Alzheimer und Vererbung: Was Enkelkinder wissen sollten

Die Alzheimer-Krankheit, eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die zum Verlust kognitiver Fähigkeiten führt, betrifft Millionen von Menschen weltweit. Viele Menschen machen sich Sorgen, an Alzheimer zu erkranken - insbesondere, wenn bereits Verwandte erkrankt sind oder es waren. Die Frage nach der Vererbbarkeit von Alzheimer ist daher von großer Bedeutung, insbesondere für Enkelkinder von Betroffenen. Obwohl die Mehrzahl der Alzheimer-Fälle nicht direkt vererbt wird, existieren genetische Faktoren, die das Erkrankungsrisiko beeinflussen können.

Alzheimer und Demenz: Einordnung

Es ist wichtig zu verstehen, dass Alzheimer eine spezifische Form der Demenz ist. Demenz ist ein Oberbegriff für rund 50 verschiedene Erkrankungen des Gehirns, die mit einem Verlust der geistigen Fähigkeiten einhergehen. Alzheimer ist die häufigste Demenzform und macht 60 bis 70 Prozent aller Demenz-Fälle aus. Im Bereich der Diagnoseforschung geht es laut dem wissenschaftlichen Beirat der Alzheimer Forschung Initiative, Prof. Dr. Thomas Arendt, hauptsächlich darum, körperliche Merkmale zu finden, anhand derer die Krankheit Alzheimer nachgewiesen werden kann. Ein Biomarker kann zum Beispiel ein bestimmter Bestandteil im Blut sein.

Die Alzheimer-Krankheit ist definiert durch eine klinisch objektivierbare Demenz und charakteristische histopathologische Veränderungen des Gehirns - den senilen Plaques (SP), Neuropilfäden (NT), Neurofibrillenbündeln (NFT) und Neurodegeneration. Diese degenerativen Prozesse setzen viele Jahre vor der Demenzmanifestation ein.

Die SP bestehen hauptsächlich aus extrazellulären Aggregaten von b-Amyloid (Ab), einem Fragment von zumeist 40 oder 42 Aminosäuren (Ab40; Ab42) des b-Amyloid-Vorläuferproteins („amyloid precursor protein“, APP). Ab42 hat ein gegenüber Ab40 stark erhöhtes amyloidogenes, Aggregat-induzierendes Potenzial. Wahrscheinlich stellt die erhöhte Produktion von Ab42 und die damit erhöhte amyloidogene Prozessierung von APP das pathophysiologisch zentrale Korrelat der AD dar. Aus APP kann durch zwei konsekutive enzymatische Spaltungen, den so genannten b- und g-Sekretase-Spaltungen, das amyloidogene Ab, also Ab40 oder Ab42, gebildet werden (Grafik 1). Alternativ kann APP durch die anti-amyloidogene a-Sekretase innerhalb des Ab-Fragments gespalten werden, sodass kein b-Amyloid gebildet werden kann.

Die NFT und NT bestehen aus gepaarten helikalen Fragmenten eines abnorm phosphorylierten, intrazellulär aggregierten und fehlgeleiteten Tau-Proteins. Ein molekularer Pathomechanismus, der die kombinierte Tauopathie und Amyloidpathologie bei AD erklären könnte, ist bislang unbekannt.

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Ein initialer Neuronenverlust wird bei der AD typischerweise im Entorhinalkortex beobachtet, gefolgt vom Hippokampus und den übrigen neokortikalen Arealen des Temporallappens. Hierdurch erklärt sich das zumeist frühe Leitsymptom der AD, ein zunehmender Verlust des Kurzzeitgedächtnisses. Bislang steht noch kein Biomarker zur Verfügung, mit dem eine spezifische AD-Diagnose vor dem Tode möglich wäre. Gemäß ICD-10 ist die Alzheimer-Krankheit eine „primär degenerative zerebrale Krankheit mit unbekannter Ätiologie und charakteristischen neuropathologischen und neurochemischen Merkmalen. Sie beginnt meist schleichend und entwickelt sich langsam aber stetig über einen Zeitraum von mehreren Jahren.“ Durch den klinischen Ausschluss anderer primärer oder sekundärer Demenzformen und unterstützt durch detaillierte neuropsychologische Verlaufsuntersuchungen in spezialisierten Einrichtungen (Gedächtnissprechstunde, beziehungsweise „memory clinic“) kann eine AD-Diagnose zu Lebzeiten in circa 90 Prozent der Fälle korrekt gestellt werden.

