Altersdepression, Demenz und Pseudodemenz: Ein umfassender Überblick

Depressionen und Demenzen sind die häufigsten psychiatrischen Erkrankungen im Alter und treten oft gemeinsam auf. Etwa jeder fünfte Mensch mit Demenz leidet auch an einer deutlichen depressiven Störung. Dies beeinträchtigt die Lebensqualität von Patienten und Angehörigen erheblich. Umgekehrt ist auch das Risiko für depressive Störungen bei Menschen mit Demenz deutlich erhöht.

Depressionen und Demenz: Ein komplexes Zusammenspiel

Depressionen und Demenzen beeinflussen sich gegenseitig. Depressionen erhöhen das Risiko für Demenzen, und dieses Risiko ist größer als bei anderen chronischen Erkrankungen. Umgekehrt ist auch das Risiko für depressive Störungen bei Menschen mit Demenz deutlich erhöht. Depressive Störungen beeinträchtigen die kognitiven Fähigkeiten, Alltagsfunktionen (ADL) und die soziale Kompetenz von Menschen mit Demenz zusätzlich und lassen sie noch dementer erscheinen.

Symptome von Demenz und Depression: Eine Herausforderung für die Diagnose

Die Diagnose, ob primär eine Depression oder eine Demenz vorliegt oder beides, ist nicht immer einfach. Für eine Demenz sprechen folgende klinische Merkmale:

  • Desorientiertheit - Patienten finden sich in ihrer Umgebung nicht mehr zurecht.
  • Konfabulationen - Betroffene versuchen, Informationen aus ihrem Gedächtnis abzurufen, die nicht mehr gespeichert werden konnten.
  • Ein zeitlich unscharfer Beginn der Erkrankung.
  • Hirnwerkzeugstörungen (Störungen von Hirnfunktionen), die sich in Form von Sprach- und Bewegungsstörungen wie Aphasie und Apraxie bemerkbar machen.

Für eine zusätzliche schwerere Depression bei Demenz sprechen:

  • Schuldgefühle
  • Lebensüberdrussgedanken oder Lebensmüdigkeit bis hin zum Wunsch, sich selbst zu töten (Suizidalität)
  • Schlaflosigkeit
  • Gewichtsverlust
  • Interessensverlust
  • Psychomotorische Hemmung oder auch Agitation - Erkrankten fällt es sehr schwer, sich zu bewegen, oder sie sind extrem unruhig
  • Ausgeprägte Konzentrationsstörungen

Depressionen im Alter: Eine besondere Form der Depression

Depressionen können in jedem Alter auftreten. Wenn sie erst im höheren Lebensalter beginnen, spricht man häufig von einer Altersdepression. Gemeint ist damit keine eigene Krankheit, sondern eine Form der Depression mit alterstypischen Auslösern - und Symptomen, die oft übersehen werden. Denn bei älteren Menschen zeigen sich Depressionen oft anders als bei Jüngeren. Die typischen Anzeichen wie Traurigkeit oder Niedergeschlagenheit treten weniger deutlich auf - oder werden bewusst überspielt. Auch körperliche Beschwerden wie Schmerzen, Schwindel, Schlafprobleme oder Verdauungsstörungen können auf eine Depression hinweisen - und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Zu den häufigsten Auslösern im Alter gehören gesundheitliche Einschränkungen, der Verlust von Selbstständigkeit oder Mobilität sowie einschneidende Veränderungen wie der Renteneintritt, der Auszug der Kinder oder der Tod nahestehender Personen.

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Wenn eine Depression das Denken verändert: Pseudodemenz

Depressionen beeinflussen nicht nur die Stimmung, sie können auch das Denken verändern. Viele ältere Menschen mit Depressionen wirken vergesslich, unkonzentriert oder unsicher. Manchmal verlangsamen sich auch Sprache und Bewegungen. Orientierung und logisches Denken bleiben aber meist erhalten. Trotzdem entsteht gerade bei älteren Menschen schnell der Eindruck, es könne sich um eine beginnende Demenz handeln. Fachleute sprechen in solchen Fällen von einer „Pseudodemenz“ - einer kognitiven Beeinträchtigung, die durch eine Depression entsteht.

