Die Demenz ist ein fortschreitender Verlust der geistigen Leistungsfähigkeit, der den Alltag der Betroffenen beeinträchtigt. In Deutschland sind nach Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. etwa 1,6 Millionen Menschen von Demenz betroffen. Es gibt verschiedene Formen der Demenz, darunter die Alzheimer-Krankheit und die vaskuläre Demenz, wobei die Alzheimer-Krankheit die häufigste Form darstellt. Die Unterscheidung zwischen der Alzheimer-Krankheit und anderen Demenzformen ist nicht immer eindeutig, da Mischformen beider Demenzarten vorkommen können.
Vaskuläre Demenz: Ursachen und Formen
Eine vaskuläre Demenz ist eine Form der Demenzerkrankung, die durch Durchblutungsstörungen des Hirngewebes verursacht wird. Nach Angaben der Stiftung Gesundheitswissen leiden in Deutschland etwa 250.000 Menschen an einer vaskulären Demenz, was etwa 0,3 Prozent der Bevölkerung entspricht. Damit ist sie die zweithäufigste Demenzform nach der Alzheimer-Demenz.
Die vaskuläre Demenz wird durch Durchblutungsstörungen im Gehirn (=zerebrale Ischämien) verursacht. Durch die Durchblutungsstörungen werden Nervenzellen zerstört und sterben ab. Es gibt verschiedene Formen einer vaskulären Demenz, darunter:
- Multi-Infarkt-Demenz: Sie entsteht durch wiederholte kleine Schlaganfälle, die zum Absterben von Hirnzellen führen. Die Multi-Infarkt-Demenz beginnt meist plötzlich und schreitet in der Regel stufenweise fort. Die Krankheitssymptome sind denen der Alzheimer-Krankheit sehr ähnlich, es können aber zusätzlich körperliche Störungen wie Taubheitsgefühle oder Lähmungserscheinungen auftreten.
- Subkortikale vaskuläre Demenz: Diese Form wird durch eine Wandverdickung in kleinen Blutgefäßen im Gehirn (Arteriosklerose) verursacht, die die tiefen Hirnstrukturen mit Blut versorgen. Bluthochdruck ist der wichtigste Risikofaktor. Die Gefäßerkrankung bewirkt kleine Infarkte (Lakunen) und eine Schädigung der Nervenfasern (Marklagerschäden).
- "Strategic infarct dementia": Dabei kommt es zu Durchblutungsstörungen an strategisch wichtigen Stellen des Gehirns, wie z.B. dem Thalamus oder der Basalganglien.
- Amyloidangiopathie: Hierbei kommt es zu einem Nebeneinander von Hirninfarkten und Einblutungen in das Gehirngewebe.
Männer sind häufiger von der vaskulären Demenz betroffen als Frauen.
Symptome der vaskulären Demenz
Die Symptome einer vaskulären Demenz können je nach Art und Lokalisation der Hirnschädigung variieren. Sie treten selten schlagartig auf, beispielsweise im direkten Zusammenhang mit einem Schlaganfall. Viel häufiger sind die Beschwerden schleichend und werden von den Betroffenen und ihren Angehörigen zunächst nicht wahrgenommen. Im Laufe der Erkrankung nehmen die Symptome zu. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
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- Gedächtnisprobleme: Insbesondere das Kurzzeitgedächtnis ist betroffen. Betroffene vergessen beispielsweise gerade erst Erlebtes oder können sich nicht an Termine erinnern.
- Aufmerksamkeitsstörungen: Es fällt schwer, sich zu konzentrieren und Aufgaben zu Ende zu führen.
- Verlangsamtes Denken: Das Denken ist verlangsamt und die Verarbeitung von Informationen dauert länger.
- Sprachstörungen: Es treten Wortfindungsstörungen auf oder die Sprache ist verwaschen.
- Probleme mit der räumlichen Orientierung: Betroffene verirren sich in vertrauter Umgebung oder haben Schwierigkeiten, sich in neuen Umgebungen zurechtzufinden.
- Verhaltensänderungen: Es kann zu Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, Aggressivität oder Apathie kommen.
- Neurologische Symptome: Zusätzlich können neurologische Symptome auftreten, wie z.B. Halbseitenlähmungen, Sehstörungen oder epileptische Anfälle. Ferner kann sich eine Gangstörung entwickeln mit Bewegungsarmut, kleinen Schritten und Muskelsteifigkeit, die in ihrer Art an eine Parkinson-Erkrankung erinnert.
