Die Parkinson-Krankheit, eine fortschreitende neurologische Erkrankung, ist oft mit einer Vielzahl von Begleitsymptomen verbunden, die die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen können. Schlafstörungen, Unruhe und damit verbundene Beschwerden sind besonders häufig und stellen eine zusätzliche Herausforderung dar. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Parkinson-Unruhe, einschliesslich ihrer Ursachen, Diagnose und Behandlungsstrategien, um Patienten und ihren Familien ein besseres Verständnis und wirksame Bewältigungsmechanismen zu ermöglichen.
Schlafstörungen bei Parkinson: Ein Teufelskreis
Schlafstörungen sind bei Patienten mit der Parkinson-Krankheit weit verbreitet. Etwa 60 bis 90 Prozent der Patienten mit idiopathischem bzw. primärem Parkinson-Syndrom sind im Verlauf der Erkrankung von Schlafstörungen betroffen. Diese Störungen können sich in verschiedenen Formen manifestieren, darunter Ein- und Durchschlafstörungen, erhöhte Tagesschläfrigkeit und REM-Schlaf-Verhaltensstörungen.
Schlafprobleme können zu einer Verschlechterung der Parkinson-Symptome und zu neuen Problemen wie Müdigkeit, Stimmungsschwankungen oder Konzentrationsstörungen führen. Wer müde ist, fühlt sich möglicherweise weniger motiviert, Sport zu treiben, Kontakte zu knüpfen oder sich an anderen Aktivitäten zu beteiligen.
Ursachen von Schlafstörungen bei Parkinson
Die Ursachen von Schlafstörungen bei Parkinson sind vielfältig und komplex. Sie können auf die Erkrankung selbst, auf Nebenwirkungen von Medikamenten oder auf psychische Begleiterkrankungen zurückzuführen sein. Es ist wichtig, die spezifischen Ursachen der Schlafstörungen zu identifizieren, um eine gezielte Behandlung zu ermöglichen.
Parkinson-Symptome
Typische Symptome der Parkinson-Erkrankung wie Steifigkeit und Zittern können nachts sehr ausgeprägt sein. Insbesondere die typische Steifigkeit der Muskulatur führt dazu, dass man sich im Schlaf nur unter Mühen umdrehen kann - und hierdurch wach wird. Anschließend verhindert das unangenehme Gefühl der Unbeweglichkeit ein erneutes Einschlafen.
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Restless-Legs-Syndrom (RLS)
Bei einem RLS handelt es sich um unangenehme Missempfindungen v. a. in den Beinen. Die Probleme treten besonders abends in Ruhe bzw. vor dem Einschlafen auf und bessern sich erst durch Bewegung der Beine. Das RLS kann Teil der Parkinson-Erkrankung sein, aber auch durch andere Ursachen (z. B. einen Eisenmangel) ausgelöst oder verstärkt werden.
REM-Schlaf-Verhaltensstörung
Während des Schlafens durchläuft das Gehirn verschiedene und wiederkehrende Schlafphasen. Hierzu gehören u. a. der Tiefschlaf und der REM-Schlaf. Während des REM-Schlafes kommt es zur Traumaktivität. Normalerweise ist diese Phase durch ein Erschlaffen der Muskulatur gekennzeichnet. Dieses Erschlaffen während der Traumschlafphase ist bei der Parkinson-Erkrankung häufig gestört. Bei einer REM-Schlaf-Verhaltensstörung werden Trauminhalte ausgelebt, und es kommt zu nächtlichen Bewegungen der Gliedmaßen. Betroffene können im Traum treten, schlagen, schreien, aufstehen und anderen Aktivitäten nachgehen.
Tagesschlaf
Im Alter sinkt das Schlafbedürfnis. Häufig sind längere „Mittagsschläfchen“ daher der Grund für nächtliche Probleme beim Ein- oder Durchschlafen. Eine sehr starke Tagesmüdigkeit, die mit ungewollten Einschlafattacken einhergeht, sollte unbedingt mit den behandelnden Ärzt*innen besprochen werden: Einige Parkinson-Medikamente führen zu starker Tagesmüdigkeit.