Depression vs. Demenz: Typische Merkmale zur Unterscheidung

Depression und Demenz können sich im höheren Lebensalter auf sehr ähnliche Weise zeigen. Vergesslichkeit, Konzentrationsprobleme, Antriebslosigkeit - all das kann bei beiden Erkrankungen auftreten. Kein Wunder also, dass eine eindeutige Diagnose oft schwierig ist. Trotzdem gibt es typische Merkmale, die eine Unterscheidung erleichtern. Ein zentraler Unterschied: Menschen mit einer Depression nehmen ihre kognitiven Einschränkungen meist sehr bewusst wahr und sprechen diese auch an. Viele äußern Sätze wie „Ich kann mich auf nichts mehr konzentrieren.“ oder „Ich weiß gar nichts mehr.“ Menschen, die an einer Demenz erkrankt sind, erkennen ihre Ausfälle oft nicht - oder spielen sie herunter. Auch beim Gedächtnis zeigen sich Unterschiede: Bei der Depression treten Gedächtnisprobleme oft nur phasenweise auf und können durch Stress verstärkt werden. Auch bei Menschen mit Demenzerkrankungen wie Alzheimer kann sich im Verlauf zusätzlich eine Depression entwickeln.

Behandlung von Depressionen bei Demenz

Auch wenn die Diagnose manchmal schwierig ist: Eine Depression lässt sich auch bei bestehender Demenz behandeln. Ziel ist es, die Stimmung zu stabilisieren, Unruhe und Rückzug zu verringern - und die Lebensqualität spürbar zu verbessern. Im Vordergrund stehen nicht-medikamentöse Maßnahmen. Dazu gehören strukturierende Tagesabläufe, Bewegung, Musik, Gespräche, kreative Angebote oder soziale Kontakte. Diese Ansätze sind individuell anpassbar und können sich positiv auf Stimmung, Schlaf und Antrieb auswirken. In bestimmten Fällen kann auch eine medikamentöse Behandlung sinnvoll sein: Antidepressiva wie Mirtazapin oder Sertralin gelten als gut verträglich und beeinflussen die kognitive Leistungsfähigkeit nicht negativ.

Depressionen bei Demenz: Was tun als Angehöriger?

Wenn Menschen mit Demenz zusätzlich an einer Depression erkranken, ist das für Angehörige oft besonders belastend. Rückzug, Traurigkeit, körperliche Beschwerden oder Hoffnungslosigkeit lassen sich schwer einordnen, vor allem, wenn die betroffene Person sich nicht mehr klar äußern kann. Angehörige übernehmen in dieser Situation eine wichtige Rolle: Sie können aufmerksam beobachten, verständnisvoll begleiten und dabei helfen, dass professionelle Unterstützung in Anspruch genommen wird.

  • Ermutigen Sie zu ärztlicher Hilfe. Erklären Sie, dass eine Depression keine Schwäche ist, sondern eine behandelbare Erkrankung.
  • Achten Sie auf mögliche Nebenwirkungen von Medikamenten. Einige Wirkstoffe können depressive Symptome verstärken - sprechen Sie dies offen im Arztgespräch an, gerade auch, wenn mehrere Medikamente gleichzeitig eingenommen werden.
  • Fördern Sie soziale Kontakte. Einsamkeit verstärkt Depressionen. Gespräche, Gruppentreffen oder Selbsthilfeangebote können insbesondere zu Beginn der Erkrankung entlasten.
  • Achten Sie auf Bewegung. Körperliche Aktivität hilft nachweislich bei depressiven Symptomen. Selbst kleine Bewegungseinheiten können die Stimmung und die mentale Gesundheit verbessern.
  • Vermeiden Sie große Veränderungen. Ein Umzug, der Verlust einer vertrauten Bezugsperson oder andere tiefgreifende Veränderungen können Ängste und depressive Phasen verschärfen.
  • Schaffen Sie Sicherheit. Vermeiden Sie stressige Themen wie Geld, die Demenzerkrankung oder die damit verbundenen Einschränkungen. Auch Lärm oder Orte mit vielen Menschen können überfordern.
  • Bieten Sie einfache, sinnvolle Beschäftigung an. Kochen, musizieren oder gärtnern - das, was früher Freude gemacht hat, kann helfen. Wichtig ist: nicht überfordern.
  • Gestalten Sie den Alltag so ruhig und angenehm wie möglich.

Depressionen als Risikofaktor für Demenz

Wissenschaftliche Studien zeigen: Menschen, die im Laufe ihres Lebens an einer Depression erkranken, haben ein erhöhtes Risiko, im Alter eine Demenz zu entwickeln. Besonders auffällig ist dieser Zusammenhang bei Depressionen, die im mittleren Lebensalter auftreten. Warum Depressionen das Risiko für eine Demenz steigern, ist noch nicht vollständig geklärt. Fachleute vermuten mehrere Ursachen:

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  • Menschen mit Depressionen ziehen sich oft sozial zurück, bewegen sich weniger und vernachlässigen ihre Gesundheit.
  • Zusätzlich steht ein dauerhaft erhöhter Spiegel des Stresshormons Cortisol im Verdacht, Entzündungsprozesse im Gehirn zu fördern und Nervenzellen zu schädigen.