Es ist wichtig zu beachten, dass alle aufgeführten Symptome auch andere Ursachen haben können und es kein „sicheres“ oder „beweisendes“ Symptom für eine vaskuläre Demenz gibt.
Diagnose der vaskulären Demenz
Bei Verdacht auf eine vaskuläre Demenz ist eine umfassende medizinische Untersuchung erforderlich, um die Diagnose zu sichern und andere mögliche Ursachen für die Beschwerden auszuschließen. Die Diagnose einer Demenz beruht auf vielen einzelnen Untersuchungen. Für die sichere Diagnosestellung einer Demenz müssen die Symptome mindestens 6 Monate lang bestehen. Das bedeutet aber nicht, dass Untersuchungen erst nach dieser Zeit eingeleitet werden dürfen. Die Aufgabe des Arztes ist einerseits, die Diagnose einer Demenz zu stellen. Zu den wichtigsten diagnostischen Schritten gehören:
- Anamnese: Der Arzt wird im Anamnesegespräch versuchen, mehr über die Beschwerden und die Krankengeschichte des Patienten herauszufinden. Der Arzt wird sich über vorhandene Vorerkrankungen informieren. Auch Informationen zu eingenommenen Medikamenten sind wichtig. Kirstin Puchner berichtet, dass der Weg zur Demenz-Diagnose ihres Mannes recht lang und nicht gerade unbeschwerlich war. Von den ersten Anzeichen bis zur Diagnose hat es gut drei Jahre gedauert. Außerdem wollte ihr Mann nicht direkt zum Arzt - da musste sie schon einiges an Tricks anwenden, damit er sich untersuchen lässt.
- Körperliche Untersuchung: Nach einem ausführlichen Anamnesegespräch folgt eine körperliche Untersuchung, die sowohl das Herz-/Kreislaufsystem als auch eine neurologische Untersuchung beinhaltet. Bei einem Verdacht auf eine vaskuläre Demenz wird vor allem das Herz-Kreislauf-System untersucht, also Blutdruck, Herzgeräusche und Herzgröße. Ebenso wichtig ist der neurologische Status, der die Koordination, Motorik, den Tastsinn und den Gleichgewichtssinn umfasst. Medizinische Demenztests dienen der Beurteilung der geistigen Leistungsfähigkeit. Dabei werden bestimmte geistige Leistungsbereiche, wie Gedächtnis und die Konzentrationsfähigkeit getestet.
- Neuropsychologische Untersuchung: Die Hirnleistung wird durch eine sogenannte neuropsychologische Untersuchung überprüft. Die ausführliche kognitive Testung erfolgt mit standardisierten Fragebögen durch neuropsychologisches Personal.
- Bildgebende Diagnostik: Eine bildgebende Diagnostik mittels CT (Computertomografie) oder MRT (Kernspintomografie) ist wichtig, um eine andere zugrundeliegende Erkrankung auszuschließen, die einer Demenz ähnelt. Beispiele sind Hirntumore, Entzündungen des Gehirngewebes oder Einblutungen. CT und MRT des Kopfes liefern Schichtaufnahmen des Gehirns, der Knochen sowie der Blutgefäße. Bei der PET werden mittels radioaktiv markierter Substanzen bestimmte Funktionsprozesse des Gehirns dargestellt, wie der Stoffwechsel von Sauerstoff und Zucker. Kirstin Puchner bestand darauf, dass eine MRT vom Kopf ihres Mannes gemacht wird. Der Radiologe hat im Befundgespräch darauf aufmerksam gemacht, dass bereits Veränderungen im Gehirn sichtbar sind, die durch Durchblutungsstörungen ausgelöst wurden.
- Ultraschalluntersuchungen: Mithilfe von Ultraschalluntersuchungen werden Verengungen (Stenosen) der hirnversorgenden Blutgefäße erkannt. Mit Ultraschalluntersuchungen der Blutgefäße am Hals und Kopf stellen Ärzte fest, ob die Gefäße verschlossen sind oder ob der Blutfluss zum Gehirn beeinträchtigt ist.
