die Erinnerungen an persönliche Erlebnisse gespeichert sind.

Es gibt unterschiedliche Formen von Blackouts:

  • „En bloc“-Blackout: Totaler Gedächtnisverlust für eine bestimmte Episode.
  • Fragmentierter Gedächtnisverlust: Personen können sich später noch an Details erinnern, wenn man ihnen Hinweise gibt oder sie sich an den Ort des Geschehens zurückbegeben.

Die Gedächtnisbildung erfolgt in erster Linie im Hippocampus. Hohe Mengen Alkohol können Fehlfunktionen im Hippocampus verursachen, sodass keine Informationen gespeichert werden. Alkohol kann im Hippocampus bestimmte Rezeptoren blockieren und andere aktivieren, wodurch die Langzeitpotenzierung gestört wird. Die Langzeitpotenzierung ist ein Prozess, bei dem die Verbindung zwischen Nervenzellen gestärkt und so die Bildung des Langzeitgedächtnisses ermöglicht wird.

Studien haben gezeigt, dass Studierende mit häufigen Blackouts ein fast 3-fach erhöhtes Risiko für Verletzungen hatten, die eine direkte Folge des Alkoholkonsums waren. Generell steigt das Risiko für einen Blackout, je mehr Alkohol getrunken wird, insbesondere wenn in kurzer Zeit hohe Mengen Alkohol konsumiert werden - vor allem, wenn es sich um Hochprozentiges handelt.

Häufige Blackouts können ein Zeichen für problematischen Alkoholkonsum sein. Männer, die vor dem Alter von 20 Jahren bereits einen Blackout hatten, haben später ein erhöhtes Risiko für eine Alkoholabhängigkeit.

Langfristige Auswirkungen von Alkohol auf das Gehirn

Auch moderater Alkoholkonsum kann langfristig Auswirkungen auf das Gehirn haben. Eine Studie zeigte, dass bereits ein einziger Drink die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, beeinträchtigen kann, obwohl man sich dessen nicht bewusst ist. Regelmäßiger Alkoholkonsum kann zu einer beschleunigten Alterung des Gehirns führen.

Schon eine Flasche Bier am Tag kann die graue sowie die weiße Substanz im Gehirn schrumpfen lassen, wenn sie über einen langen Zeitraum regelmäßig konsumiert wird. Die Veränderungen, die Alkohol in den Gehirnsubstanzen verursacht, sind nicht linear: Je mehr man trinkt, desto schneller schrumpft das Gehirn.

Die Folgen der Hirnalterung machen sich vor allem durch ein geschwächtes Erinnerungsvermögen bemerkbar. Auch andere kognitive Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Orientierung oder die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung können beeinträchtigt werden. Studien weisen darauf hin, dass regelmäßiger Alkoholkonsum von bereits fünf bis sechs Standardgläsern pro Woche die kognitive Leistungsfähigkeit vermindert.

Erhöhtes Demenzrisiko

Regelmäßiger Konsum hoher Alkoholmengen kann im Gehirn Veränderungen verursachen, die das Risiko einer Demenzerkrankung stark erhöhen. Personen ab 45 Jahren, die mehr als 24 Gramm reinen Alkohol (ca. 250 ml Wein) am Tag trinken, sind besonders gefährdet.

Korsakow-Syndrom

Das Korsakow-Syndrom ist eine Form des Gedächtnisschwunds, die vor allem bei Alkoholikern auftritt. Betroffene sind nicht in der Lage, neue Gedächtnisinhalte zu speichern oder wiederzugeben. Lücken im Gedächtnis werden zum Teil mit erfundenen Geschichten aufgefüllt.

Wie Alkohol die Kommunikation der Nervenzellen beeinflusst

Alkohol stört die Kommunikation der einzelnen Gehirnzellen untereinander. Es gibt zwei Arten von Botenstoffen, die hemmenden und die aktivierenden. Alkohol greift in diese Balance ein, indem er dafür sorgt, dass die Nerven mehr hemmende und weniger aktivierende Botenstoffe ausschütten. Dadurch werden die Kettenreaktionen zwischen den Nervenzellen gebremst.

Indirekte Schäden durch Alkohol

Alkohol kann dem Gehirn auch indirekt schaden, beispielsweise über eine kaputte Leber. Wer zu oft und zu viel trinkt, provoziert eine Entzündung in der Entgiftungszentrale des Körpers. Dadurch kann es passieren, dass zu viel Ammoniak durch die Blutbahn kreist, das den Nervenzellen im Gehirn direkt zusetzen kann.

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