Ein Schlaganfall kann das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen grundlegend verändern. Umso wichtiger ist eine umfassende Rehabilitation, die idealerweise direkt im Anschluss an die Akutbehandlung im Krankenhaus beginnt. Die Anschlussrehabilitation (AR), auch Anschlussheilbehandlung (AHB) genannt, spielt hierbei eine zentrale Rolle. Dieser Artikel beleuchtet die Definition, die Leistungen und die Inanspruchnahme einer solchen Reha-Maßnahme nach einem Schlaganfall.
Was ist eine Anschlussrehabilitation?
Die Anschlussrehabilitation (AR) ist eine medizinische Rehamaßnahme, die unmittelbar auf einen Krankenhausaufenthalt folgt. Ziel ist es, die Leistungsfähigkeit von Patientinnen und Patienten für Alltag und Berufsleben wiederherzustellen. Sie wird meist bei schweren Erkrankungen, Operationen oder Unfällen empfohlen, bei denen eine sofortige Weiterbehandlung erforderlich ist. Dabei wird ein ganzheitlicher Ansatz mit einem umfassenden Behandlungsangebot verfolgt, um die durch Krankheit oder Unfall verlorengegangenen Funktionen wiederzuerlangen bzw. bestmöglich zu kompensieren.
Im Falle eines Schlaganfalls zielt die Anschlussrehabilitation darauf ab, die durch die Erkrankung verursachten Beeinträchtigungen zu lindern und die Selbstständigkeit des Patienten im Alltag wiederherzustellen. Dies beinhaltet die Wiedererlangung verloren gegangener Funktionen, den Umgang mit Einschränkungen und die Vorbereitung auf die Rückkehr nach Hause und in das Alltagsleben.
Leistungen im Rahmen der Anschlussrehabilitation
Die Anschlussrehabilitation umfasst ein breites Spektrum an Leistungen, die individuell auf die Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten sind. Dazu gehören:
- Ärztliche und therapeutische Behandlung: Die Patienten erhalten eine umfassende medizinische Betreuung durch Ärzte und Therapeuten verschiedener Fachrichtungen.
- Physiotherapie/Krafttraining: Durch gezieltes Training werden Gleichgewicht, Kraft und Ausdauer verbessert. Patienten, die im Rollstuhl sitzen oder bettlägerig sind, können beispielsweise üben, von einem Stuhl oder aus dem Bett aufzustehen und einige Schritte zu gehen. Einschränkungen von Arm und Hand lassen sich ebenfalls mit Übungen mindern.
- Logopädie: Bei Sprach- und Schluckstörungen werden gezielte Übungen durchgeführt, um die Kommunikationsfähigkeit und die Nahrungsaufnahme zu verbessern.
- Ergotherapie: Hier werden Alltagsfertigkeiten wie Anziehen oder selbstständiges Essen trainiert. Auch Wahrnehmungs- und Konzentrationsübungen gehören zum Leistungsspektrum. Bei Bedarf wird der Umgang mit Hilfsmitteln wie Rollatoren geübt.
- Neuropsychologische Therapie: Dieses psychotherapeutische Verfahren wurde speziell für Menschen mit Hirnverletzungen entwickelt. Damit lassen sich unter anderem Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Wahrnehmung trainieren. Es geht aber auch darum zu lernen, mit den Einschränkungen im Alltag umzugehen und sie emotional zu bewältigen.
- Pflege: Eine aktivierende Pflege unterstützt beim Essen, Waschen, An- und Auskleiden und zeigt, wie man sich dabei trotz Einschränkungen selbst helfen kann.
- Unterkunft und Verpflegung: Während der stationären Anschlussrehabilitation sind Unterkunft und Verpflegung in der Reha-Einrichtung inbegriffen.
- Fahrkosten: Die Kosten für die An- und Abreise zur Reha-Einrichtung werden in der Regel ebenfalls übernommen.
Phasen der neurologischen Rehabilitation
In der neurologischen Reha, z.B. nach Schädel-Hirnverletzung oder Schlaganfall, gibt es das sog. Phasenmodell mit verschiedenen Rehabilitationsphasen von A - Akutbehandlung bis F - Langzeitrehabilitation. Dazwischen liegen Frührehabilitation (Phase B), weiterführende Rehabilitation (Phase C), medizinische Reha und Nachsorge (Phase D) sowie berufliche Reha (Phase E). Patienten in der neurologischen Reha durchlaufen je nach Hilfebedarf unterschiedliche Phasen. In welche Phase sie kommen, hängt von der Schwere ihrer Beeinträchtigungen und der Beurteilung des Pflegeaufwands ab. Es können auch Phasen übersprungen werden, wenn Patienten z.B. schnell wieder selbstständig handeln und sich bewegen können. Bei einer Verschlechterung des Zustands kann auch ein Wechsel in eine frühere Phase notwendig werden.
