Alzheimer: Heilbar oder nicht? Eine kritische Betrachtung wissenschaftlicher Erkenntnisse

Die Alzheimer-Krankheit, die häufigste Ursache für Demenz, stellt eine enorme Herausforderung für Betroffene, Angehörige und das Gesundheitssystem dar. Trotz intensiver Forschung gibt es bis heute keine Heilung. Die aktuellen Therapieansätze zielen darauf ab, die Symptome zu lindern und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. In den letzten Jahren gab es jedoch bedeutende Fortschritte im Verständnis der Krankheit und der Entwicklung neuer Behandlungsmethoden, die Anlass zur Hoffnung geben.

Neue Erkenntnisse über Immunzellen und Neurodegeneration

Forschungen des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und des Universitätsklinikums Bonn (UKB) haben neue Erkenntnisse über die Rolle von Immunzellen bei der Alzheimer-Krankheit erbracht. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Eindämmung entzündlicher Prozesse im Gehirn ein vielversprechender Ansatz zur Behandlung der Krankheit sein könnte.

Die Forscher konzentrierten sich auf einen molekularen Komplex namens NLRP3-Inflammasom, der in den Mikroglia vorkommt, den Immunzellen des Gehirns. Bei der Alzheimer-Krankheit löst die Aktivierung des NLRP3-Inflammasoms Entzündungsprozesse aus, die Nervenzellen schädigen. Die Inaktivierung dieses Komplexes mit speziellen Pharmastoffen, sogenannten Inhibitoren, könnte die Neuroinflammation verringern und die Mikroglia dabei unterstützen, die schädlichen Amyloid-Beta-Ablagerungen zu beseitigen (Phagozytose).

Die Studien haben bisher unbekannte Signalwege entdeckt, die von NLRP3 beeinflusst werden. Insbesondere wurde herausgefunden, dass NLRP3 steuert, wie Mikroglia Nährstoffe verwerten und wie diese Nährstoffe auf Gene wirken, die eine entscheidende Rolle für die Funktion der Mikroglia spielen. Diese Erkenntnisse könnten bei der Entwicklung von Therapien gegen Demenz hilfreich sein.

Lecanemab (Leqembi): Ein neuer Antikörper-Wirkstoff

Mit Lecanemab (Handelsname Leqembi) steht seit kurzem ein neues Medikament zur Behandlung der frühen Alzheimer-Krankheit zur Verfügung. Es richtet sich an Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen (MCI) bei Alzheimer oder im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit.

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Lecanemab ist ein Antikörper-Wirkstoff, der gezielt eine Vorstufe der für Alzheimer typischen Amyloid-beta-Protein-Plaques im Gehirn erkennt und bindet. Dadurch wird das körpereigene Immunsystem aktiviert und baut die Plaques ab bzw. verhindert die Bildung neuer Plaques.

In der großen Phase-3-Studie CLARITY AD zeigte sich, dass die Erkrankung bei den Teilnehmenden, die Lecanemab erhielten, langsamer fortschritt als in der Placebo-Gruppe. Die Krankheit schritt bei denjenigen, die Lecanemab erhielten, um 27 Prozent langsamer voran als bei der Kontrollgruppe. Trotz der messbaren Wirksamkeit wird die Wirkung von Leqembi von vielen Expertinnen und Experten eher als moderat eingeschätzt. Es ist fraglich, inwieweit die Wirkung für an Alzheimer erkrankte Menschen spürbar ist und im Alltag einen Unterschied macht. Die Studie hat jedoch gezeigt, dass sich der verzögernde Effekt mit der Dauer der Einnahme zunimmt.

Voraussetzungen für die Behandlung mit Lecanemab

Wer mit Leqembi behandelt werden kann, muss in jedem Einzelfall genau geprüft werden. Der Wirkstoff kommt nur für Menschen infrage, die sich im frühen Stadium der Erkrankung befinden und bislang nur geringe Einbußen ihrer geistigen Leistungsfähigkeit haben. Dazu zählen vor allem Personen mit einer Alzheimer-Diagnose im Stadium eines Mild Cognitive Impairment (MCI, zu Deutsch „leichte kognitive Störung“) oder im frühen Stadium einer Alzheimer-Demenz.

