Die Diagnose von Demenz ist ein komplexer Prozess, der verschiedene Methoden und Verfahren umfasst. Da die meisten Demenzerkrankungen schleichend beginnen und oft lange unbemerkt bleiben, ist eine frühzeitige und genaue Diagnose entscheidend, um Betroffenen und ihren Familien Klarheit zu verschaffen und geeignete Behandlungs- und Unterstützungsmaßnahmen einzuleiten.
Einleitung
Wenn sich Gedächtnis oder andere kognitive Fähigkeiten dauerhaft und auffällig verschlechtern, ist es wichtig, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die erste Anlaufstelle ist meist die hausärztliche Praxis, wo erste Schritte zur Abklärung eingeleitet werden. Ziel der Demenzdiagnostik ist es, die Ursache der kognitiven Beeinträchtigungen zu ermitteln und verschiedene Demenzformen voneinander abzugrenzen, um eine spezifische Behandlung und Betreuung zu ermöglichen.
Der Weg zur Diagnose
1. Ärztliches Erstgespräch (Anamnese)
Am Anfang steht ein ausführliches Gespräch mit der Ärztin oder dem Arzt. Dabei werden aktuelle Beschwerden, Vorerkrankungen, eingenommene Medikamente und mögliche Risikofaktoren erfragt. Es ist ratsam, eine nahestehende Person zum Gespräch mitzubringen, die zusätzliche Informationen liefern kann. Die Ärztin oder der Arzt entscheidet dann gemeinsam mit Ihnen, welche weiteren Untersuchungen nötig sind.
2. Körperliche Untersuchung
Um Hinweise auf spezifische Erkrankungen zu finden, die die Beeinträchtigungen erklären können, führt die Ärztin oder der Arzt eine körperliche Untersuchung durch. Reflexe, Koordination, Gedächtnisleistung, Sprache und Orientierung werden überprüft.
3. Kognitive Tests
Kognitive oder neuropsychologische Tests geben wichtige Hinweise auf das Vorliegen einer Demenzerkrankung. Diese Tests überprüfen verschiedene Bereiche der geistigen Leistungsfähigkeit, darunter das Erinnerungsvermögen, die Aufmerksamkeit, die sprachlichen Fähigkeiten, die Orientierung und die Fähigkeit, Situationen im Kopf durchzuspielen und zu planen.
Lesen Sie auch: Karriereperspektiven für Neurochirurgen
Beispiele für kognitive Tests:
- Demenz-Detektions-Test (DemTect): Ein einfaches Verfahren, das wenig Vorwissen erfordert und das Alter des Patienten berücksichtigt.
- Mini-Mental-Status-Test (MMST): Ein etwas aufwändigerer, aber aussagekräftigerer Test, der häufig von geschultem Personal in Arztpraxen und Krankenhäusern verwendet wird.
- Montreal-Cognitive-Assessment-Test (MoCa-Test): Sollte von geschultem Personal durchgeführt werden.
- Uhrentest: Ein einfacher Test, bei dem die Testperson eine Uhr mit vorgegebener Zeit zeichnen soll.
- Test zur Früherkennung von Demenzen mit Depressionsabgrenzung (TFDD): Dient vor allem dazu, eine Depression als mögliche Ursache auszuschließen.
- Syndrom-Kurztest (SKT): Erfasst vor allem Beeinträchtigungen des Gedächtnisses, der Aufmerksamkeit und der Informationsverarbeitung.
- Kurztest: Dabei werden drei Wörter vorgegeben, z. B. "Auto, Blume, Kerze", gefolgt von einer kleinen Rechenaufgabe, um Aufmerksamkeit und Konzentration zu prüfen. Anschließend wird nach den zuvor genannten Wörtern gefragt.
- Ausführlicher Gedächtnistest: Hierbei müssen 15 Wörter mehrmals hintereinander gelernt werden, gefolgt von einer zweiten Wortliste. Nach einer Pause wird das Erinnerungsvermögen für die erste Wortliste erneut abgefragt.
