Alternative Behandlungsmethoden für Epilepsie: Wissenschaftliche Studien im Fokus

Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, von der schätzungsweise 400.000 bis 800.000 Menschen in Deutschland betroffen sind. Sie kann in jedem Lebensalter beginnen. Die Diagnose Epilepsie wird gestellt, wenn mindestens zwei epileptische Anfälle aufgetreten sind oder nach einem ersten unprovozierten Anfall ein deutlich erhöhtes Risiko von mehr als 60 % für weitere Anfälle besteht. Epilepsie ist ein sehr vielfältiges Krankheitsbild. Hierbei erleiden einige Patientinnen und Patienten starke Anfälle, bei denen sie das Bewusstsein verlieren, zu Boden stürzen und sich der gesamte Körper zusammenkrampft und zuckt. Hierbei spricht man von sogenannten Generalisierten Anfällen, die beide Hirnhälften betreffen. Bei sogenannten fokalen Anfällen treten die epileptischen Anfälle in bestimmten Hirnregionen auf.

Herausforderungen und Bedarf an Alternativen

Epilepsie gehört zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Es gibt dabei Formen der Epilepsie, bei denen der Ursprung der Anfälle nur in einem kleinen Teil des Gehirns liegt (sogenannte „fokale Epilepsien“). Sie machen etwa zwei Drittel aller Epilepsieerkrankungen aus. Oft können Epilepsien mit Medikamenten gut behandelt werden, aber bei etwa einem Drittel aller Patienten mit Epilepsie wird mit Medikamenten keine Anfallsfreiheit erreicht. Auch und gerade bei fokalen Epilepsien wirken Medikamente häufig nicht wie gewünscht, sodass alternative Behandlungen gefragt sind. Nur in zwei Dritteln der Fälle können die Anfälle durch medikamentöse Behandlung ausreichend kontrolliert werden. Für die übrigen refraktären Patienten mit fokaler Epilepsie (bis zu etwa 2 Mill. in Europa) ist die Epilepsiechirurgie derzeit die wirksamste Behandlung. Allerdings kommen nur 15-20% dieser Patienten für eine Epilepsieoperation in Frage. Das liegt entweder daran, dass die epileptogene Zone im Gehirn mit den üblichen diagnostischen Mitteln nicht mit ausreichender Genauigkeit lokalisiert werden kann, dass sie zu gross ist, um sie operativ mit adäquatem Nutzen-Risiko-Verhältnis zu behandeln oder dass die epileptogene Zone zu stark mit eloquenten kortikalen Arealen überlappt.

Konventionelle Behandlungsmethoden und ihre Grenzen

Es gibt eine große Palette an Antiepileptika, also an Medikamenten, die gegen Epilepsie wirken. Und in vielen Fällen helfen die auch sehr gut, und die Krampfanfälle können verhindert werden. Das ist aber nicht in allen Fällen so. Und bei einer bestimmten Form der Epilepsie, der sogenannten fokalen Epilepsie, helfen die besonders häufig nicht. Bei der fokalen Epilepsie ist es so, dass es eine ganz bestimmte Stelle im Gehirn gibt, von der die Anfälle immer wieder ausgehen. Die Ursache dafür ist meistens erworben. Die Patienten haben vielleicht mal einen Fieberkrampf gehabt. Es gibt Infektionen, die zu so etwas führen. Besonders häufig sind Unfallfolgen, schwere Schädel Hirntraumata, die dazu führen können, dass es strukturelle Veränderungen im Gehirn gibt, die an einer bestimmten Stelle dann zu dieser beschriebenen Dysbalance führen, und dass immer an dieser Stelle dann die Anfälle entstehen. Und diese Form von Epilepsie ist besonders schwer behandelbar mit Antiepileptika. Es ist so, dass schon zu Beginn der Erkrankung mindestens ein Drittel der Patienten auf keines der verfügbaren Medikamente ansprechen. Und es gibt dann eigentlich nur eine Alternative, die ihnen potenziell helfen kann: Das ist, diesen Fokus durch Epilepsie-Chirurgie, durch einen großen neurochirurgischen Eingriff entfernen zu lassen. Das geht nicht immer, je nachdem, was für andere Strukturen in der Nähe sind. Aber selbst in den Fällen, wo man das machen kann, ist nicht garantiert, dass die Patienten anschließend anfallsfrei werden. Und damit bleiben sehr, sehr viele Patienten übrig, denen man mit keiner der vorhandenen Therapien gut helfen kann und die massiv leiden unter den Langzeitfolgen der Erkrankung.