Nebenwirkungen von Medikamenten
Einige Parkinson-Medikamente können eine aktivierende und wachmachende Wirkung haben. Andere Wirkstoffe fördern zwar die Müdigkeit, lösen bei einigen Betroffenen aber trotzdem eine sehr unangenehme innere Unruhe aus. Auch Wassertabletten können den Schlaf negativ beeinflussen, wenn sie zu spät am Tag eingenommen werden - durch die häufigen Toilettengänge kommt man schlicht nicht zur Ruhe.
Negative Gedanken /„Sorgenkreisen“
Negative Gedanken, Sorgen und Ängste machen sich besonders in den Abend- und Nachtstunden bemerkbar, wenn die Ablenkungen des Tages nicht mehr da sind. Das typische „Kreisen“ negativer oder angstbesetzter Gedanken sowie negativer Erlebnisse vom Tage kann Betroffene trotz Müdigkeit über lange Zeit vom Einschlafen abhalten.
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Probleme mit der Blasenentleerung
Auch Störungen der Harnblasenfunktion sind häufige Begleitsymptome der Parkinson-Krankheit. Betroffene müssen dann nachts oft mehrfach zum Wasserlassen auf die Toilette. Andere Probleme (Harnwegsinfekte, bei Männern eine Vergrößerung der Prostata) können das Problem zusätzlich verstärken. Natürlich können auch Wassertabletten (wenn sie zu spät am Tage eingenommen werden) zu einer Häufung nächtlicher Toilettengänge führen.
Diagnose von Schlafstörungen bei Parkinson
Parkinson-Patienten, die unter Schlafstörungen und einer erhöhten Tagesschläfrigkeit leiden, sollten diese Beschwerden mit ihrem behandelnden Neurologen besprechen. Eine gezielte Diagnostik, die durch das Führen eines Schlaftagebuchs unterstützt werden kann, vermag die Ursachen der Ein- und Durchschlafstörungen aufzudecken.
Fragen zur Beschreibung der Schlafprobleme
Die folgenden Fragen können Ihnen helfen, Ihre Probleme beim Schlafen genauer zu beschreiben:
- Wachen Sie nachts wegen Unruhe in den Beinen und Armen auf?
- Ist Ihr Schlaf gestört, weil Sie den Drang verspüren, Ihre Arme und Beine bewegen zu müssen?
- Leiden Sie unter quälenden Träumen?
- Müssen Sie nachts zur Toilette?
- Fühlen Sie sich nachts unwohl, weil Sie unbeweglich sind, sich nicht umdrehen oder bewegen können?
- Wachen Sie auf, weil Sie Schmerzen in Armen und Beinen haben?
- Wachen Sie auf, weil Sie Muskelkrämpfe in Armen und Beinen haben?
- Wachen Sie von oder mit einem Tremor (Zittern) in Armen und Beinen auf?
- Wachen Sie auf, weil Sie schnarchen oder nachts Probleme beim Atmen haben?
- Wann gehen Sie abends in der Regel ins Bett?
Schlaftagebuch
Vielleicht hilft es Ihnen, für einige Tage ein Schlaftagebuch zu führen. Notieren Sie morgens direkt nach dem Aufstehen in einigen Stichworten, was Sie in der vorhergehenden Nacht vom Schlafen abgehalten hat.
Behandlung von Schlafstörungen bei Parkinson
Zur Behandlung der Schlafstörungen kann eine Optimierung der Therapie der Parkinson-Grunderkrankung hilfreich sein. Zudem können spezielle nicht-medikamentöse oder auch medikamentöse Ansätze wirksam sein.
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Optimierung der Parkinson-Therapie
Nächtliche Unbeweglichkeit und damit einhergehende Schlafprobleme können durch ein Absinken des Medikamentenspiegels ausgelöst sein. Hier können lang wirksame Parkinson-Medikamente Abhilfe schaffen. Andererseits können lebhafte Träume und nächtliche körperliche Unruhe auf eine zu starke Medikamentenwirkung zurückgehen. Dann kann in Absprache mit dem Arzt die Medikamenteneinstellung entsprechend verändert werden. Es gibt speziell für die Nachtstunden entwickelte Medikamente mit verzögerter Wirkung. In der Nacht, wenn das Einschlafen nicht wieder gelingen will, ist die Einnahme eines Bedarfsmedikaments möglich. Änderungen und Anpassungen der Medikamente müssen natürlich vorher mit den behandelnden Ärzt*innen abgesprochen werden.