Familiäre Alzheimer-Demenz (FAD)

Nur etwa ein Prozent aller Alzheimer-Fälle ist eindeutig erblich bedingt. Diese Form wird als familiäre Alzheimer-Demenz (FAD) bezeichnet. Es sind bisher drei Gene bekannt, die für diese Form verantwortlich sind: APP, PSEN1 und PSEN2. Wenn eines dieser Gene Mutationen aufweist, bricht die Alzheimer-Krankheit in jedem Fall aus. Betroffene erkranken häufig früh, zwischen dem 30. und 65. Lebensjahr.

Die Krankheit wird autosomal-dominant vererbt, das heißt, wenn ein Elternteil das mutierte Gen besitzt, gibt es eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass auch die Kinder das Gen erben und somit erkranken. Liegt bei Vater oder Mutter eine Mutation dieser Gene vor, erben die Kinder das mutierte Gen mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent. Und wer es erbt, wird erkranken. Meist sind Familienmitglieder mehrerer Generationen betroffen. Typisch für die familiäre Form ist ihr relativ früher Beginn („early onset“) vor dem 65. Bei Personen unter 65 Jahren mit Symptomen einer Alzheimer-Erkrankung oder bei direkten Angehörigen von erkrankten Personen, bei denen die Mutation eines der Alzheimer-Gene (APP, PSEN1, PSEN2) nachgewiesen wurde.

Die FAD wird durch Einzelgenmutationen in einem der Gene für Amyloidvorläuferprotein (APP), Präsenilin 1 (PSEN1) oder Präsenilin 2 (PSEN2) verursacht. LOAD und FAD lassen sich nur mit molekuargenetischen Methoden und anhand der Familienanamnese unterscheiden (Tabelle 2).

Genetische Risikofaktoren

Auch wenn das Alter der größte Risikofaktor ist, kann die Veränderung des Apolipoprotein Epsilon 4 (ApoE4)-Gens das Erkrankungsrisiko erhöhen. Allerdings führt diese genetische Veränderung nicht zwangsläufig zu einer Erkrankung. Das ApoE4-Gen könnte bei bis zu 25 Prozent aller Alzheimer-Fälle eine Rolle spielen. Weitere Gene wurden identifiziert, die das Alzheimer-Risiko erhöhen können.

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Von APOE kommen in der Bevölkerung drei häufige allelische Varianten vor, benannt nach den durch sie kodierten, in der Proteinelektrophorese unterscheidbaren Isotypen, e2, e3 und e4. Die Allele unterscheiden sich in CÝT Substitutions-Polymorphismen der jeweils ersten Base der Codons 112 und 158, jeweils mit der DNA-Sequenz CGC (für Arginin, R) oder TGC (für Cystein, C). Die aus der kombinierten Betrachtung der beiden Polymorphismen resultierenden häufigen Haplotypen kodieren für die drei genannten Isotypen e2 (C112C158), e3 (R112C158) und e4 (R112_R158). Evolutionär betrachtet entwickelte sich aus einer ursprünglichen, dem e4-Allel ähnlichen Sequenz, die e3-Sequenz, aus der zuletzt e2 hervorging. Die Frequenz der drei häufigen APOE-Allele variiert weltweit. In allen bislang untersuchten Populationen ist das e4-Allel mit erhöhtem LOAD-Risiko assoziiert, wobei hinsichtlich des Ausmaßes der Assoziation ethnische Unterschiede bestehen (19). Bei Mitteleuropäern ist bei APOE-e4-positivem Genotyp gegenüber APOE-e4-negativem Genotyp mit einem Anstieg des Lebenszeitrisikos für LOAD auf das 1,7- bis 2,4fache zu rechnen (Tabelle 4). Entsprechend liegt im Vergleich zu e3/e3-homozygoten Personen bei e4-Heterozygoten die „odds ratio“ für AD zwischen 1,8 und 3 und bei e4/e4-Homozygoten zwischen 6 und 15. Das e2-Allel wirkt protektiv gegenüber der LOAD (20), wodurch sich bei e4-negativen Trägern des e2-Allels eine „odds ratio“ von ~0,5 ergibt. 50 bis 60 Prozent mitteleuropäischer LOAD-Patienten, aber auch 20 bis 30 Prozent nichtdementer gleichaltriger Kontrollprobanden tragen ein oder zwei APOE- e4-Allele. Auf Populationsebene sind 10 bis 20 Prozent aller LOAD aufdas e4-Risikoallel von APOE zurückzuführen. Trotz der statistisch belegten, deutlichen Assoziation zwischen LOAD und APOE e4 ist also ein substanzieller Anteil der nichtdementen älteren Bevölkerung APOE-e4-posi-tiv und ein relativ noch größerer Anteil der LOAD-Patienten APOE-e4-negativ. Daher wird die Existenz noch weiterer Risikoallele anderer Gene vermutet.