- Labortests: Außerdem werden Labortests durchgeführt. Mittels einer dünnen Nadel entnehmen Ärzte zwischen den Wirbelkörpern im Lendenwirbelbereich eine Probe des Nervenwassers. Im Anschluss wird untersucht, ob in der Probe Entzündungszellen oder demenztypische Eiweiße vorhanden sind.
Es gibt spezielle Gedächtnisambulanzen oder Gedächtnissprechstunden in Krankenhäusern, die auf kognitive Störungen spezialisiert sind. Dort klären ärztliche Teams die Ursache für Gedächtnis- oder Sprachprobleme ab.
Therapie der vaskulären Demenz
Demenzerkrankungen und damit die vaskuläre Demenz sind nicht heilbar. Eine bereits vorhandene Hirnschädigung lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Ziel ist es, die Lebensqualität des Betroffenen möglichst lange gut zu erhalten und Selbstständigkeit möglichst lange zu gewährleisten. Säulen der Therapie sind zum einen die medikamentöse, zum anderen die nicht medikamentöse Behandlung.
Medikamentöse Therapie
Ziel der medikamentösen Therapie bei vaskulärer Demenz ist die Vorbeugung vor weiteren Hirninfarkten. Dazu werden folgende Medikamente eingesetzt:
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- Blutdrucksenkende Medikamente: Ein nicht behandelter Bluthochdruck ist ein Hauptrisikofaktor für Schlaganfälle und kann das Fortschreiten der Demenz beschleunigen.
- Blutzuckersenkende Medikamente: Ein nicht behandelter oder schlecht eingestellter Diabetes mellitus (Blutzuckererkrankung) ist ein Risikofaktor für Schlaganfälle.
- Blutverdünnende Medikamente: Sie verhindern ein Zusammenballen der Blutplättchen oder verzögern die Blutgerinnung und schützen damit vor einer Gerinnselbildung im Blut.
Für spezifische Medikamente (sogenannte „Antidementiva“), die insbesondere bei der Behandlung der Alzheimer-Demenz eingesetzt werden, konnte kein Nutzen in der Therapie der vaskulären Demenz nachgewiesen werden.
Nicht-medikamentöse Therapie
Es gibt verschiedene Ansätze, eine vaskuläre Demenz ohne Medikamente zu behandeln. Behandlungsmöglichkeiten wie Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie können helfen, die kognitiven Fähigkeiten und somit die Lebensqualität der Patientin oder des Patienten zu verbessern. Auch Musiktherapie, Erinnerungsarbeit und Krankengymnastik können Betroffenen helfen. Vaskuläre Demenz kann mit Gesprächen (kognitive Stimulation) oder Erinnerungsarbeit (autobiographische Arbeit) behandelt werden. Körperliche Betätigung oder Kunsttherapie können geeignete Behandlungsmethoden darstellen.
Unterstützung der Angehörigen
Angehörige von Patienten mit vaskulärer Demenz leiden mit den Betroffenen gemeinsam. Die Erkrankung betrifft die gesamte Familie. Viele Angehörige erleben ein Gefühlschaos aus Schmerz und Mitleid, aber auch Hilflosigkeit, Ärger, Wut und Trauer. Die Pflege eines Demenzkranken erfordert viel Geduld und Kraft. Die Unterstützung der Angehörigen ist enorm wichtig. Kirstin Puchner teilt ihr Wissen und ihre Erfahrungen als Mitglied im Netzwerk Pflege zuhause von pflege.de. Sie hat wertvolle Tipps für den Umgang mit Menschen mit Demenz:
- Information: Lernen Sie, die Erkrankung zu verstehen. Begleiten Sie Ihren Angehörigen bei den Arztbesuchen, informieren Sie sich über die Erkrankung (Literatur, Internet) und besuchen Sie eine Selbsthilfegruppe.
- Geduld: Versuchen Sie geduldig zu sein, selbst wenn der Demenzkranke in seiner Stimmung schwankt, vorwurfsvoll ist und Sie beschuldigt oder Wutausbrüche zeigt.
- Streit: Vermeiden Sie Diskussionen, Streit oder Argumente, wenn es zu Unstimmigkeiten kommt.
- Tagesablauf: Sorgen Sie für einen geregelten Tagesablauf mit festen Essenszeiten, Aktivitäten und Ruhezeiten und einer gewohnten Umgebung.
- Unabhängigkeit: Erhalten und fördern Sie die Selbstständigkeit des Betroffenen so lange wie möglich, bevormunden oder „bemuttern“ Sie ihn nicht.
