Die Alzheimer-Krankheit, benannt nach ihrem Erstbeschreiber Alois Alzheimer, ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die durch Gedächtnisverlust, Orientierungsstörungen und Beeinträchtigungen des Denk- und Urteilsvermögens gekennzeichnet ist. Weltweit sind mehr als 26 Millionen Menschen betroffen, in Deutschland leiden schätzungsweise 1,2 Millionen Menschen an Demenz, wobei Alzheimer die häufigste Form darstellt. Bislang gibt es keine Heilung für Alzheimer, aber die Forschung entwickelt sich rasant und bietet neue Hoffnung für die Zukunft.
Neue Medikamente und Therapieansätze
Zulassung von Antikörper-Medikamenten
Nach langer Zeit der Fehlschläge in der Alzheimer-Forschung, mit einer Misserfolgsquote von 99,6 % bei klinischen Studien zwischen 2002 und 2012, gibt es nun vielversprechende Fortschritte. Am 15. April 2025 wurde von der EU-Kommission das Medikament Lecanemab mit einem Antikörper für eine spezifische Patientengruppe im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit zugelassen. Studien haben gezeigt, dass Lecanemab bei frühzeitiger Anwendung das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen kann. Dies ist das erste neue Alzheimer-Medikament, das seit 2002 in der EU zugelassen wurde, als Memantine zugelassen wurde. Das Zulassungsverfahren für Lecanemab war kompliziert und erforderte mehrere Bewertungen durch das CHMP (Ausschuss für Humanarzneimittel).
Seit dem 25. September 2025 ist in der EU auch ein zweites Antikörper-basiertes Alzheimermedikament mit dem Antikörper Donanemab zugelassen. Studien zeigen, dass dieses Medikament bei Anwendung im Frühstadium der Erkrankung ebenfalls das Fortschreiten verlangsamen kann. Im Dezember 2024 wurde ein Zulassungsverfahren für ein drittes Alzheimer-Medikament eingeleitet.
Wie wirken Antikörper-Medikamente?
Viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Plaques zwischen den Nervenzellen, die bei Alzheimer auftreten, wesentlich zum Absterben von Nervenzellen beitragen. Daher zielen viele Medikamentenkandidaten auf die Substanz ab, aus der sie bestehen: das Beta-Amyloid-Protein. Ein Typ dieser Medikamente enthält gentechnisch hergestellte Antikörper, die sich an das Beta-Amyloid-Protein oder dessen Vorstufen heften. Das Immunsystem baut dann das so markierte Protein ab, wodurch der Raum zwischen den Nervenzellen gereinigt wird. Dieser Ansatz wird auch als „passive Immunisierung gegen Alzheimer“ bezeichnet. Studienergebnisse mit mehreren gegen Beta-Amyloid gerichteten Medikamenten belegen, dass Beta-Amyloid-Plaques tatsächlich eine relevante Rolle im Krankheitsgeschehen spielen.
Lecanemab: Details und Anwendung
Lecanemab (Handelsname Leqembi) ist ein Antikörper-Wirkstoff, der gezielt eine Vorstufe der für Alzheimer typischen Amyloid-beta-Protein-Plaques im Gehirn erkennt und bindet. Dadurch wird das körpereigene Immunsystem aktiviert und baut die Plaques ab bzw. verhindert die Bildung neuer Plaques. Lecanemab kann Alzheimer weder heilen noch den Krankheitsverlauf aufhalten, sondern soll den geistigen Abbau bei Menschen im frühen Krankheitsstadium verlangsamen.
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In der CLARITY AD-Studie zeigte sich, dass die Erkrankung bei den Teilnehmenden, die Lecanemab erhielten, langsamer fortschritt als in der Placebo-Gruppe. Die Wirkung wird jedoch von vielen Experten als moderat eingeschätzt, und es ist fraglich, inwieweit die Wirkung für Betroffene spürbar ist.
Wer kann mit Lecanemab behandelt werden?
