Alzheimer-Forschung: Auf der Suche nach Heilung und neuen Therapieansätzen

Die Alzheimer-Krankheit, eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, betrifft weltweit Millionen von Menschen und stellt eine enorme Belastung für Betroffene, Angehörige und Gesundheitssysteme dar. Obwohl es derzeit keine Heilung gibt, werden in der Alzheimer-Forschung intensiv neue Therapieansätze verfolgt, um die Symptome zu lindern, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen und im besten Fall die Krankheit zu heilen. Dieser Artikel beleuchtet aktuelle Forschungsansätze und vielversprechende Entwicklungen in der Alzheimer-Therapie.

Neue Therapieansätze im Fokus

Zwei Mutationen sind besser als eine: Ein neuer Ansatzpunkt im Tau-Protein

Bisher konzentrierte sich die Alzheimer-Forschung hauptsächlich auf die Amyloid-Plaques, Eiweißablagerungen außerhalb der Nervenzellen im Gehirn von Alzheimer-Patienten. Eine Forschungsgruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Matthias Kneussel am Zentrum für Molekulare Neurobiologie (ZMNH) des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) verfolgt einen anderen Ansatz. Ihr Fokus liegt auf den Vorgängen in den Nervenzellen von Erkrankten, insbesondere auf dem Tau-Protein.

Das Tau-Protein reguliert die Nervenzellen im Gehirn, indem es an das Mikrotubuli-Zytoskelett der Zelle bindet. Bei vielen Alzheimer-Patienten führen Genmutationen jedoch dazu, dass sich übermäßig viele Phosphatgruppen an die Tau-Proteine anhängen (Hyperphosphorylierung). Diese hyperphosphorylierten Tau-Proteine können nicht mehr am Zytoskelett andocken und bilden Verklumpungen, die zum Tod der Nervenzelle führen.

Kneussel und sein Team züchteten eine genetisch veränderte Maus, deren Mikrotubuli-Zytoskelette weniger negative Ladungen tragen. Dadurch können Tau-Proteine nicht mehr an das Zytoskelett binden, werden aber auch nicht hyperphosphoryliert und bilden somit keine gefährlichen Verklumpungen.

Die Forscher kreuzten diese Mäuse mit Mäusen, die Mutationen in Alzheimer-Genen tragen. Dabei stellten sie fest, dass die Nervenzellen der neuen Kreuzung wesentlich weniger krankmachende Tau-Aggregate aufweisen als die "Alzheimer-Maus". Dieser Ansatz konzentriert sich auf das Mikrotubuli-Zytoskelett und bietet einen neuen Schalter zur Verhinderung der Bildung schädlicher Tau-Aggregate.

Lesen Sie auch: Informationen für Alzheimer-Patienten und Angehörige

Die Mäuse werden nun bis zum Ende ihres Lebens beobachtet, um festzustellen, ob dieser Ansatz für Therapie oder Prophylaxe geeignet ist. Es wird untersucht, ob die Neuzüchtung sich den Weg durch ein Labyrinth genauso schnell merken kann wie eine gesunde Maus oder ob sie orientierungslos ist wie eine demente "Alzheimer-Maus".

Genetische Dispositionen und Schutzmechanismen

Wissenschaftler um Dr. Diego Sepulveda-Falla vom Institut für Neuropathologie des UKE haben das Gehirn einer verstorbenen Frau aus Kolumbien untersucht. Sie gehörte zu einer Großfamilie mit einer Genmutation, die üblicherweise zu frühem Alzheimer führt. Bei dieser Frau traten die ersten Anzeichen jedoch erst mit Anfang 70 auf.

Sepulveda-Falla und sein Team fanden heraus, dass sie neben der Alzheimer-auslösenden Mutation eine weitere Genmutation trug, die vor Alzheimer zu schützen scheint. Dies zeigt, dass genetische Dispositionen nicht immer zwangsläufig zum Ausbruch der Krankheit führen müssen.