- Achten Sie auf sich selbst: Nehmen Sie Hilfe an, nehmen Sie sich Erholungspausen, tun Sie sich selbst etwas Gutes. Damit erhalten Sie Ihre körperliche und seelische Kraft, die Sie in der Versorgung des Demenzkranken benötigen.
Kirstin Puchner und ihr Mann haben eine feste Tagesstruktur entwickelt, die ihm hilft, sich zu orientieren und ein sicheres Gefühl zu geben. Sie bindet ihren Mann beim Kochen ein und ermutigt ihn zu Bewegung. Sie hat Vorkehrungen getroffen, wie z.B. ein Handy mit wenigen Funktionen und eine Karte mit seinen Erkrankungen im Portemonnaie. Sie betont, wie wichtig es ist, demenzgerechte Routinen im Alltag zu schaffen, die zu Automatismen werden. Sie bereitet seine Medikamente einmal in der Woche vor und bedankt sich bei ihm, dass er so gut mitmacht.
Verlauf und Prognose
Demenzerkrankungen zeigen keinen einheitlichen Verlauf. Entscheidend sind die Form der Demenz sowie die Gehirnregionen, die durch die Schädigung am meisten betroffen sind. Die Erkrankung ist nicht heilbar und immer fortschreitend. Generell ist es nicht leicht, Prognosen über die Lebenserwartung eines an Demenz Erkrankten zu stellen oder verbindliche Angaben dazu zu machen. Zudem haben Menschen, die an Demenz erkranken, meist ein höheres Lebensalter. Statistisch ist die Lebenserwartung eines Demenzkranken reduziert. Die Lebenserwartung bei einer vaskulären Demenz variiert stark und hängt davon ab, wie schwer die Erkrankung ist und ob weitere Erkrankungen vorliegen.
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Prävention
Das Entstehen einer vaskulären Demenz kann nicht verhindert werden, man kann ihr aber vorbeugen, indem man einem Schlaganfall vorbeugt. Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), ein hoher Cholesterinspiegel (Blutfettwerte), Übergewicht, Bewegungsmangel und Rauchen sollten vermieden bzw. behandelt werden. Wer sich regelmäßig bewegt, kann (weiteren) Schlaganfällen vorbeugen. Es wird empfohlen, auf eine gesunde, mediterrane Ernährung zu achten und auf das Rauchen und einen übermäßigen Alkoholkonsum zu verzichten.
Andere Ursachen für Demenzsymptome
Viele typische Symptome einer Demenz können Ursachen haben, die behandelbar und oft sogar vollständig heilbar („reversibel“) sind. Dazu gehören:
- Altershirndruck (Normaldruckhydrozephalus): Typisch sind Gedächtnisprobleme, Blasenschwäche sowie Unsicherheit beim Gehen. Der Altershirndruck lässt sich mit Hilfe einer Magnetresonanztomographie (MRT) und einer Liquoruntersuchung feststellen.
- Delir: Ein Delir kann durch körperliche Stressfaktoren, wie ein schwerer operativer Eingriff, falsche Medikamente, Dehydrierung, Infektionen, Schlaganfall, Herzinfarkt oder emotionale Stressfaktoren, wie Schmerzen oder ein Schockerlebnis ausgelöst werden.
- Hirntumor: Symptome, die sowohl bei Hirntumoren, als auch bei Demenzerkrankungen auftreten können, sind Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen sowie Persönlichkeitsveränderungen. Auch Apathie und Depressionen können Folgen eines Hirntumors sein.
- Vitaminmangel: Insbesondere ein Mangel an Vitamin B-12 kann Symptome hervorrufen, die denen einer Demenzerkrankung sehr ähnlich sind - wie Gedächtnisstörungen, Verhaltensänderungen oder Unruhe.
- Depressionen: Depressionen können Demenzsymptome auslösen.
- Weitere Ursachen: Auch Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Medikamenten können Verwirrtheit auslösen, ebenso Dehydrierung, also ein Flüssigkeitsmangel im Körper durch zu wenig Trinken. Auch Erkrankungen der Schilddrüse, Nieren oder Leber sowie Hirnschädigungen durch Vergiftungen können demenzähnliche Symptome hervorrufen.
Es ist wichtig, bei jeglichem Verdacht auf eine Demenzerkrankung die Symptome abklären zu lassen.
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