Ambroxol: Ein potenzieller Hoffnungsträger in der Behandlung von Parkinson-Demenz

Ein altbekannter Wirkstoff, der in Europa in Hustensäften enthalten ist, könnte eine überraschende Rolle bei der Behandlung der Parkinson-Demenz spielen, einer Form der Demenz, die im Laufe der Parkinson-Krankheit auftreten kann und das Gedächtnis, die Aufmerksamkeit und das Denkvermögen beeinträchtigt. Die Substanz Ambroxol, die seit Jahrzehnten gegen Husten eingesetzt wird, hat in einer klinischen Studie bemerkenswerte Auswirkungen auf die Symptome gezeigt, und das ohne schwerwiegende Nebenwirkungen.

Ambroxol: Molekulare Unterstützung für ein wichtiges Enzym

Forscher sehen die Wirkung von Ambroxol in einem Enzym namens Glucocerebrosidase begründet, das bei Menschen mit Parkinson oft zu wenig aktiv ist. Ambroxol wirkt wie eine Art molekulare "Anschubhilfe" für dieses Enzym und könnte so helfen, schädliche Ablagerungen im Gehirn zu reduzieren. Ambroxol kann nachweislich die Blut-Hirn-Schranke passieren, also die Barriere zwischen dem Blutkreislauf und dem Zentralnervensystem, und wurde in der Studie gut vertragen. Zwar traten bei einigen Teilnehmenden Magen-Darm-Beschwerden auf, doch schwere Nebenwirkungen blieben aus.

Professor Thomas Gasser vom Uniklinikum Tübingen erläuterte, dass bei den meisten Parkinsonkranken noch unklar ist, wodurch die Krankheit ausgelöst wird. Zwar gibt es eine ganze Reihe von Genmutationen, die zu einer familiären Parkinsonkrankheit führen, allerdings sind diese recht selten. Auf der anderen Seite kennen Forscher viele häufige Genvarianten, die das Parkinsonrisiko nur minimal erhöhen. In Deutschland tragen etwa 3-4 Prozent der Parkinsonkranken GBA-Mutationen. Solche Patienten unterscheiden sich zum Teil deutlich von Parkinsonkranken ohne auffälliges GBA-Gen: Sie sind zum Krankheitsbeginn jünger, die Krankheit verläuft schneller und sie entwickeln häufiger nichtmotorische Beschwerden.

Interessant sind GBA-Mutationen auch deshalb, weil die Funktion des Proteins gut bekannt ist. Es ist nötig, um Cerebroside in den Lysosomen abzubauen. Klappt das nicht mehr, sammeln sich die Glykosphingolipide unter anderem in Makrophagen und führen zur Speicherkrankheit Morbus Gaucher. Schon vor hundert Jahren ist Ärzten aufgefallen, dass Eltern von Gaucher-Kindern häufig an Parkinson erkranken. Offenbar haben die veränderten Proteine auch bei heterozygoten Genträgern einen negativen Effekt. Dabei wird angenommen, dass GBA nicht mehr gut in die Lysosomen gelangt und sich dort nicht am Abbau verklumpter Proteine beteiligen kann. Aus diesen Erkenntnissen haben Forscher einen neuen Therapieansatz entwickelt: Möglicherweise kann der Schleimlöser Ambroxol Parkinsonkranken mit GBA-Veränderungen helfen. In Zellkultur- und Tierexperimenten gelang es mit der Substanz, die GBA-Aktivität zu steigern, vermutlich indem sie den Transport veränderter GBA-Moleküle in die Lysosomen erleichtert, sagte Gasser. Noch in diesem Jahr sollen klinische Studien bei Patienten mit GBA-Veränderungen beginnen. Verlaufen diese erfolgreich, könnte die Gendiagnostik bei Parkinson einen ganz neuen Stellenwert gewinnen, ist der Neurologe überzeugt.

Klinische Studie zeigt Stabilisierung der Symptome bei Parkinson-Demenz

In einer Phase-2-Studie unter der Leitung des kanadischen Neurologen Stephen Pasternak von der Western University erhielten 22 Patientinnen und Patienten mit Parkinson-bedingter Demenz über ein Jahr hinweg eine hohe Dosis Ambroxol. Das Ergebnis: Während die Kontrollgruppe unter Placebo eine spürbare Verschlechterung der Symptome wie Halluzinationen, Apathie und Unruhe zeigte, blieb der Zustand der Ambroxol-Gruppe stabil, im Schnitt verbesserten sich deren Werte sogar leicht.