Leqembi (Lecanemab): Ein neuer Antikörper-Wirkstoff

Leqembi (Wirkstoff: Lecanemab) ist ein neues Medikament zur Behandlung der frühen Alzheimer-Krankheit, das sich an Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen (MCI) bei Alzheimer oder im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit richtet. Seit April 2025 ist Leqembi in der EU zugelassen, reduziert schädliche Amyloid-beta-Ablagerungen im Gehirn, kann Alzheimer jedoch weder heilen noch den Krankheitsverlauf aufhalten. Ziel der Behandlung ist es, den geistigen Abbau im frühen Krankheitsstadium zu verlangsamen.

Die Eignung für eine Behandlung mit Leqembi muss im Einzelfall geprüft werden. Der Wirkstoff kommt nur für Menschen infrage, die sich im frühen Stadium der Erkrankung befinden und bislang nur geringe Einbußen ihrer geistigen Leistungsfähigkeit haben. Dazu zählen vor allem Personen mit einer Alzheimer-Diagnose im Stadium eines Mild Cognitive Impairment (MCI) oder im frühen Stadium einer Alzheimer-Demenz.

Lesen Sie auch: Kinder-Alzheimer: Ein umfassender Überblick

Vor Behandlungsbeginn wird geprüft, ob die Patientin oder der Patient das ApoE4-Gen besitzt, da Menschen mit einer doppelten Kopie dieses Gens ein erhöhtes Risiko für schwere Nebenwirkungen haben und deshalb nicht mit Leqembi behandelt werden können.

Leqembi wird als Infusion alle zwei Wochen direkt in die Vene verabreicht. Vor Beginn und während der Behandlung sind MRT-Untersuchungen notwendig, um mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder kleine Blutungen im Gehirn frühzeitig zu erkennen.

In Studien traten bei einem Teil der Teilnehmenden Nebenwirkungen auf - darunter Hirnschwellungen (ARIA-E) und Hirnblutungen (ARIA-H). Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen und Infusionsreaktionen.

Weitere Medikamente und Wirkstoffkandidaten

Neben Lecanemab gibt es weitere Medikamente, die sich in der Entwicklung befinden oder bereits zugelassen sind. Dazu gehören:

  • Donanemab: Ein weiterer Antikörper-Wirkstoff, der sich im Zulassungsverfahren befindet und ebenfalls auf die Beseitigung von Amyloid-Plaques abzielt.
  • Sonstige Wirkstoffkandidaten: Derzeit werden über 127 Wirkstoffkandidaten in 164 klinischen Studien untersucht. Diese zielen auf verschiedene Aspekte der Alzheimer-Krankheit ab, wie z.B. Entzündungsprozesse im Gehirn, Tau-Protein-Ablagerungen und den Schutz von Nervenzellen.

Die Rolle der Früherkennung

Die Früherkennung der Alzheimer-Krankheit ist entscheidend, um frühzeitig in den Krankheitsverlauf eingreifen zu können. Neue Biomarker und Diagnoseverfahren ermöglichen es, die Krankheit bereits in einem frühen Stadium zu erkennen, bevor die Symptome deutlich werden.

Lesen Sie auch: Alzheimer und Demenz im Vergleich

Biomarker und Bluttests

  • Amyloid-PET und Lumbalpunktion: Diese Verfahren ermöglichen den Nachweis von Amyloid-Ablagerungen im Gehirn.
  • Gentests: Ein Gentest kann das Vorhandensein des ApoE4-Gens feststellen, das mit einem erhöhten Alzheimer-Risiko verbunden ist.
  • Bluttests: Es wurden Bluttests entwickelt, die das Alzheimer-Risiko im frühen Stadium abschätzen können. Diese Tests erfassen das Verhältnis bestimmter Proteinvarianten im Blut.

Psychometrische Demenz-Tests

Psychometrische Demenz-Tests können Hinweise auf eine demenzielle Erkrankung liefern und dienen vor allem der Früherkennung bei einem Anfangsverdacht.

Prävention und Lebensstilfaktoren

Neben medikamentösen Therapien spielen auch Prävention und Lebensstilfaktoren eine wichtige Rolle bei der Reduzierung des Alzheimer-Risikos.