Innovative Therapieansätze

Gentherapie mit Dynorphin

Am heutigen Tag der Epilepsie berichtet Prof. Dr. Regine Heilbronn, von EpiBlok Therapeutics GmbH, von einer neuen Gentherapie, bei der ein Adeno-assoziiertes Virus (AAV) das Gen für das Neuropeptid Dynorphin gezielt in Neurone der betroffenen Hirnregion bringt. Ziel ist eine langfristige Unterdrückung von Anfällen, indem die Nervenzellen Dynorphin auf Vorrat produzieren und bei Bedarf ausschütten. Die neue Methode basiert auf einer gezielten Gentherapie, mit der ein spezielles Gen selektiv in die Nervenzellen jener Gehirnregion eingeschleust wird, von der die epileptischen Anfälle ausgehen. Das Gen liefert die Produktionsanweisung für Dynorphin, eine körpereigene Substanz, die vor übermäßiger neuronaler Erregung schützen kann. Sobald die Neuronen das Gen aufgenommen und gespeichert haben, produzieren sie dauerhaft den Wirkstoff auf Vorrat. „Bei hochfrequenter Stimulation der Nervenzellen, wie zu Beginn eines Anfalls, wird Dynorphin ausgeschüttet. Es bewirkt eine Dämpfung der Reizweiterleitung und der epileptische Anfall bleibt aus“, beschreibt der Neurobiologe und Epilepsie-Experte Prof. Schwarzer die Methode. „Da der Wirkstoff nur bei Bedarf von den Zellen abgegeben wird, sprechen wir von einer ‘drug on demand‘-Gentherapie.“

Die Funktionsweise muss man sich so vorstellen: Wir entwickeln einen Genvektor. Ja, wir entwickeln einen Genvektor, der die Informationen für das schützende Neuropeptid Dynorphin transportieren kann. Und dieser Genvektor wird fokal in den epileptischen Fokus appliziert. Einmalig. Ein minimalinvasiver Eingriff. Und dort können diese Neuropeptide produziert und gespeichert werden. Und sie werden nur dann freigesetzt und aktiv kurz vor einem Anfall. Das heißt, der Trigger für die Freisetzung ist die hochfrequente Erregung unmittelbar vor einem Anfall. Das heißt, die Peptide werden dauerhaft produziert in den Neuronen, aber sie sind dort nicht aktiv. Sie müssen freigesetzt werden. Und das passiert immer nur dann, wenn ein Anfall kommt. Egal, wie häufig, sei das einmal am Tag, einmal in der Woche oder einmal im Monat.

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Der Genvektor ist so aufgebaut, dass praktisch nur das Gen für das schützenden Neuropeptid exprimiert wird und ganz kleine regulatorische Sequenzen erhalten bleiben. Der ganze Rest des Virus ist entfernt. Und dieses Genom, diese DNA wird verpackt in ein Protein Capsid. Damit ist es gut geschützt und kann nach der Injektion den Weg in die Zelle und in den Zellkern finden, um dort diese DNA zu exprimieren. Eigentlich ausschließlich. Sämtliche Gene, die für das Virus nötig sind, sind rausgeschnitten. Es gibt nur noch ganz kleine Sequenzen, wie Steuersequenzen muss man sich das vorstellen. Also es gibt keine Gene mehr, die für zum Beispiel das Capsid kodieren oder die andere regulatorische Aktivitäten haben.

