Demenzerkrankungen stellen eine der größten Herausforderungen für unsere Gesellschaft dar. Allein in Österreich sind derzeit rund 100.000 Menschen betroffen, Tendenz steigend. Prognosen gehen davon aus, dass diese Zahl bis 2050 auf etwa 230.000 ansteigen wird, was vor allem auf die steigende Lebenserwartung zurückzuführen ist. Demenz ist vor allem eine Krankheit des Alters, wobei weniger als drei Prozent der unter 70-Jährigen und etwa jede fünfte Person über 85 betroffen ist.
Die These von Dr. Michael Nehls: Alzheimer als Mangelerkrankung
Dr. med. Michael Nehls vertritt in seinem Buch "Alzheimer ist heilbar - Rechtzeitig zurück in ein gesundes Leben" die These, dass Alzheimer keine unvermeidliche Alterserscheinung ist, sondern eine Mangelerkrankung, die durch moderne Lebensweisen bedingt wird. Das Buch richtet sich an Betroffene, Angehörige und medizinisches Fachpersonal, die alternative Ansätze zur Prävention und Behandlung der Alzheimer-Krankheit suchen. Es bietet eine umfassende Analyse der Ursachen der Krankheit und liefert praktische Anleitungen zur Umsetzung eines gesundheitsfördernden Lebensstils.
Nehls ist Arzt und Molekulargenetiker und war als leitender Genomforscher in den USA und Geschäftsführer eines deutschen Biotechnologie-Unternehmens tätig. Heute arbeitet er als unabhängiger medizinischer Wissenschaftsautor und Privatdozent. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Entschlüsselung der Ursachen von Zivilisationskrankheiten und der Entwicklung ganzheitlicher Therapieansätze.
Die Rolle des Hippocampus
Nach den Erkenntnissen von Michael Nehls handelt es sich bei Alzheimer primär um eine Störung in der Bildung neuer Nervenzellen in der "Gedächtniszentrale für Erfahrungswissen", dem Hippocampus. Anstatt ein Leben lang zu wachsen, wie es für diesen Teil des Gehirns typisch wäre, schrumpft er.
Ursachen für diese Hemmung der Regeneration im Hippocampus können vielfältige und individuelle Mängel sein, die als Risikofaktoren bekannt sind:
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- Mangel an Bewegung und gleichzeitig Mangel an erholsamen Schlaf
- Mangel an Vitaminen, Spurenelementen und anderen Vitalstoffen
- Mangel an sozialen Aktivitäten und Lebensinhalten
Ziel der diagnostischen Maßnahmen ist es daher, einerseits festzustellen, ob es sich tatsächlich um den Beginn einer Alzheimer-Erkrankung handelt. Andererseits gilt es, die individuellen Ursachen zu identifizieren, die für die Wachstumsstörung des Hippocampus verantwortlich sein können, und diese gezielt zu beheben.
Die Alzheimer-Therapie nach Nehls (ATnN)
Wie Dr. Nehls in seinem Buch schildert, haben bereits erste Patienten durch entsprechende systemische und individuelle Maßnahmen ihre Alltagskompetenz wieder zurückerhalten. Dies wurde in US-amerikanischen Studien belegt und bei ersten Patienten in Deutschland bestätigt.
Die Maßnahmen im Rahmen der Alzheimer-Therapie nach Nehls (ATnN) umfassen:
- Alzheimer-Diagnostik (Differential-Diagnostik durch einen Neurologen)
- Ermittlung der individuellen Risikofaktoren
- Erstellung eines individuellen Therapieplans
- Hilfe bei der Anpassung des Lebensstils, wie Optimierung der Ernährung, des Bewegungsverhaltens, des Schlafs etc.
Die Alzheimer-Therapie nach Nehls ist ein erster systemischer Ansatz, Alzheimer im Anfangsstadium kausal (ursächlich) zu therapieren. Damit ergibt sich die Chance auf Heilung einer bisher als unheilbar und chronisch progredient geltenden Krankheit. Ein Heilversprechen bietet dieser Therapieansatz jedoch nicht.
Kritik an der These von Nehls
Die These von Nehls ist nicht unumstritten. Prof. Dr. Dr. hc. Christian Haass, einer der führenden Demenzforscher in Deutschland, äußert sich kritisch zu Nehls' Schlussfolgerungen. Er betont, dass es zwar durch Studien belegte Faktoren gibt, die einen positiven Effekt auf die Entwicklung einer Demenz haben, wie Sport, gesunde Ernährung und Stressreduktion. Diese Maßnahmen können die Krankheit jedoch nicht verhindern, sondern lediglich den Krankheitsbeginn verzögern. Die Veränderungen im Gehirn würden trotzdem fortschreiten und unfehlbar in der Demenz münden.
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Haass warnt davor, dass Nehls' Abhandlung den Betroffenen und deren Familien falsche Hoffnungen weckt und dass solche Behauptungen lediglich der Eitelkeit des Autors dienen. Er betont, dass es noch einen weiten Weg vor uns haben und dringend gute und sichere Nachweisverfahren benötigt werden, die uns eher erkennen lassen, wer ein erhöhtes Risiko hat, die Krankheit zu entwickeln, um dann gezielt entgegenzuwirken.
Die Suche nach Heilung und Prävention
Trotz der Kritik an Nehls' These besteht Einigkeit darüber, dass Prävention eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Alzheimer spielt. Eine gesunde Lebensweise mit ausreichend Bewegung, einer ausgewogenen Ernährung und Stressreduktion kann das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, möglicherweise verringern.
Die Alzheimer-Forschung arbeitet intensiv an der Entwicklung von Medikamenten und Therapien, die den Verlauf der Krankheit aufhalten oder sogar heilen können. Ein neues Medikament gibt begründete Hoffnung, in der Frühphase der Erkrankung den Fortschritt zu verlangsamen.
Ein vielversprechender Ansatz ist die Entwicklung einer Impfung gegen Alzheimer, bei der Patienten Antikörper erhalten, die die Plaques für die körpereigenen Fresszellen markieren. Diese Methode hat sich im Reagenzglas und an Tieren als wirkungsvoll erwiesen und wird nun in Studien mit menschlichen Patienten erprobt.
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