Die krankhaften Amyloid-beta-Ablagerungen müssen im Gehirn nachgewiesen werden - entweder durch eine Lumbalpunktion oder mittels Amyloid-PET. Auch genetische Voraussetzungen spielen eine Rolle: Erkrankte dürfen höchstens eine Kopie des sogenannten ApoE4-Gens tragen. Personen mit zwei Kopien sind wegen der erhöhten Gefahr für Hirnblutungen von der Behandlung ausgeschlossen. Leqembi eignet sich außerdem nicht für Menschen, die Gerinnungshemmer einnehmen. In Kombination mit dem Medikament steigt das Risiko für eine Hirnblutung deutlich.

Vor dem Beginn der Behandlung mit Leqembi wird geprüft, ob die Patientin oder der Patient das so genannte ApoE4-Gen besitzt. Menschen mit einer doppelten Kopie dieses Gens (ApoE4-Homozygote) haben ein erhöhtes Risiko für schwere Nebenwirkungen und können deshalb nicht mit Leqembi behandelt werden.

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Verabreichung und Kontrolle auf Nebenwirkungen

Leqembi wird als Infusion (Tropf) alle zwei Wochen direkt in die Vene verabreicht. Die Behandlung dauert jeweils etwa eine Stunde. Vor Beginn und während der Behandlung sind MRT-Untersuchungen notwendig, um mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder kleine Blutungen im Gehirn frühzeitig zu erkennen.

In Studien traten bei einem Teil der Teilnehmenden Nebenwirkungen auf - darunter Hirnschwellungen (ARIA-E) und Hirnblutungen (ARIA-H). Diese waren in den meisten Fällen symptomlos, wurden aber engmaschig kontrolliert. Das Risiko für solche Nebenwirkungen hängt stark vom ApoE4-Gen ab: Menschen mit zwei Kopien dieses Gens sind besonders gefährdet und daher von der Behandlung ausgeschlossen.

Anforderungen an die ärztliche Versorgung

Die Behandlung mit Leqembi stellt neue Anforderungen an die ärztliche Versorgung. Es braucht eine frühzeitige Diagnose sowie spezialisierte Einrichtungen mit ausreichender personeller und technischer Ausstattung. Patientinnen und Patienten sowie ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte müssen in ein EU-weites Register eingeschrieben werden. Zusätzlich erhalten die Erkrankten eine Patientenkarte und ausführliche Aufklärungsunterlagen, die von den Behörden genehmigt wurden.

Frühe Diagnose: Ein Schlüssel zur besseren Behandlung

Alzheimer ist nicht heilbar. Um den Patienten durch Lebensstiländerungen, geistiges Training und Medikamente lange eine gute Lebensqualität zu sichern, muss man die Krankheit also möglichst früh diagnostizieren.

Professor Wiltfang erklärt, dass Morbus Alzheimer meistens mit Merkfähigkeits- und Gedächtnisstörungen beginnt. Betroffenen Menschen fällt es außerdem schwerer als zuvor, Neues zu lernen. Zusätzlich sind viele Betroffene reizbarer und weniger belastbar als zuvor. Oft werden sie depressiv. All das deutet aber nicht zwangsläufig auf Alzheimer oder eine andere Form von Demenz hin.

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Neue Diagnosemethoden

Wir wollen unter den Patienten, deren intellektuelle Fähigkeiten offensichtlich nachlassen, die etwa 25 Prozent erkennen, bei denen später eine Alzheimer-Demenz droht. Dafür fehlt uns eine unkomplizierte Untersuchungsmethode.

Forscher des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kompetenznetzes Demenzen haben einen neuen Bluttest für die Alzheimer-Erkrankung entwickelt. Mit ihm weisen sie spezielle Proteine nach - die ß-Amyloidpeptide (AßPeptide).