Das Virus Capsid wird gebraucht, um dieses Genom, dieses Erbgut zu verpacken. Viren vermehren sich in Zellen. Und dort brauchen sie alle Komponenten, damit diese Proteinhülle, dieses Capsid produziert werden kann. Und das macht man im Falle von AAV-Vektoren so, dass man diese Gene extern in diese Zellen einbringt, die für das Capsid kodieren. Die sind aber auf dem Genom, auf dem Vektor-Genom nicht mehr vorhanden. Das heißt, das Vektor-Genom wird verpackt, und das Genom selbst transportiert dann nur noch das therapeutisch wirksame Gen in die Zelle. Die Hülle dient zum Targeting. Die Hülle dient dazu, dass das Genom in die richtigen Zellen transportiert werden kann und wird anschließend abgebaut. Und das Genom selber wandert in den Zellkern, und dort kann Genexpression stattfinden. Die Virusvektoren können sich nicht selbstständig mehr vermehren.

Es ist so, dass das AAV-Genom, man sagt dazu episomal, im Zellkern verbleibt. Das bedeutet, es ist im Zellkern und kann dort auch exprimiert werden, aber es wird in der Regel nicht ins menschliche Genom eingebaut. Grundsätzlich sind natürlich beide Wege denkbar. Der präzise Weg ist es, genau in den epileptischen Fokus zu injizieren. Das macht der Neurochirurg mit einer hauchdünnen Nadel. Das muss man sich vielleicht vorstellen, wie wenn eine Elektrode im Hirn implantiert wird. Das ist ein minimalinvasiver Eingriff. Hat den großen Vorteil, dass wirklich nur an die Stelle, wo der Fokus ist, der Vektor injiziert wird und nirgendwo anders hin.

Bei den Neuropeptiden ist es so, dass sie produziert werden und sozusagen eine Adresse auf dem Protein oder auf dem Eiweißstoff vorhanden ist, der dem Dynorphin sagt: Geh bitte in bestimmte Vesikel. Diese Vesikel, das sind so kleine Bläschen in der Zelle, dort wird das gespeichert. In diesen gespeicherten Bläschen gibt es Enzyme, die das Dynorphin in kleine Bestandteile zerlegen. Und nur diese kleinen vollprozessierten Bestandteile sind das aktive Prinzip. Und in diesen Bläschen verbleibt das Dynorphin. Der Trigger für die Freisetzung, dass diese Bläschen aus der Zelle freigesetzt werden, der Trigger ist die hochfrequente Erregung. Und durch die hochfrequente Erregung wird das Dynorphin freigesetzt, kann an umliegende Rezeptoren, also Stellen binden, wo es andockt und dann die hohe Erregung dämpfen, sodass sie sich nicht weiter ausbreiten kann. Das ist ein natürlicher Mechanismus, den wir ausnutzen. Und es ist einfach so, dass bei der fokalen Epilepsie diese Speicher für Dynorphin entleert sind. Da ist nicht genügend da, sodass bei den vielen Erregungen, die kommen, eben immer genügend zur Dämpfung vorhanden ist. Und wenn wir die wieder auffüllen, indem wir mehr hinzugeben, haben wir die Chance, dass immer ausreichend Wasser zum Löschen da ist.

Das Forschungsteam konnte jetzt im Tiermodell zeigen, dass die Gentherapie epileptische Anfälle über mehrere Monate unterdrückt. Mit den Anfällen blieben auch deren negative Effekte auf Lernen und Gedächtnis aus. Nebenwirkungen haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bisher nicht beobachtet, was sich durch die regional und zeitlich beschränkte Wirkung der Dynorphin-Ausschüttung erklären lässt. Durch die bedarfsgesteuerte Freisetzung wurden auch keine Gewöhnungseffekte festgestellt. Zusätzlich testete die Forschungsgruppe das Behandlungsprinzip auch an Gewebeproben von Epilepsiepatienten - mit Erfolg: Dynorphin konnte die Stärke und Häufigkeit synchroner Neuronen-Aktivität im Gewebeverbund deutlich reduzieren. „Die Ergebnisse unserer Studie stimmen uns zuversichtlich, dass der neue Therapieansatz auch bei Menschen Erfolg zeigen könnte“, sagt Prof. Heilbronn. „Wir nutzen als Transportvehikel für das Dynorphin-Gen sogenannte Adeno-assoziierte Viren, die bereits zur Therapie bei Menschen zugelassen sind und als sicher gelten.“