4. Bildgebende Verfahren
Bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT) oder die Computertomographie (CT) ermöglichen es, Veränderungen im Gehirn sichtbar zu machen.
Magnetresonanztomographie (MRT)
Die MRT ist ein bildgebendes Verfahren, das ohne Röntgenstrahlen auskommt. Sie erzeugt detaillierte Bilder des Gehirns und kann Veränderungen wie den Abbau von Hirnstrukturen oder Durchblutungsstörungen sichtbar machen. Bei Verdacht auf Alzheimer kann gezielt das Volumen des Hippocampus gemessen werden, ein Areal, das für Gedächtnisleistungen wichtig ist.
Computertomographie (CT)
Bei der CT werden Aufnahmen mithilfe von Röntgenstrahlen erzeugt. Sie ist im Vergleich zur MRT schneller und geräuschlos, liefert aber weniger detaillierte Bilder.
Nuklearmedizinische Untersuchungen
Nuklearmedizinische Untersuchungen, wie die Positronen-Emissions-Tomographie (PET), ermöglichen Bilddarstellungen des Gehirns. Durch schwach radioaktiv markierte Kontrastmittel können der Gehirnzellstoffwechsel und alzheimertypische Amyloidablagerungen dargestellt werden.
5. Laboruntersuchungen
Eine Blutuntersuchung wird durchgeführt, um verschiedene Erkrankungen auszuschließen, die zu Gedächtnisstörungen führen können. Hierzu werden auch Schilddrüsenwerte oder der Vitaminspiegel (z. B. Vitamin B12) untersucht.
Lesen Sie auch: Fortgeschrittene Demenz: Ein umfassender Überblick
6. Untersuchung des Nervenwassers (Liquor)
Die Untersuchung des Nervenwassers, auch Liquor cerebrospinalis genannt, kann bei der Diagnose von Demenz hilfreich sein. Mittels einer Lumbalpunktion wird eine Probe des Nervenwassers entnommen und im Labor untersucht. Dabei werden bestimmte Eiweiße bestimmt, die als Nachweis der Alzheimer-Krankheit dienen können.
7. Weitere Untersuchungen
Abhängig von der vermuteten Demenzform können weitere Untersuchungen sinnvoll sein:
- Alzheimer-Krankheit: Der Nachweis bestimmter Proteine (Amyloid-beta, Tau) im Nervenwasser oder Blut kann die Diagnose absichern.
- Frontotemporale Demenz: Bildgebende Verfahren (MRT) sind besonders wichtig, um den für diese Form typischen Abbau im Stirn- oder Schläfenlappen zu erkennen. Bei familiärer Vorbelastung wird eine genetische Beratung empfohlen.
- Lewy-Körperchen-Demenz: Hier helfen zusätzliche Untersuchungen, etwa zur Beweglichkeit oder zum Schlafverhalten. Auch spezielle bildgebende Verfahren wie DAT-SPECT oder MIBG-Szintigrafie können zum Einsatz kommen. Typische Symptome wie Halluzinationen oder Schwankungen in der Aufmerksamkeit werden gezielt abgefragt oder getestet.
- Vaskuläre Demenz: Die Diagnose basiert auf MRT-Aufnahmen, die Durchblutungsstörungen, Gefäßveränderungen oder Schlaganfälle zeigen. Wichtig ist dabei, ob sich die Veränderungen im Gehirn mit den beobachteten kognitiven Einschränkungen erklären lassen. Auch medizinische Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder Diabetes werden bei der Abklärung einbezogen.
