Die Histaminintoleranz (HIT) ist eine Unverträglichkeit gegenüber Histamin und anderen biogenen Aminen, die in vielen Lebensmitteln vorkommen und eine Vielzahl von Symptomen auslösen können. Diese Symptome können nach dem Verzehr histaminreicher Lebensmittel innerhalb von 20 Minuten bis vier Stunden auftreten und sind oft schwer von denen anderer Krankheiten zu unterscheiden.
Einführung in die Histaminintoleranz
Die Histaminintoleranz (HIT) ist ein Krankheitsbild, das durch das Überschreiten der individuellen Histamin-Toleranzgrenze definiert wird. Dies wird im Regelfall durch einen Mangel des Histamin-abbauenden Enzyms Diaminooxidase (DAO) verursacht. Eine Aktivitätsminderung des zweiten Histamin-abbauenden Enzyms Histamin-N-Methyltransferase (HNMT) kann die Symptomatik verstärken. Eine HIT kann sich klinisch aber auch manifestieren, wenn der Organismus mit mehr Histamin belastet wird, als er gegenwärtig trotz normaler DAO-Aktivität abbauen kann.
Ursachen der Histaminintoleranz
Experten vermuten, dass eine erworbene oder (seltener) angeborene Störung des Histaminabbaus die Histaminintoleranz auslöst. Im Körper der Betroffenen fällt dann durch die körpereigene Produktion und/oder durch den Verzehr histaminreicher Nahrung mehr Histamin an, als vom Körper abgebaut werden kann. Sobald eine gewisse Schwelle überschritten wird, kommt es zu Beschwerden. Wie hoch dieser Histamin-Grenzwert liegt, ist individuell verschieden.
Genetische Ursachen
Bei einem primären DAO-Mangel führen genetische Varianten (Polymorphismen) zu einer reduzierten Aktivität des DAO-Enzyms. Indiziert ist die genetisch Untersuchung bei Patienten mit verminderter DAO-Aktivität im Blut und entsprechender klinischer Symptomatik, um zwischen einer genetisch bedingten oder sekundären und somit kausal behandelbaren reversiblen Form der Histaminintoleranz zu unterscheiden.
Sekundäre Ursachen
Eine häufige Ursache für einen sekundären DAO-Mangel sind entzündliche oder degenerative Darmerkrankungen, da die DAO zu mehr als 90 % aus den Darmepithelien stammt. Von einer sekundären Form spricht man aber auch, wenn durch Einwirkung von Medikamenten, Alkohol oder Toxinen die Aktivität der DAO gehemmt wird. Eine weitere Ursache für eine verminderte DAO-Aktivität kann ein Kupfermangel sein, da Kupfer als Zentralatom der DAO essentiell für dessen Funktion ist.
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Symptome der Histaminintoleranz
Histamin beeinflusst zahlreiche physiologische Prozesse im Körper, wodurch die Symptome der Intoleranz in fast allen Geweben und Organen auftreten können. Es gibt vier Haupttypen von Histaminrezeptoren (H1, H2, H3 und H4), die unterschiedliche Funktionen haben und in verschiedenen Körperbereichen vorkommen.
Zu den häufigsten Beschwerden gehören:
- Kopfschmerzen (38%)
- Hautrötungen (Flush) (36%; Hautrötungen im Gesichts- und Halsbereich)
- Bauchschmerzen (31%)
- Durchfall (26%)
- Nasenrinnen bzw. Nasenschleimhautschwellung (19%)
Neurologische Symptome
Ein HNMT-Mangel hat stattdessen eher Auswirkungen auf den Abbau des vergleichsweise konstant anfallenden intrazellulären körpereigenen Histamins. Das bewirkt eher chronische Formen der HIT, bei denen oft auch das Nervensystem betroffen ist. Als typische Symptome sind zu nennen Unruhe, Muskelzuckungen, Schlafstörungen, Müdigkeit, Schwindel und Angstzustände.
Polyneuropathie
Ein Gefühl, als würden Ameisen über die Beine laufen, Schmerzen oder fehlendes Temperaturempfinden in Händen oder Füßen - diese Symptome können Anzeichen für eine Polyneuropathie sein. Der Zusatz „Poly“ drückt aus, dass nicht nur ein einzelner Nerv, sondern mehrere Nerven oder ganze Nervenstrukturen geschädigt sind. Dadurch werden bei Betroffenen Reize zwischen Nerven, Rückenmark und Gehirn nicht mehr richtig weitergeleitet. Diese Funktionsstörung löst die typischen Beschwerden wie Schmerzen, Missempfindungen, Gefühlsstörungen oder Muskelschwäche aus.