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Die neue Gentherapie wollen Prof. Heilbronn und Prof. Schwarzer nun schnellstmöglich zur Klinikreife bringen. „Wir arbeiten derzeit daran, die virale Genfähre für die Anwendung bei Menschen zu optimieren“, erklärt Prof. Heilbronn. „Unser Ziel ist, das Gentherapeutikum in wenigen Jahren als Arzneimittel erstmals in der klinischen Testphase einsetzen zu können.“ Zeigt sich die Behandlung erfolgreich, würde TLE-Betroffenen, bei denen eine medikamentöse Behandlung nicht wirksam ist, eine minimalinvasive Einmaltherapie als weitere Therapie-Alternative zur Verfügung stehen.

Um so etwas Komplexes wie einen epileptischen Anfall zu behandeln, braucht man einen Organismus, um das zu untersuchen. Das heißt, wir haben Tierversuche gemacht mit Mäusen, die epileptisch sind, die genau die Form von Epilepsie haben, die es auch bei Menschen gibt, die Temporallappenepilepsie. Und in diesem Mausmodell konnten wir zeigen, dass durch Injektion des Vektors die Anfälle innerhalb von Wochen bis Monaten zurückgingen. Und wenn sie einmal verschwunden waren, blieben sie dauerhaft aus. Das sind Langzeiteffekte, die sehr vielversprechend sind.

Wir wollen sichere Therapien beim Menschen. Und es ist im Grunde eine Medikamentenentwicklung, eine Wirkstoffentwicklung. Und Wirkstoffentwicklung hat einen sehr langen Entwicklungszeitraum, um sicherzustellen, dass der Wirkstoff tatsächlich nicht nur in der Maus, sondern eben auch beim Menschen wirkt, und um sicherzustellen, dass der Wirkstoff sicher ist. Und das sind Prozesse, die Monate und Jahre dauern, um dahin zu kommen. Wir sind so weit, dass wir unseren Vektor soweit validiert haben, dass wir jetzt die nächsten Schritte Richtung klinische Studie einleiten können. Aber auch das hat Monate gedauert, um über verschiedenste Varianten am Ende ein Vektorformat zu haben, von dem wir sagen können: Ja, das ist stabil, das funktioniert gut, damit können wir auch im größeren Maßstab die Vektoren herstellen. Eben, Sie brauchen ja wahrscheinlich größere Mengen von diesen gentechnisch veränderten Viren als bei Mäusen, wenn sie tatsächlich an eine Behandlung von menschlichen Patienten denken? Richtig. Das ist auch ein typisches Problem, dass manche Sachen im kleinen Maßstab wunderbar produzierbar sind und funktionieren, und wenn man dann versucht, das Ganze in großem Maßstab zu machen, dann funktioniert es halt nicht mehr so gut. Und das sind die ersten Schritte, die wir eingeleite…

Hirnschrittmacher zur Reduktion von Anfällen

Seit September ist der erste minimalinvasiv platzierte Hirnschrittmacher für Epileptiker zugelassen, bei denen Medikamente nicht mehr helfen. Ende September wurde nun der weltweit erste minimalinvasiv platzierte Hirnschrittmacher für Epilepsiepatienten zugelassen. Die neue Behandlungsmethode kann die Häufigkeit und Stärke epileptischer Anfälle, die auf bestimmte Hirnareale begrenzt sind, deutlich reduzieren.

Die Nervenzellen im Gehirn kommunizieren über elektrochemische Signale. Bei einem epileptischen Anfall ist dieses Zusammenspiel der Nervenzellen im Gehirn gestört. Bildlich wird auch von einem "Gewitter im Gehirn" gesprochen, denn die Störung führt dazu, dass einzelne Hirnbereiche oder das gesamte Gehirn zu viele Signale abgeben.