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- Phase A: Erstbehandlung in einer Akutklinik auf der Normalstation, Intensivstation oder einer Stroke Unit (= Spezialstation für Schlaganfall-Patienten). In der Regel wird schon während der Akutversorgung mit der Frührehabilitation begonnen.
- Phase B: Patienten in der Regel bewusstlos oder haben schwere Bewusstseinsstörungen. Sie sind vollständig auf pflegerische Hilfe angewiesen, werden meist künstlich ernährt (siehe Enterale Ernährung) und können ihre Ausscheidungsfunktionen nicht kontrollieren.
- Phase C: Patienten überwiegend ein klares Bewusstsein und können einfache Aufforderungen befolgen. Auch wenn sie noch einen hohen pflegerischen Betreuungsbedarf haben, können sie an der Therapie aktiv teilnehmen. Wiederherstellung der Selbstständigkeit bei alltäglichen Verrichtungen und Alltagsaktivitäten (z.B. Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit (z.B. Wiederherstellung einfacher Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistungen (z.B. Das übergeordnete Ziel ist die volle Handlungsfähigkeit des Patienten, sodass in Phase C eine Langzeitperspektive erarbeitet und die weitere Versorgung geplant und eingeleitet wird.
- Phase D: Wenn ein Patient ausreichend belastbar und so weit mobilisiert ist, dass er sich z.B. selbst fortbewegen und eigenständig essen kann, beginnt die Phase der medizinischen Rehabilitation. Sie soll verhindern, dass es z.B. zu einer Pflegebedürftigkeit oder bleibenden Behinderungen kommt bzw. diese verringern oder einer Verschlechterung vorbeugen. Mit Phase D kann die Rehabilitation abgeschlossen sein, z.B. wenn anschließend wieder ein selbstständiges Leben in der eigenen Wohnung möglich ist.
- Phase E: Es geht um Nachsorge, vor allem um die Sicherung des Behandlungserfolgs und die berufliche Wiedereingliederung. Berufliche Rehamaßnahmen sollen Menschen mit Behinderungen oder drohenden Behinderungen eine Erwerbstätigkeit ermöglichen bzw. Ist die Leistungsfähigkeit so stark beeinträchtigt, dass nur noch eine zeitlich eingeschränkte Erwerbstätigkeit möglich ist oder Betroffene gar nicht mehr arbeiten können, liegt eine Erwerbsminderung vor. Häufig kontaktieren Krankenkassen bei langer Krankheit die behandelnden Ärzte und wollen von diesen eine Einschätzung, ob die Erwerbsfähigkeit ihres Patienten erheblich gemindert oder gefährdet ist.
- Phase F: Bei manchen Patienten kann es zu dauerhaften schweren Beeinträchtigungen und bleibenden Behinderungen kommen, z.B. bei schweren Hirnschäden. Sie brauchen dauerhaft Unterstützung und Betreuung, damit sich ihr Zustand nicht verschlechtert. Phase F reduziert im besten Fall die Einschränkungen der Betroffenen, sodass sie wieder mehr am sozialen Leben teilhaben können. Ist eine Pflege zuhause nicht möglich, können Einrichtungen mit aktivierender Langzeitpflege in Frage kommen.
Wenn der Patient nach der Akutbehandlung selbstständig kommunizieren und handeln kann und sich auf Stationsebene frei bewegen kann, ist direkt im Anschluss an die Akutklinik eine Anschlussrehabilitation möglich. Sie zählt zur medizinischen Rehabilitation (Phase D) und soll Patienten wieder an die Belastungen des Alltags und ggf. des Berufslebens heranführen.
Frührehabilitation nach Schlaganfall
Oberstes Ziel der Frührehabilitation (kurz: Frühreha) nach einem Schlaganfall ist es, die körperlichen Funktionen wiederherzustellen. Besonderes Augenmerk gilt hierbei den Körperfunktionen, die durch den Schlaganfall womöglich geschädigt wurden. Je früher geeignete Therapiemaßnahmen und Übungen umgesetzt werden, desto eher können die Schlaganfall-Symptome behandelt und schwerere Folgeschäden verringert werden.
Dauer der Anschlussheilbehandlung
Eine Anschlussheilbehandlung, synonym auch Anschlussrehabilitation genannt, kann sowohl stationär als auch ganztägig ambulant durchgeführt werden. In der Regel dauert sie drei Wochen, kann aber- je nach Bedarf - verkürzt oder verlängert werden.
Wie können Sie die Anschlussrehabilitation in Anspruch nehmen?
Die Inanspruchnahme einer Anschlussrehabilitation erfolgt in mehreren Schritten:
- Beratung: Lassen Sie sich zunächst persönlich von Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin im Krankenhaus beraten. Dieser/Diese entscheidet dann gemeinsam mit Ihnen, ob eine Anschlussreha direkt nach Ihrem Aufenthalt oder spätestens 14 Tage nach Entlassung sinnvoll ist.