Eine Polyneuropathie kann mit unterschiedlichen Symptomen einhergehen, je nachdem, welche Nerven von der Erkrankung betroffen sind. Mediziner und Medizinerinnen unterscheiden sensible, motorische und vegetative Polyneuropathien. Manche Menschen sind auch von mehreren Formen der Polyneuropathie gleichzeitig betroffen. Eine Polyneuropathie kann akut, sich schnell verschlechternd oder chronisch verlaufen.
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- Symptome der sensiblen Polyneuropathie: Sensible Nerven senden Informationen von der Haut zum Gehirn. Beeinträchtigungen können zu Empfindungsstörungen wie Ameisenlaufen, Brennen, Jucken, Taubheitsgefühlen oder Kribbeln führen. Auch ein vermindertes Temperatur- oder Schmerzempfinden ist möglich. Diese Form der Polyneuropathie merken Betroffene vor allem an Füßen oder Händen.
- Symptome der motorischen Polyneuropathie: Die motorischen Nerven leiten Signale vom Gehirn zu den Muskeln weiter. Eine Nervenschädigung kann Muskelschwäche, Muskelschmerzen, Muskelzucken oder Muskelkrämpfe verursachen.
- Symptome der vegetativen Polyneuropathie: Das vegetative Nervensystem ist Bestandteil des peripheren Nervensystems - es koordiniert automatisierte Körperfunktionen wie das Verdauen, Atmen oder Schwitzen. Eine vegetative Polyneuropathie steht unter anderem mit Beschwerden wie Schwindel, Blasenschwäche, Durchfall oder verstärktem Schwitzen in Verbindung - sie betrifft die Organfunktionen.
Die Nervenschädigung kann sich an einer oder beiden Körperhälften bemerkbar machen. Betroffene berichten neben körperlichen Symptomen auch von weiteren Beschwerden - Erschöpfungszustände sind bei einer Polyneuropathie ebenfalls möglich. Oft leiden Betroffene unter brennenden, schneidenden oder stechenden Schmerzen.
Zeitlicher Zusammenhang der Symptome
Bei der Histaminintoleranz treten Symptome normalerweise innerhalb von wenigen Minuten bis zu vier Stunden nach dem Verzehr histaminreicher Lebensmittel auf. Wenn die Beschwerden erst später auftreten, stehen sie vermutlich nicht direkt im Zusammenhang mit der Histaminintoleranz. Histamin gelangt schnell in den Dünndarm (innerhalb von 10-20 Minuten) und wird dort rasch aufgenommen oder abgebaut.
Diagnose der Histaminintoleranz
Die Diagnostik einer Histaminunverträglichkeit ist kompliziert. Viele Menschen suchen oft lange nach der Ursache ihrer Beschwerden, weil die Symptome unspezifisch sind. Das bedeutet: Sie können auch viele andere Ursachen haben. Es gibt keinen verlässlichen Labortest, der eine Histaminunverträglichkeit feststellen kann.
Anamnese
Zuerst wird sich der Arzt oder die Ärztin mit Ihrer Krankengeschichte (Anamnese) beschäftigen. Dazu gehören zum Beispiel Fragen zu Ihren aktuellen Beschwerden und eventuellen Vorerkrankungen. Mögliche Fragen sind:
- Leiden Sie unter allergischen Erkrankungen oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten?
- Haben Sie einen Zusammenhang zwischen Ihren Symptomen und dem Verzehr bestimmter Nahrungsmittel entdeckt oder führen Sie ein Ernährungstagebuch?
- Bessern sich die Symptome, wenn Sie auf diese Nahrungsmittel verzichten?
- Nehmen Sie regelmäßig oder bedarfsweise Medikamente ein?
- Bei Frauen: Stehen Ihre Beschwerden mit Ihrem Zyklus in Zusammenhang?
Ausschluss anderer Ursachen
Die Symptome, die bei einer Histaminintoleranz auftreten, können auch andere Ursachen (Differenzialdiagnosen) haben. Wer beispielsweise nach dem Essen oft Bauchschmerzen und vielleicht auch Durchfall hat, leidet möglicherweise an einer anderen Nahrungsmittelunverträglichkeit (etwa Laktoseintoleranz, Fruktoseintoleranz) oder einer Autoimmunerkrankung (wie Zöliakie). Auch eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa äußert sich mit ähnlichen Symptomen wie die Histaminintoleranz.