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Die europäischen Zulassungsstudien für den neuartigen Hirnschrittmacher wurden am Epilepsiezentrum des Universitätsklinikums Freiburg geleitet. Der Hirnschrittmacher besteht aus einer Elektrode, die die elektrischen Reize abgibt und einem Generator mit einer Batterie, der die Abgabe der Reize steuert. Ähnlich wie bei einem Herzschrittmacher wird der Generator im Rumpf eingesetzt. Das ist eine Besonderheit des Verfahrens, erklärt Andreas Schulze-Bonhage, Leiter der Zulassungsstudie. Da die Elektrode nicht im Gehirn eingesetzt werden muss, sondern direkt unter der Kopfhaut platziert wird, muss der Schädel nicht angebohrt werden. Täglich für etwa eine halbe Stunde gibt der Hirnschrittmacher durch den Schädel leichte elektrische Reize an ein festgelegtes Hirnareal ab. "Der Hirnschrittmacher kann das Leben von vielen Epilepsiepatienten fundamental verändern. Wir können damit Menschen, die teils Jahrzehnte unter einer nicht behandelbaren Epilepsie gelitten haben, sehr erfolgreich therapieren", sagt Schulze-Bonhage. Über alle Patienten gerechnet hatte die Hälfte der Betroffenen weniger Anfälle - bei ihnen nahm die Häufigkeit um etwa 50 Prozent ab. Bei einigen Behandelten war der Effekt sogar noch größer.

In einer Folgestudie in Freiburg soll die Therapie mit den Schrittmachern mittels Künstlicher Intelligenz weiter personalisiert werden. Eine Künstliche Intelligenz identifiziert dabei typische Anfangssignale eines epileptischen Anfalls, um sie durch gezielte Stimulation zu unterbrechen. Letztlich soll es damit gar nicht erst zu einem Anfall kommen. Laut der Freiburger Studie könnte der neu entwickelte Hirnschrittmacher auch bei anderen neurologischen Erkrankungen eingesetzt werden, für die es bisher nur unzureichende Behandlungsmöglichkeiten gibt.

Transkutane Vagusnervstimulation (t-VNS)

Berlin, 23. Mai 2025 - In Kürze beginnt im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) eine Erprobungsstudie zur transkutanen Vagusnervstimulation; einer neuen Behandlungsmethode bei pharmakoresistenter Epilepsie. Die wissenschaftliche Studienleitung übernimmt die Bietergemeinschaft Gesundheitsforen Leipzig/Clinische Studien Gesellschaft mbH. Mit dem Zuschlag für die Bietergemeinschaft hat der G-BA jetzt sein Ausschreibungsverfahren abgeschlossen.

Die transkutane Vagusnervstimulation (t-VNS) ist ein neues neurologisches Therapieverfahren für Patientinnen und Patienten mit Epilepsie, die auf eine Arzneimitteltherapie allein nicht optimal ansprechen, für die ein chirurgischer Eingriff jedoch nicht infrage kommt. Bei dem Verfahren wird über eine am Ohr platzierte Elektrode durch die Haut (transkutan) ein Teil des Vagusnervs stimuliert. Die Stromimpulse hemmen die Hirnaktivität und sollen so die epileptischen Anfälle reduzieren.

Die t-VNS hat nach Einschätzung des G-BA das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative im Vergleich zur alleinigen Pharmakotherapie. Eine Nutzenbewertung war für den G-BA aufgrund fehlender Studien bisher jedoch nicht möglich. Zugleich hatte er festgestellt, dass eine Erprobungsstudie konzipiert werden kann. Die Erprobungsstudie soll klären, ob bei den betroffenen Patientinnen und Patienten mindestens 50 % weniger Anfälle auftreten als vor der Behandlung, wenn sie zusätzlich zur Arzneimitteltherapie noch eine t-VNS erhalten. Ausgelöst wurde die Erprobung durch den Antrag eines Medizinprodukteherstellers.