Lecanemab kommt nur für Menschen infrage, die sich im frühen Stadium der Erkrankung befinden und bislang nur geringe Einbußen ihrer geistigen Leistungsfähigkeit haben, insbesondere Personen mit einer Alzheimer-Diagnose im Stadium eines Mild Cognitive Impairment (MCI) oder im frühen Stadium einer Alzheimer-Demenz. Die krankhaften Amyloid-beta-Ablagerungen müssen im Gehirn nachgewiesen werden, entweder durch eine Lumbalpunktion oder mittels Amyloid-PET. Auch genetische Voraussetzungen spielen eine Rolle: Erkrankte dürfen höchstens eine Kopie des ApoE4-Gens tragen. Personen mit zwei Kopien sind wegen der erhöhten Gefahr für Hirnblutungen von der Behandlung ausgeschlossen. Leqembi eignet sich außerdem nicht für Menschen, die Gerinnungshemmer einnehmen.
Anforderungen und Ablauf der Behandlung mit Lecanemab
Die Behandlung mit Lecanemab stellt neue Anforderungen an die ärztliche Versorgung. Es braucht eine frühzeitige Diagnose sowie spezialisierte Einrichtungen mit ausreichender personeller und technischer Ausstattung. Lecanemab wird als Infusion alle zwei Wochen direkt in die Vene verabreicht, wobei die Behandlung etwa eine Stunde dauert. Vor Beginn und während der Behandlung sind MRT-Untersuchungen notwendig, um mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder kleine Blutungen im Gehirn frühzeitig zu erkennen. Die Teilnahme an einem EU-weiten Kontrollprogramm (Controlled Access Program, CAP) ist verpflichtend.
Mögliche Nebenwirkungen von Lecanemab
In Studien traten bei einem Teil der Teilnehmenden Nebenwirkungen auf, darunter Hirnschwellungen (ARIA-E) und Hirnblutungen (ARIA-H). Das Risiko für solche Nebenwirkungen hängt stark vom ApoE4-Gen ab. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen und Infusionsreaktionen.
Bedeutung von Früherkennung und Biomarkern
Da die Medikamente im frühen Stadium am besten wirken, wird die Früherkennung zu einem entscheidenden Schlüssel in der Versorgung. Die Forschung konzentriert sich auf neue Bluttests, bildgebende Verfahren und digitale Methoden, um die Krankheiten deutlich früher und zuverlässiger zu erkennen. Neurowissenschaftler suchen weltweit nach aussagekräftigen Biomarkern im Blut, die schnell und einfach Hinweise auf eine sich entwickelnde Alzheimer-Erkrankung geben können.
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Andere Ansatzpunkte für die Alzheimer-Therapie
Noch etliche andere Ansatzpunkte für eine Alzheimer-Therapie werden derzeit in klinischen Studien oder bei Tieren erprobt. Die Forschung zu Alzheimer und anderen Demenzen entwickelt sich rasant.
Forschungsschwerpunkte und zukünftige Perspektiven
Die Demenzforschung betrachtet heute viele verschiedene Mechanismen und verfolgt unterschiedliche Ansätze - von der Diagnostik bis zur Therapie.
- Früherkennung: Alzheimer und andere Demenzerkrankungen beginnen oft viele Jahre, bevor erste Symptome auftreten. Neue Bluttests, bildgebende Verfahren und digitale Methoden sollen es ermöglichen, die Krankheiten deutlich früher und zuverlässiger zu erkennen.
- Antikörper-Medikamente: Forschungsteams arbeiten daran, ob sich die Antikörper künftig mit anderen Wirkstoffen kombinieren lassen.
- Krankheitsmechanismen verstehen: Forschende untersuchen zentrale Prozesse wie die Ablagerung der Proteine Amyloid-beta und Tau, entzündliche Vorgänge, die Bedeutung von Umwelteinflüssen und genetische Aspekte.