Ein deutsch-niederländisches Forscherteam hat einen Bluttest entwickelt, der die Fehlfaltung des Amyloid-Beta Proteins erkennt. Diese Fehlfaltung des Proteins ist für die Alzheimer-Krankheit charakteristisch. Der Früh-Test des Forscherteams sei mit einer Sensitivität von mindestens 90 Prozent sehr aussagekräftig. Die Sensitivität gibt an, zu wie viel Prozent ein Test bei tatsächlich Erkrankten die Krankheit tatsächlich erkennt.

Ein anderes viel versprechender Weg: Die Forscher haben die Kernspintomographie so weiterentwickelt, dass sie bereits kleinste, für die Alzheimer-Erkrankung typische Veränderungen des Gehirns entdecken können. Die von ihnen angewendete Untersuchungstechnik, das so genannte Diffusion Tensor Imaging (DTI), macht auf Schnittbildern des Gehirns den Untergang von Nervenfasern sichtbar.

Prävention und Risikofaktoren

Nach wie vor ist Alzheimer Demenz nicht heilbar. Umso mehr kommt es darauf an, Risikofaktoren auszuschließen, die das Fortschreiten der Demenz begünstigen. Dazu zählt insbesondere die Schwerhörigkeit. Studien haben gezeigt, dass Schwerhörigkeit ein wichtiger Risikofaktor für die Entstehung von Alzheimer ist und dass man dagegen mit einfachen Mitteln etwas tun kann.

Denn der soziale Austausch und Kontakt mit Angehörigen, Freunden und Mitmenschen trainiert das Gehirn und verlangsamt den Krankheitsprozess. Auch Bewegung ist ein wesentlicher Faktor, um das Risiko für eine Demenz zu verringern. Man kann damit sogar eine erblich bedingte Veranlagung ausgleichen.

Ernährung und Lebensstil

Eine Studie der Alzheimerforscher Marcus Grimm und Tobias Hartmann hat eine Wechselwirkung im Fettstoffwechsel des Körpers aufgezeigt, die eine wichtige Rolle bei der Erkrankung spielen könnte. Sie fanden heraus, dass die Produktion des Eiweißes Beta-Amyloid die Menge von bestimmten Fetten, vor allem der sogenannten Sulfatide, beeinflusst und auch umgekehrt: dass die Menge an Sulfatiden wiederum die Menge dieses Eiweißes beeinflusst - eine folgenreiche Wechselwirkung.

Faktoren wie Rauchen können die Sulfatidspiegel negativ beeinflussen, während eine ausreichende Versorgung mit Vitamin K oder der Verzehr mancher Meeresfrüchte sich positiv auswirken können.

Die Rolle der Forschung

Die Alzheimer-Demenz kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geheilt werden. Es gibt jedoch in der Demenz-Therapie Behandlungen, Medikamente und andere Maßnahmen, die die Symptome lindern und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen sollen.

In den letzten Jahren haben immer wieder Studien zu neuen Alzheimer-Impfstoffen Aufsehen erregt. Aktuell ist der Wirkstoff Protollin ein besonders vielversprechender Kandidat. Der Impfstoff, der über die Nase verabreicht wird, soll körpereigene Abwehrkräfte mobilisieren, um gegen Ablagerungen an Nervenzellen vorzugehen.

Kritik und Herausforderungen

Trotz der Fortschritte in der Alzheimerforschung gibt es auch Kritik und Herausforderungen. Die Wirksamkeit von Lecanemab wird von vielen Experten als moderat eingeschätzt, und es ist fraglich, inwieweit die Wirkung für an Alzheimer erkrankte Menschen spürbar ist. Zudem ist die Behandlung mit Lecanemab mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass ein hochdekorierter Wissenschaftler als mutmaßlicher Fälscher dasteht. Es gehe auch um die konkreten Folgen, denn einige der Bilder hätten direkten Einfluss auf die Aussage der Forschungsarbeiten gehabt: "Der Schaden, der hier angerichtet wurde, ist potenziell sehr groß. Es ist ja so, dass auf Basis vieler dieser Arbeiten Therapiestudien an Patienten entwickelt wurden und auch durchgeführt wurden, die - wenn die Grundlage dafür, also die Aussage, die aus diesen Ergebnissen kommt, nicht gehalten werden kann - umsonst waren."

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