8. Genetische Beratung und Testung
Bei den meisten Demenzformen handelt es sich nicht um genetisch bedingte Krankheiten im engeren Sinn. Daher werden genetische Untersuchungen in der Regel nicht durchgeführt. Bei einem sehr geringen Anteil der Betroffenen (besonders mit mehreren Erkrankten in einer Familie oder bei Erkrankungsbeginn in jungem Alter) kommen jedoch Veränderungen in speziellen Genen vor. Sollte Ihre Ärztin oder Ihr Arzt diese Vermutung haben, kann Ihnen zu einer genetischen Blutuntersuchung geraten werden.
Differenzialdiagnose
Es ist wichtig, andere Ursachen für kognitive Beeinträchtigungen auszuschließen, wie beispielsweise Depressionen, Stoffwechselstörungen oder Medikamentennebenwirkungen. Der TFDD-Test (Test zur Früherkennung von Demenzen mit Depressionsabgrenzung) dient vor allem dazu, eine Depression als mögliche Ursache auszuschließen, da Depressionen ähnliche Symptome wie Demenz haben und in Tests zu ähnlichen Ergebnissen führen können.
Herausforderungen in der Demenzdiagnostik
Während die Alzheimer-Krankheit mittlerweile sehr gut zu Lebzeiten eindeutig diagnostiziert werden kann, sind andere, seltenere Demenzen diagnostisch nach wie vor eine Herausforderung - zum Beispiel die Frontotemporale Demenz oder die Chronisch Traumatische Enzephalopathie (CTE), die durch Kopfverletzungen hervorgerufen wird. Hier kann oft erst eine Untersuchung des Gehirns nach dem Tod endgültig Gewissheit bringen. Die Forschung arbeitet daran, auch diese Diagnosen frühzeitig und eindeutig zu ermöglichen.
Lesen Sie auch: Wechselwirkungen zwischen Schmerzmitteln und Demenz
Die Rolle der Früherkennung
Eine frühe Diagnose von Demenz ist aus mehreren Gründen wichtig:
- Therapie: Bekannte Therapieverfahren wirken nur in bestimmten Phasen der Erkrankung, vor allem in den sehr frühen Stadien.
- Planung: Betroffene und ihre Familien können sich frühzeitig auf die Erkrankung einstellen und Vorkehrungen treffen.
- Lebensqualität: Eine frühe Diagnose ermöglicht es, die Lebensqualität der Betroffenen so lange wie möglich zu erhalten.
- Erklärung: Die Diagnose Demenz bietet eine Erklärung für bislang unerklärliches Verhalten und andere Auffälligkeiten.
- Forschung: Die Teilnahme an klinischen Studien kann dazu beitragen, neue Therapien zu entwickeln.
Die Zukunft der Demenzdiagnostik
Weltweit arbeiten Demenzforscherinnen und -forscher daran, die Diagnose von Demenzerkrankungen zu verbessern. Ein wichtiges Ziel ist es, Demenzerkrankungen wie Alzheimer früher zu erkennen. Die Forschung konzentriert sich dabei auf die Entwicklung von Biomarkern, die im Blut oder Nervenwasser nachgewiesen werden können, sowie auf verbesserte bildgebende Verfahren, die Veränderungen im Gehirn früher und genauer erkennen können.
MRT zur Früherkennung von Demenz: Eine kritische Betrachtung
Die Magnetresonanztomographie (MRT) wird auch zur Früherkennung von Demenz eingesetzt. Allerdings ist der Nutzen dieser Untersuchung bei Menschen ohne konkrete Symptome umstritten. Der IGeL-Monitor bewertet die MRT-Untersuchung zur Früherkennung einer Alzheimer-Demenz bei Menschen, die sich geistig fit fühlen, mit „tendenziell negativ“. Es gibt keine Studien, die zeigen, dass eine MRT zur Früherkennung von Demenz nützt. Zudem kann eine MRT-Untersuchung auch zu unnötiger Beunruhigung führen, wenn ein auffälliger Befund festgestellt wird, der sich später nicht zu einer schweren Demenz entwickelt.
tags: #Demenz #feststellen #methoden