Die gute Nachricht: Wer seine Depression frühzeitig behandeln lässt - ob mit Medikamenten, Psychotherapie oder einer Kombination - kann das Risiko senken.

Altersdepression: Ursachen und Risikofaktoren

Wissenschaftler sind der Meinung, dass für das Entstehen einer Depression verschiedene psychosoziale, biologische und genetische Faktoren der Grund sind. Ist die genetische Veranlagung für Depressionen vorhanden, kann die Krankheit jederzeit ausbrechen. Schwerwiegende Verlusterlebnisse können einen starken Einfluss auf die Psyche eines alten Menschen haben. Der Tod nahestehender Personen oder des Partners, der Verlust von Erfolg und Anerkennung, der Verlust von Zuwendung, der sich verschlechternde Gesundheitszustand, der Verlust der Wohnung oder des Besitzes, der Verlust langjähriger sozialer Kontakte, fehlende Anerkennung und mangelnde Erfolgserlebnisse sowie die seelische Verletzbarkeit bzw. die Persönlichkeitseigenschaften der alten Menschen sind ebenfalls entscheidend, wie stark jemand dafür anfällig ist, an Depressionen zu erkranken. Ein biochemisches Ungleichgewicht im Gehirn, traumatische Erlebnisse aus der Jugend oder der Kindheit und die Einnahme oder das Absetzen von Medikamenten können ebenfalls die Ursache für das Entstehen einer Altersdepression sein.

Diagnose und Differenzialdiagnose

Selbst für einen erfahrenen Arzt ist es schwer, eine Altersdepression bei einem geriatrischen Patienten zu erkennen, da dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit in erster Linie seine körperlichen Beschwerden ansprechen wird. Hinzu kommt noch, dass die Symptome aufgrund des hohen Alters des Patienten nicht selten falsch interpretiert werden. Die Diagnostik umfasst Blutuntersuchungen, um eine Erkrankung der Schilddrüse und andere Krankheiten, die ein hormonelles Ungleichgewicht verursachen, auszuschließen, eine Gehirnuntersuchung (MRT/EEG) und einen genauen Überblick darüber, welche Medikamente der von einer Altersdepression betroffene Mensch einnehmen muss. Neben den körperlichen Beschwerden wird der Arzt den Patienten auch direkt zu seinen näheren Lebensumständen befragen.

Behandlungsmethoden

Wie eine Altersdepression am effizientesten behandelt werden kann, hängt von deren Schweregrad ab. Während für einige geriatrische Patienten eine psychotherapeutische Behandlung ausreichend ist, sind andere auf medikamentöse Hilfe angewiesen. Es gibt auch ausreichende Belege dafür, dass die kognitive Verhaltenstherapie auch bei älteren Menschen wirksam ist. Leider ist der Anteil über 60-jähriger Patienten in Psychotherapie mit gerade mal 6 % noch sehr gering.

Suizidalität im Alter

Das Suizidrisiko steigt mit zunehmendem Alter, insbesondere bei Männern, an. Etwa 35 % aller Suizide werden von Menschen über 65 Jahren verübt. Ihr Anteil an der Bevölkerung beträgt dagegen nur ca. 21 %. Die Gründe für die dramatische Zunahme des Suizidrisikos bei älteren Männern sind nicht vollständig geklärt. Ein Faktor dürfte zumindest sein, dass Depression insbesondere bei älteren Männern noch häufig nicht oder nur sehr unzureichend behandelt wird.

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Die Rolle der Angehörigen

Personen in der unmittelbaren Umgebung bemerken meist als erste, dass Betroffene sich anders verhalten. Nehmen Sie die Beschwerden der betroffenen Person ernst, unterstützen Sie Ihren Angehörigen dabei, passives und inaktives Verhalten zu überwinden, aktivieren Sie die Person, indem Sie positive Erfahrungen steigern, helfen Sie Ihrem Angehörigen dabei, seinen Tag zu strukturieren, bauen Sie für Ihren depressiven Angehörigen ein funktionierendes Versorgungs- und Unterstützungssystem auf, bemühen Sie sich, den familiären und partnerschaftlichen Austausch zu verbessern, helfen Sie der Person dabei, Vergangenes besser zu bewältigen, machen Sie deutlich, worauf man stolz sein kann und stellen Sie Veränderungen, die ohne eigenes Wollen erforderlich wurden, heraus. Vermeiden Sie Phrasen wie „Du musst positiv denken“ und versuchen Sie nicht, krampfhaft die Stimmung aufzuhellen. Suchen Sie Adressen von Therapeuten in ihrer Nähe heraus und stellen Sie diese Ihrem Angehörigen zur Verfügung.

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