Das Risiko für Enkelkinder

Für Enkelkinder von Alzheimer-Patienten ist das Risiko, an der Krankheit zu erkranken, komplex zu bewerten. Wenn die Großeltern an der häufigeren, sporadischen Form von Alzheimer erkrankt sind, ist das Risiko für die Enkelkinder nur geringfügig erhöht. Anders sieht es aus, wenn die Großeltern an der seltenen, familiären Form (FAD) erkrankt sind. In diesem Fall besteht für die Kinder der Großeltern ein 50-prozentiges Risiko, das mutierte Gen zu erben. Wenn ein Elternteil das Gen geerbt hat, besteht für die Enkelkinder wiederum ein 50-prozentiges Risiko, das Gen zu erben.

Es ist wichtig zu beachten, dass selbst wenn ein Enkelkind das mutierte Gen erbt, dies nicht bedeutet, dass die Krankheit zwangsläufig ausbrechen wird. Es bedeutet lediglich, dass das Risiko erhöht ist.

Gentest: Ja oder Nein?

Ein Gentest kann bei familiärer Alzheimer-Demenz mit hoher Sicherheit zeigen, ob eine Person erkranken wird. Ein Test auf das ApoE4-Gen dagegen weist nur auf ein erhöhtes Risiko für die häufige, nicht vererbte Form der Alzheimer-Krankheit hin - eine sichere Vorhersage ist damit nicht möglich.

Der Test wird in humangenetischen Testzentren oder in einer humangenetischen Sprechstunde anhand einer Blutprobe durchgeführt. Die Kosten für einen Alzheimer-Gentest werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. In Deutschland sind Selbsttests zu Hause aufgrund des Gendiagnostikgesetzes nicht möglich. Das Gesetz schreibt vor, dass vor dem Test ein Beratungsgespräch stattfinden muss und auch das Ergebnis nur von einer Humangenetikerin oder einem Humangenetiker mitgeteilt werden darf.

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Die Entscheidung für oder gegen einen Gentest ist nicht einfach. Eine ausführliche humangenetische Beratung gehört immer dazu. Sie hilft, die Chancen und Belastungen eines Tests realistisch einzuschätzen - für die getestete Person und die Familie. Denn auch wenn ein Gentest helfen kann, Ängste zu lindern, kann ein positives Ergebnis äußerst belastend sein. Eine fundierte Beratung hilft dabei, alle Aspekte dieser schwierigen Entscheidung zu durchdenken.

Prävention und Risikofaktoren

Unabhängig von der genetischen Veranlagung gibt es eine Reihe von Faktoren, die das Risiko für Alzheimer beeinflussen können. Einige Faktoren wie das fortschreitende Alter und eine genetische Prädisposition sind somit nicht beeinflussbar. Es gibt jedoch auch beeinflussbare Risikofaktoren, die jeder Einzelne beachten kann.

Wichtige Risikofaktoren sind Bluthochdruck, Diabetes, Bewegungsmangel, geistige Inaktivität und soziale Isolation. Einige Studien deuten darauf hin, dass eine gesunde Ernährung, körperliche Aktivität und geistige Stimulation das Risiko für Demenz verringern können. Bewegung ist ein wesentlicher Faktor, um das Risiko für eine Demenz zu verringern. Man kann damit sogar eine erblich bedingte Veranlagung ausgleichen.

Leben mit der Diagnose

Eine frühe Diagnose bei Alzheimer ist in vieler Hinsicht wichtig, auch wenn die Krankheit an sich bislang nicht heilbar ist. Sie bildet die Grundlage für alle weiteren Maßnahmen, die im nächsten Schritt getroffen werden sollten. Gerade zu Beginn führen frühe Anzeichen wie Vergesslichkeit oftmals zu Konflikten. Zu wissen, dass sich hinter diesen Anzeichen eine beginnende Alzheimer-Krankheit verbirgt, schafft mehr Verständnis und kann somit auch Konflikten vorbeugen. Das Wissen und der offene Austausch über die Erkrankung ist also in vielen Fällen sehr wertvoll.

Es gibt jedoch in der Demenz-Therapie Behandlungen, Medikamente und andere Maßnahmen, die die Symptome lindern und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen sollen. Medikamente wie Antidementiva und nicht-medikamentöse Therapien wie Ergotherapie können das Fortschreiten der Krankheit jedoch verzögern.

Eine Patientenverfügung stellt sicher, dass Ihre medizinischen Wünsche auch in unerwarteten Situationen respektiert werden und bewahrt so Ihre Selbstbestimmung. Sie greift in Situationen, in denen Sie aufgrund von Krankheit oder Verletzung nicht in der Lage sind, sie selbst auszudrücken. Dieses Dokument entlastet zudem Ihre Angehörigen von schwierigen Entscheidungen, vermeidet Missverständnisse und schützt vor unerwünschter Über- oder Unterbehandlung.

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