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Ernährungsumstellung
Mithilfe eines testweisen Ernährungsumstellung lässt sich der Verdacht auf Histaminintoleranz bestätigen oder entkräften. Gleichzeitig können Arzt oder Ärztin dadurch die individuell verträgliche Histamindosis für jeden Betroffenen abschätzen. Eine Ernährungsumstellung zur Ermittlung der persönlichen Toleranzschwelle für Histamin besteht aus drei Phasen: Karenzphase, Testphase und Dauerernährung. In allen Phasen berücksichtigt man neben der Ernährung individuelle Einflussfaktoren auf den Histaminspiegel wie Stress, Einnahme bestimmter Medikamente und Hormonstatus (Menstruation).
- Karenzphase: Ziel dieser ersten Phase der Ernährungsumstellung ist es, die Beschwerden weitestgehend zu reduzieren. Dazu ist es notwendig, dass die Patientin oder der Patient über zehn bis 14 Tage möglichst kein Histamin mit der Nahrung aufnimmt. Man spricht auch von Eliminationsphase.
- Testphase: Diese zweite Phase dauert bis zu sechs Wochen. In dieser Zeit baut man gezielt „verdächtige“ Lebensmittel langsam wieder in den Speiseplan ein. Parallel dazu notiert man in einem Ernährungstagebuch, welche Nahrungsmittel an den einzelnen Tagen gegessen wurden und ob Beschwerden aufgetreten sind.
- Dauerphase: Aus den Erkenntnissen des Provokationstests leiten Arzt oder Ärztin individuelle Ernährungsempfehlungen ab.
Weitere Tests
- DAO-Aktivitätsbestimmung: Die DAO-Aktivität kann im Serum gemessen werden. Der angewandte Labortest erfasst die Aktivität des DAO-Enzyms. Der in einigen Laboren eingesetzte DAO-ELISA-Test hingegen misst nur die DAO-Konzentration und weist daher die sekundäre Form der HIT nur unzureichend nach.
- Gesamt-Histamin im Blut: Das Gesamthistamin kann im Blut gemessen werden. Um ein Überschreiten der individuellen Histamin-Toleranzgrenze zu diagnostizieren, sollte die DAO-Aktivität immer zeitgleich mit dem Gesamthistamin im Blut analysiert werden.
- DAO-Genetik: Bei nachgewiesenem DAO-Mangel kann eine genetische Untersuchung zwischen primär und sekundär verursachtem Mangel differenzieren. Zudem kann auf eine Aktivitäts-mindernde genetische Variante der HNMT untersucht werden.
Behandlung der Histaminintoleranz
Es gibt keine Therapiemöglichkeit, um die Ursache einer Histaminunverträglichkeit zu bekämpfen. Menschen mit einer Histaminunverträglichkeit fragen sich oft, was sie essen dürfen. Auch auf Nahrungsmittel, die einen hohen Anteil anderer natürlicher Amine haben oder den Körper zur Histaminfreisetzung reizen, sollte verzichtet werden.
Vermeidung histaminreicher Lebensmittel
Ist eine verminderte DAO-Aktivität oder eine deutlich erhöhte Histaminbelastung nachgewiesen, müssen histaminreiche Nahrungsmittel gemieden werden. Was sie bei einer Histaminintoleranz essen dürfen und welche Lebensmittel sie meiden sollten, müssen Betroffene daher ausprobieren.
Behandlung sekundärer Ursachen
Bei Vorliegen einer sekundären Form der HIT, d.h. einer verminderten DAO-Aktivität trotz unauffälliger Genetik, sollte die Ursache dafür gefunden werden (chronisch-entzündliche Darmerkrankungen? Kupfermangel? Medikamenten- und Alkoholanamnese?), da die sekundäre Histaminintoleranz im Unterschied zur primären Form meist reversibel ist.
Medikamentöse Therapie
Eine rein symptomatische Therapie durch die Gabe von H1-Rezeptorblockern sollte nur eine vorübergehende Maßnahme sein. Medikamente können zusätzlich helfen, die Mastzellen zu stabilisieren, die Produktion der Mediatoren zu hemmen und freigesetzte Mediatoren zu blockieren.
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