PerEpi: Nicht-invasive Verfahren zur Lokalisierung der Anfallsursprungszone

Ein möglicher Weg: Mit Hilfe der Messung von Gehirnströmen (Elektro­enzephalogramm, EEG) wird die Ursprungs-Zone der Anfälle gesucht. Gelingt das Aufspüren des Anfallsursprungs, kann die betroffene Zone chirurgisch entfernt oder zerstört werden. Doch oftmals lässt sich die Zone nicht exakt genug lokalisieren oder aber sie steuert elementare Funktionen wie die Sprachfähigkeit und kann daher nicht operiert werden.

Statt des bislang üblichen EEG soll nun eine Kombination aus einem hochaufgelösten EEG und zwei weiteren Bildgebungsverfahren genauere Ergebnisse liefern. Durch die Kombination von Daten, die neben der elektrischen Aktivität auch die auftretenden Magnetfelder abbilden (Magnetoenzephalogramm, MEG), kann durch komplexe mathematisch-physikalische Berechnungen die Lokalisation der Anfallsursprungszone im Gehirn optimiert werden.

Das Besondere am Vorhaben PerEpi: Das Projekt befasst sich nur mit Verfahren, die ohne physisches Eindringen in den Körper der Patientinnen und Patienten auskommen (sogenannte nicht-invasive Verfahren). Die in diesem Vorhaben erforschten Methoden sollen die Grundlage für weitere Entwicklungsarbeiten sein, die langfristig dazu dienen, die Anfallsursprungszone im Gehirn von einzelnen Patientinnen und Patienten besser zu bestimmen. Außerdem könnte die hier erforschte Elektrostimulation Patientinnen und Patienten helfen, deren Epilepsie-Erkrankung weder durch Medikamente noch durch eine Operation behandelt werden kann.

PerEpi bringt eine Expertengruppe auf europäischer Ebene zusammen, um diese Situation auf zwei Arten zu verbessern, die beide Konzepte der nicht-invasiven personalisierten Medizin nutzen: Die erste konzentriert sich auf einen neuen individualisierten multimodalen Ansatz, um einen neuen Meilenstein in der Lokalisationsgenauigkeit der epileptogenen Zone zu setzen, um die am besten geeignete personalisierte Therapie anbieten zu können. Die zweite besteht in einer neuen, individuell optimierten transkraniellen elektrischen Hirnstimulation als neue Behandlungsoption zur Verringerung der Anfallshäufigkeit und -schwere. Dies ist besonders attraktiv für jene fokalrefraktären Patienten, bei denen eine Operation aufgrund einer Überlappung mit eloquenten kortikalen Arealen nicht in Frage kommt.

Bedeutung der korrekten Diagnose

Die richtige Therapie von Epilepsie benötigt primär erst einmal eine richtige Diagnose. So sind Fehldiagnosen von zum Beispiel psychogenen nichtepileptischen Anfällen oder von konvulsiven Synkopen als Epilepsie durchaus häufig. Und natürlich gibt es auch den umgekehrten Fall, dass die richtige Diagnose Epilepsie verpasst wird. Eine explizite Hoffnung besteht darin, dass mehr Patientinnen und Patienten einer prächirurgischen Epilepsieabklärung zugeführt werden.

Wichtiger Hinweis zur Medikamenteneinstellung

Menschen, die unter Epilepsie leiden, sind auf Medikamente angewiesen. Ist die Medikation einmal richtig eingestellt, sollte sie bei den meisten Betroffenen über Jahre unverändert beibehalten werden - auch was den Hersteller des Medikaments angeht. Andernfalls können erneut epileptische Anfälle ausgelöst werden. Zu diesem Ergebnis kommen Prof. Dr. Hajo Hamer, Sprecher des Epilepsiezentrums der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Erlangen, und Dr. Johannes Lang zusammen mit Prof. Dr. Karel Kostev aus Frankfurt a. M.

Jede Änderung der Medikation erhöht das relative Risiko eines neuen Anfalls um mehr als 30 Prozent. Ärzte sollten vornehmlich auf die Wirksamkeit und Verträglichkeit achten, können aber bei der erstmaligen Verschreibung eines Medikaments bei gegebenen gleichwertigen Alternativen auch auf die Kosten achten. Spätere Wechsel rein aus ökonomischen Gründen sollten vermieden werden.

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