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Ein kanadisches Forscherteam hat über einen Zeitraum von zwölf Monaten Patient:innen, bei denen eine Parkinson-Demenz diagnostiziert wurde, entweder täglich Ambroxol (525 mg/Tag oder 1.050 mg/Tag) oder ein Placebo verabreicht. Das Ergebnis: Bereits bestehende psychiatrische Beeinträchtigungen blieben unter dem Wirkstoff stabil, während sie sich unter Placebo verschlechterten. Gleiches gilt für das Vorliegen eines speziellen Markers, der auf Hirnschäden hinweist. Bei Risiko-Patient:innen führte Ambroxol sogar zu einer Besserung der geistigen Fähigkeiten. Einen möglichen Grund für die Wirksamkeit von Ambroxol bei Parkinson-Demenz sehen die Forschenden darin, dass der Wirkstoff das Enzym Glukozerebrosidase (GCase) fördert.

Die Parkinson-Krankheit und die Rolle von Alpha-Synuclein

Die Parkinson-Krankheit ist bisher nicht heilbar. Doch es wird intensiv an innovativen Therapieansätzen geforscht. Zitternde Hände, steife Muskeln, unsicherer Gang - so zeigt sich typischerweise eine Parkinson-Erkrankung. Allein in Deutschland leben 400.000 Menschen mit dieser Diagnose. Meist tritt die neurodegenerative Erkrankung bei über 60-Jährigen auf. Doch der Morbus Parkinson ist keine reine Alterskrankheit. Jeder zehnte Betroffene ist unter 50 Jahre alt. Die Erkrankung schreitet chronisch voran. Im Krankheitsverlauf sterben immer mehr dopaminerge Neurone im Gehirn ab. Dadurch kommt es zu einem zunehmenden Mangel am Neurotransmitter Dopamin und den damit verbundenen charakteristischen Bewegungsstörungen. Darüber hinaus kann es zu Depressionen, erhöhter Müdigkeit, Schlafstörungen und kognitiven Beeinträchtigungen kommen.

Zur Linderung der Symptome stehen zahlreiche Medikamente wie Dopamin, Dopamin-Agonisten und MAO-Hemmer zur Verfügung. Eine ursächliche Behandlung leisten sie jedoch nicht. Das Fortschreiten der Erkrankung können sie nicht aufhalten. Deshalb wird nach kausal ansetzenden Therapiemöglichkeiten gesucht. Hierin sehen Forscher die Zukunft der Parkinson-Behandlung.

Ein wichtiger Ansatzpunkt für die kausale Therapie des Morbus Parkinson ist die Alpha-Synuklein-Pathologie. Denn bei seiner Entstehung spielt die neuronale Aggregation von Alpha-Synuklein in Lewy-Körperchen eine zentrale Rolle, die zu einer Degeneration der dopaminergen Neuronen in der Substantia nigra führt. Laut Prof. Dr. med. Björn Falkenburger, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Dresden, sind diese pathologischen Prozesse allerdings erst im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung ausgeprägt.

Fehlfaltungen dieses Proteins gelten als ursächlich bei der Krankheitsentwicklung. Alpha-Synuclein wird bei Parkinson-Patienten im Übermaß produziert, verklumpt (aggregiert) und lagert sich in Form sogenannter Lewy-Körperchen in den Nervenzellen ab. Diese Proteinverklumpungen breiten sich über Jahre im Gehirn weiter aus und sind mit dem Untergang von Dopamin-produzierenden Nervenzellen verbunden.

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Weitere Forschung erforderlich

Pasternak zeigt sich vorsichtig optimistisch: „Unser Ziel war es, den Verlauf der Parkinson-Demenz zu verändern. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Ambroxol die Gehirnfunktion schützen kann, insbesondere bei genetisch gefährdeten Personen. Es bietet einen vielversprechenden neuen Behandlungsansatz.“ Denn: Bisher werde in der Behandlung von Parkinson-Demenz lediglich versucht, die Symptome zu lindern, nicht aber das Fortschreiten zu stoppen.