Nicht-medikamentöse Behandlungen
Grundsätzlich ist es wichtig, auf eine gute Schlafhygiene (Schlafklima, regelmäßige Einschlaf- und Weckzeiten etc.) zu achten und tagsüber Nickerchen oder einen Mittagsschlaf zu vermeiden. Auch können einfache Mittel wie warme Fußbäder, Entspannungsübungen oder autogenes Training bei Einschlafstörungen hilfreich sein. Daneben trägt körperliche Bewegung zu einer Verbesserung der Schlafqualität bei. Findet die körperliche Aktivität im Freien statt, verbessert dies den Tag-Nacht-Rhythmus, was sich ebenfalls günstig auf die Schlafqualität auswirkt.
Medikamentöse Behandlungen
Sind die Schlafstörungen auf RLS zurückzuführen oder auf nächtliche Atemaussetzer, kann hier eine leitliniengerechte Therapie wie bei anderen Patienten hilfreich sein. Bei Einschlafstörungen sind kurzwirksame Schlafmittel oder niedrig dosierte Antidepressiva hilfreich. Gegen die heftigen Bewegungen der Traumschlafverhaltensstörung kann Clonazepam verabreicht werden, bei Restless Legs Beschwerden kleine Dosierungen von dopaminhaltigen Medikamenten oder auch einmal Opiate. Gegen die nächtlichen Atemaussetzer kann man den Patienten in einem Schlaflabor ein nächtliches Beatmungsgerät anpassen.
Schlafhygiene: Tipps für einen besseren Schlaf
Unabhängig von konkreten Problemen beim Ein- oder Durchschlafen kann es sinnvoll und hilfreich sein, Schlafgewohnheiten gelegentlich zu hinterfragen. Hier sind einige Tipps für eine Verbesserung der Schlafhygiene:
Einschlafroutine
Die Stunde vor dem Schlafengehen kann genutzt werden, um bewusst zur Ruhe zu kommen und sich „vom Tag zu verabschieden“. Fernsehen und Computer sollten in dieser Stunde möglichst nicht mehr genutzt werden, auch das Mobiltelefon sollte auf lautlos gestellt sein. Ein entspannendes Bad oder eine Tasse Kräutertee (wenn keine Probleme mit nächtlichen WC-Gängen bestehen) können dabei helfen, den Körper auf das Einschlafen vorzubereiten. Um beim Einschlafen nicht ständig an wichtige Erledigungen am Folgetag denken zu müssen, kann es sinnvoll sein, anstehende Aufgaben schriftlich festzuhalten, um den Kopf freizubekommen.
Schlafzimmer
Das Schlafzimmer sollte ein Ort der Entspannung sein und auch ausschließlich zum Schlafen genutzt werden. Die Temperatur sollte niedriger sein als in den anderen Räumen (16 - 18 Grad sind ideal).
Ernährung / Getränke
Kaffee, schwarzer Tee oder andere koffeinhaltige Getränke sollten vor dem Schlafengehen vermieden werden. Alkohol kann zwar beim Einschlafen helfen, sollte aber bei Schlafstörungen trotzdem gemieden werden, weil er den Schlaf oft insgesamt beeinträchtigt. Die Abendmahlzeit sollte nicht zu schwer sein und auch nicht zu spät eingenommen werden.
Sport
Eine regelmäßige sportliche Aktivität im Tagesverlauf kann die Schlafqualität deutlich verbessern.
Depressionen bei Parkinson: Ein häufiges Begleitsymptom
Depressionen sind die häufigsten psychiatrischen Störungen bei der Parkinson-Krankheit. Sie treten bei circa 40 bis 50 Prozent der Patienten auf und beeinträchtigen, abgesehen von den motorischen Defiziten, die Lebensqualität. Trotz Häufigkeit und Bedeutung sind offenbar Depressionen bei Parkinson-Patienten unterversorgt.