Lebensstilfaktoren

  • Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse, Obst und wenig verarbeitetem Fleisch kann das Alzheimer-Risiko verringern.
  • Körperliche Aktivität: Regelmäßige körperliche Bewegung fördert die Durchblutung des Gehirns und kann das Risiko für Demenz reduzieren.
  • Soziales Engagement: Soziale Kontakte und geistige Anregung können die kognitiven Fähigkeiten stärken und das Alzheimer-Risiko senken.
  • Ausreichend Schlaf: Ein gesunder Schlafrhythmus ist wichtig für die Regeneration des Gehirns und kann das Risiko für Alzheimer verringern.

Kognitives Training

Das Trainieren des Gehirns durch das Erlernen neuer Fähigkeiten, wie z.B. einer neuen Sprache, kann die kognitiven Reserven stärken und das Alzheimer-Risiko reduzieren.

Herausforderungen und Perspektiven

Die Alzheimer-Forschung steht weiterhin vor großen Herausforderungen. Die komplexen Mechanismen der Krankheit sind noch nicht vollständig verstanden, und es gibt derzeit keine Heilung. Dennoch gibt es in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte in der Forschung, die Hoffnung auf neue Therapieansätze und eine verbesserte Versorgung von Alzheimer-Patienten geben.

Politische Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Veränderungen

Um den medizinischen Fortschritt in der Alzheimer-Therapie optimal nutzen zu können, sind adäquate politische Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Veränderungen notwendig. Dazu gehören:

  • Priorisierung der Hirn-Gesundheit: Die Alzheimer-Erkrankung und die Hirn-Gesundheit sollten national, europa- und weltweit zu einer Priorität der öffentlichen Gesundheit gemacht werden.
  • Aus- und Weiterbildung von Fachpersonal: Es bedarf einer kontinuierlichen Aus- und Weiterbildung von Fachpersonal im Gesundheitswesen, um eine bestmögliche Versorgung von Alzheimer-Patienten zu gewährleisten.
  • Verbesserung des Zugangs zu Innovationen: Es muss sichergestellt sein, dass alle Betroffenen eine bestmögliche Versorgung erhalten, unabhängig von ihrem sozioökonomischen Status.
  • Förderung von Forschung und Infrastruktur: Es bedarf mehr Förderung für klinische Alzheimer-Studien und den Ausbau der Infrastruktur für die Versorgung von Alzheimer-Patienten.
  • Einbeziehung von Betroffenen und Angehörigen: Menschen mit Morbus Alzheimer sollten stärker in das Design klinischer Studien einbezogen werden, um patientenzentrierte und inklusive Forschungsansätze zu entwickeln.
  • Multidisziplinäre Zusammenarbeit: Für eine umfassende Versorgung der Betroffenen ist eine Zusammenarbeit von Spezialisten aus verschiedenen Bereichen, wie Neurologie, Radiologie, Pflege, Psychologie und Geriatrie, erforderlich.
  • Definition von Behandlungsstrategien: Das Festlegen bestimmter "Behandlungspfade" trägt dazu bei, dass die Menschen wirklich alle Stationen im Gesundheitssystem durchlaufen, die sie für eine optimale Versorgung benötigen.

Eine neue Ära der Alzheimer-Therapie

Die Alzheimer-Forschung steht vor dem Beginn einer neuen Ära. Neue Therapien werden in verschiedenen Ländern verfügbar, und das Verständnis der Erkrankung wächst stetig. Dies verändert die Sichtweise auf die Alzheimer-Krankheit - weg von einem unveränderlichen Schicksal, hin zu neuen Perspektiven.

Es ist wichtig, dass die Gesellschaft und die Gesundheitssysteme mit dem medizinischen Fortschritt mithalten, damit Patientinnen und Patienten auch tatsächlich von Innovationen profitieren können. Eine frühzeitige Diagnose, der Zugang zu neuen Therapien und eine umfassende Versorgung sind entscheidend, um die Lebensqualität von Menschen mit Alzheimer und ihren Angehörigen zu verbessern.

tags: #alzheimer #heilung #forschung