Weitere Studien müssen aber noch klären, ob Ambroxol tatsächlich den Krankheitsverlauf beeinflusst. Als einer der wichtigsten genetischen Risikofaktoren für die Entstehung von Parkinson gilt eine Mutation im Gen GBA1. Sie führt zur Anreicherung von Alpha-Synuclein im Gehirn. Eine 2020 publizierte Studie kam zum Ergebnis, dass das Expektorans Ambroxol hiergegen wirksam sein könnte.

Professor Dr. Günther Höglinger, Direktor der Klinik für Neurologie an der Medizinischen Hochschule Hannover und Präsident der Deutschen Parkinson Gesellschaft, hinterfragt die Ergebnisse und sieht keine eindeutigen Zusammenhänge: „Die Studie lässt sehr viele Fragen offen“. Ein weiteres Problem an der Studie: Es gab keine Placebo-Kontrolle. Es lässt sich also nicht ausschließen, dass die subjektive Symptomverbesserung zumindest zum Teil auf einen Placebo-Effekt zurückzuführen ist, wie die intensive Betreuung oder die Hoffnung, durch die Studienteilnahme eine Verbesserung zu spüren.

Die vielfältigen Eigenschaften von Ambroxol

Seit mehr als drei Jahrzehnten wird der Arzneistoff Ambroxol, weithin unter dem Handelsnamen Mucosolvan bekannt, weltweit bei Husten und festsitzendem Sekret in den Atemwegen eingesetzt. Bislang war lediglich geklärt, wie der Wirkstoff Schmerzen mindert. Forscher um Professor Paul Dietl, Leiter des Instituts für Allgemeine Physiologie an der Uni Ulm, konnten nun erstmals den für die Schleimlösung verantwortlichen molekularen Mechanismus nachweisen: Ambroxol stimuliert mithilfe des Botenstoffs Kalzium (Ca2+) die Ausschleusung von „Abfallprodukten“ aus der Zelle.

Der Wirkstoff Ambroxol wird künstlich aus Vasicin hergestellt, dem medizinischen Inhaltsstoff des Indischen Lungenkrauts. Während die schmerzlindernde Wirkung gut verstanden ist, stützten sich Wissenschaftler bislang nur auf Vermutungen, wie es Ambroxol gelingt, die Fließeigenschaften und die Beschaffenheit des Schleims zu verändern und damit die Selbstreinigung der Atemwege anzuregen. „Ambroxol wirkt als eine Art ‚zelluläre Müllabfuhr‘. Es ist uns gelungen, erstmalig den Mechanismus nachzuweisen, der die sogenannte lysosomale Sekretion in den Epithelzellen der Lunge auslöst“, erläutert der Ulmer Physiologe Dietl.

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Ambroxol werden Sekretolyse-ergänzende Effekte aufgrund einer Blockade der spannungsabhängigen Natriumkanäle zugesprochen. Außerdem besitzt Ambroxol auswurffördernde, antioxidative, entzündungshemmende, schleimlösende und lokalanästhetische Eigenschaften.

Weitere Therapieansätze bei Parkinson

Neben der Erforschung von Ambroxol als potenzielles Parkinson-Therapeutikum gibt es eine Vielzahl weiterer Therapieansätze, die derzeit intensiv erforscht werden. Dazu gehören unter anderem:

  • Antikörpertherapie: Monoklonale Antikörper, die sich gegen das Protein Alpha-Synuclein richten, werden auf ihre Wirksamkeit bei der Behandlung von Parkinson untersucht.
  • Genetische Diagnostik: Die Identifizierung von genetischen Varianten, die das Parkinson-Risiko beeinflussen, könnte zu einer maßgeschneiderten, individuellen Therapie führen.
  • Tiefe Hirnstimulation: Ein Verfahren, bei dem über implantierte Mikroelektroden schwache Stromimpulse in die erkrankten Hirnregionen geleitet werden, um neurologische Fehlsteuerungen zu regulieren.
  • Bewegung und Ernährung: Regelmäßige körperliche Aktivität und eine ausgewogene Ernährung, insbesondere eine mediterrane Kost, gelten als Schutzfaktoren und können die Symptome lindern.

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