Diagnostik von Depressionen bei Parkinson
Zur Abgrenzung einer depressiven Episode von Befindlichkeitsstörungen im Rahmen der Krankheitsverarbeitung oder anderen psychischen Störungen sollten die Kriterien der ICD-10 angewandt werden. Symptome der Depression wie beispielsweise psychomotorische Verlangsamung, mimische Starre können auch durch die neurologischen Defizite der Parkinson-Krankheit bedingt sein. Um die Diagnose einer Depression bei Parkinson-Patienten zu stellen, muss der behandelnde Arzt vom Patienten besonders subjektiv erlebte Symptome erfragen. Hierzu gehören als Kernsymptome Gefühle innerer Leere, Hoffnungslosigkeit und insbesondere der Verlust der Fähigkeit, Freude zu erleben (Anhedonie).
Behandlung von Depressionen bei Parkinson
Bei der Auswahl des Antidepressivums bei Parkinson-Patienten sind drei Aspekte zu berücksichtigen: Wirkung des Antidepressivums auf die Depression, Wirkung des Antidepressivums auf Motorik und Anti-Parkinson-Medikation, Spezifische und unspezifische unerwünschte Arzneimittelwirkungen zum Beispiel auf kognitive Funktionen. Um Therapieresistenzen aufgrund inadäquater Durchführung der Antidepressiva-Behandlung (zu rasches Umsetzen, zu niedrige Dosierung) zu vermeiden, haben sich standardisierte Algorithmen bewährt.
Trizyklische Antidepressiva
Kontrollierte, doppelblind durchgeführte Studien mit Imipramin, Nortriptylin und Desipramin zeigen eine gute antidepressive Wirkung bei Parkinson-Patienten. Einige Studien berichten sogar über eine Reduktion motorischer Zeichen der Erkrankung. Probleme beim Einsatz dieser klassischen Antidepressiva sind insbesondere ihre anticholinergen Wirkungen, die unter anderem motorische Funktionen positiv, kognitive Funktionen aber negativ beeinflussen können. Auch die Entstehung deliranter Zustände und orthostatischer Probleme sind wichtige Einschränkungen der Indikation dieser Substanzen bei Parkinson-Patienten.
Serotonin- und Noradrenalin- Wiederaufnahmehemmer
Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) sind bei der Behandlung depressiver Störungen und verschiedener Formen der Angststörungen sehr gut evaluiert. Sie zeigen die gleiche Wirksamkeit wie trizyklische Antidepressiva, jedoch ein anderes Profil unerwünschter Wirkungen, was sich insbesondere für ältere Patienten als günstig erwiesen hat.
Dopaminagonisten
Für die antidepressive Wirkung von Dopaminagonisten ist wahrscheinlich die spezielle Affinität zu D3-Rezeptoren im mesolimbischen System bedeutsam. Wichtig sind hier die Nicht-Ergot-Derivate Ropinirol und Pramipexol. Es gibt Hinweise darauf, dass Dopaminagonisten als Augmentation bei therapieresistenten Depressionen wirksam sind.
Weitere Aspekte der Parkinson-Behandlung
Neben der Behandlung von Schlafstörungen und Depressionen ist es wichtig, die Parkinson-Krankheit umfassend zu behandeln. Dies umfasst in der Regel eine Kombination aus Medikamenten, aktivierenden Therapien und gegebenenfalls chirurgischen Eingriffen.
Medikamentöse Therapie
Basis der Pharmakotherapie der Parkinson-Krankheit ist die Dopamin-Substitution durch L-Dopa oder Dopaminagonisten. Wegen des Risikos motorischer Wirkungsschwankungen und Dyskinesien wird heute besonders bei „jüngeren“ Patienten (< 50 Jahre) zunehmend eine initiale Dopaminagonisten-Monotherapie angestrebt. L-Dopa selbst weist keine konsistente antidepressive Wirkung auf.
Aktivierende Therapien
Den aktivierenden Therapien wie Physio- und Sprechtherapie kommt eine zunehmende Rolle zu, von Anfang an den Verlauf günstig zu gestalten. Neue Entwicklungen mit Krafttraining, Tanzen, Tai Chi und Laufbandtraining kommen hinzu.
Tiefe Hirnstimulation
Neben der Pharmakotherapie spielt heute die chronische Hochfrequenzstimulation mit stereotaktisch implantierten Elektroden in der Parkinson-Therapie eine Rolle. Wegen des negativen Effekts der STN-Stimulation auf frontal exekutive Funktionen bei älteren Patienten sind Depression und Demenz eine Kontraindikation.
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