- Vorbeugung von Demenzerkrankungen: Die Forschung versucht, Zusammenhänge zwischen beeinflussbaren Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes, Hörverlust, Depressionen oder sozialer Isolation und Demenzerkrankungen besser zu verstehen.
- Pflege und Lebensqualität: Studien befassen sich damit, wie die Versorgung individueller, die Belastung für Angehörige geringer und die Selbstständigkeit der Erkrankten länger erhalten werden kann.
Die Forschung entwickelt sich zunehmend weg von Einzelstrategien: Statt nur auf ein Ziel zu setzen, rücken unterschiedliche Ansätze in den Vordergrund, die sich gegenseitig ergänzen. Besonders wichtig ist dabei der frühe Einsatz von Medikamenten. Auch Lebensstilfaktoren wie Ernährung, Bewegung und der gesunde Umgang mit Risikofaktoren rücken stärker ins Blickfeld.
Einfluss des Lipidstoffwechsels auf die Entstehung von Alzheimer
Wissenschaftler haben möglicherweise einen neuen Auslöser für die charakteristischen Veränderungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten gefunden: eine Störung im Lipidstoffwechsel. Denn zu viele Lipide in der Zellmembran von Neuronen können die Bildung von Alzheimer-Peptiden begünstigen. Wenn bestimmte Bestandteile der Zellmembran, die sogenannten Sphingolipide, übermäßig vorhanden sind, blockieren sie den natürlichen Prozess der Autophagozytose, der für den Abbau von Eiweißen in der Zelle verantwortlich ist. Zugleich aktivieren zu viele Sphingolipide ein bestimmtes Enzym, die y-Sekretase, deren Funktion darin besteht, das gefährliche Beta-Amyloid vom C-terminalen Peptid abzuspalten. Diese Erkenntnisse könnten zukünftig zur Prävention und Früherkennung von Alzheimer genutzt werden.
Forschungsprojekte des DZNE
Die Alzheimer Forschung Initiative (AFI) fördert Forschungsprojekte des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). Diese Projekte befassen sich unter anderem mit:
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- Der Rolle von TREM2, einem Eiweiß-Molekül auf der Oberfläche der Immunzellen des Gehirns, bei der Eindämmung entzündlicher Prozesse.
- Einer Gentherapie zur Prävention sporadischer Alzheimer-Erkrankungen durch Veränderung des Risiko-Gens ApoE3.
- Der Aufklärung genetischer Risikofaktoren für die Frontotemporale Demenz (FTD).
- Der Entwicklung eines Bluttests zur Vorhersage des Alzheimer-Risikos im frühen Stadium.
Herausforderungen und notwendige Veränderungen im Gesundheitssystem
Die Einführung neuer Alzheimer-Therapien erfordert Veränderungen im Gesundheitssystem. Es bedarf adäquater politischer Rahmenbedingungen, damit wissenschaftliche Erkenntnisse das Leben der Betroffenen und Angehörigen verändern können. EFPIA und EBC haben acht konkrete Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger:innen erarbeitet:
- Alzheimer-Erkrankung und Hirn-Gesundheit national, europa- und weltweit zu einer Priorität der öffentlichen Gesundheit machen.
- Beschäftigte im Gesundheitswesen aus- und weiterbilden und sie sowie Bürger:innen für das Thema sensibilisieren.
- Daten, Informationsaustausch und entsprechende Technologien zu Nutze machen.
- Zugang zu Innovationen verbessern.
- Genügend finanzielle Mittel für Forschung und Infrastruktur sicherstellen.
- Bevölkerung und Patient:innen involvieren.
- Multidisziplinär denken.
- Post-diagnostische Behandlungspfade über Leitlinien definieren und mit entsprechenden Geldern versehen.
Es braucht ausreichend Kapazitäten für die Früherkennung, spezialisierte Einrichtungen mit ausreichender personeller und technischer Ausstattung sowie psychosoziale Unterstützungsangebote.