- Antragstellung: Der Sozialdienst des Krankenhauses stellt mit Ihnen gemeinsam den Antrag für die Anschlussheilbehandlung.
- Wunschklinik: Mit dem Antrag können Sie gleichzeitig die von Ihnen gewünschte Klinik für die Rehabilitation angeben. Nach Sozialgesetzbuch IX § 9 besteht für Patienten ein Wunsch- und Wahlrecht.
- Terminvereinbarung: Der Klinikarzt bzw. Sozialdienst und die Rehaklinik vereinbaren einen Termin für die Verlegung.
- Kostenzusage: Ihr Kostenträger schickt Ihnen den Bescheid mit der Zusage oder Ablehnung der Kostenübernahme. Bei Ablehnung haben Sie die Möglichkeit, innerhalb von 1 Monat Widerspruch einzulegen.
- Aufnahme: Es erfolgt die direkte oder schnellstmögliche Aufnahme in die Rehaklinik.
Wer kommt für die Kosten auf?
Primär leisten bei einer Anschlussheilbehandlung die gesetzlichen Sozialversicherungsträger gem. § 6 SGB IX, d.h. die gesetzliche Kranken-, Renten- und Unfallversicherung. Ein Anspruch besteht jedoch nur, wenn vor Antritt der AHB ein Antrag bei der Rentenversicherung eingereicht und geprüft wurde.
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Die Barmer übernimmt die Kosten für Ihre Anschlussrehabilitation inklusive ärztlicher und therapeutischer Behandlung, Unterkunft, Verpflegung und Fahrkosten, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
- Die Anschlussreha muss durch den behandelnden Arzt oder die Ärztin im Krankenhaus veranlasst worden sein.
- Die Anschlussreha muss unmittelbar auf den Krankenhausaufenthalt folgen oder spätestens 14 Tage danach.
- In Ihrem Fall ist nicht ein anderer Kostenträger, z. B. die Deutsche Rentenversicherung vorrangig zuständig.
Steht das Wiedererlangen der Erwerbsfähigkeit im Vordergrund, dann ist die Deutsche Rentenversicherung der zuständige Rehabilitationsträger und übernimmt die Kosten der Anschlussheilbehandlung (AHB).
Für die Anschlussrehabilitation ist eine Zuzahlung von maximal 28 Tagen je Kalenderjahr fällig. Dabei wird die Zeit der Krankenhausbehandlung bereits angerechnet. Versicherte ab dem 18. Lebensjahr zahlen 10 Euro pro Kalendertag (stationäre Anschlussrehabilitation).
Was leistet die private Krankenversicherung?
Eine private Krankenversicherung leistet für eine Anschlussheilbehandlung nur wenn entsprechende Leistungen im konkreten Tarif explizit enthalten sind (siehe § 5 MB/KK 2009)! Daher ist bei der Auswahl eines geeigneten Tarifs besonders auf umfassende Leistungen für eine ärztlich/medizinisch indizierte Aschlussreha / Anschlussheilbehandlung ohne Einschränkungen zu achten!
Wichtige Kriterien sind hierbei:
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- Generelle Übernahme der Kosten für jede Anschlussreha bzw. Anschlussheilbehandlung (nicht nur bei bestimmten Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall)
- Übernahme der Kosten unabhängig von Fristen (z.B. „wenn sie innerhalb von 28 Tagen nach Entlassung aus dem Krankenhaus beginnen“)
- Übernahme der Kosten ohne vorherige Zusage des Versicherers. Vor einer Zusage prüft der Versicherer, ob die Anschlussheilbehandlung internen Kriterien entspricht, um ggf. Kosten zu sparen. Ein solches Zusageerfordernis beinhaltet logischerweise, dass auch eine Ablehnung erfolgen kann, wenn diese Kriterien nicht erfüllt sind - sonst wäre das Erfordernis ja unnötig. Das Genehmigungsverfahren kann zu mehrwöchigen Verzögerungen führen.
Unterschied zwischen Reha und Anschlussheilbehandlung (AHB)
Die Anschlussheilbehandlung (AHB) ist eine Form der Rehabilitation. Die AHB schließt sich als ambulante oder stationäre Rehabilitationsmaßnahme unmittelbar, beziehungsweise spätestens nach zwei Wochen an einen akutstationären Krankenhausaufenthalt an. Ob eine AHB erforderlich ist, stellt das Krankenhaus fest.
Neben der AHB gibt es das sogenannte Heilverfahren (HV), welches ohne vorherigen Krankenhausaufenthalt möglich ist und beim zuständigen Leistungsträger, also in der Regel bei Krankenversicherung oder Rentenversicherung, beantragt wird. Dafür entscheidet zunächst der Haus- oder Facharzt, ob ein HV sinnvoll ist und füllt dann mit dem Patienten den Rehabilitationsantrag der Krankenkasse oder der Rentenversicherung aus.
Ziele der Rehabilitation nach Schlaganfall
Die Rehabilitation nach einem Schlaganfall hat verschiedene Ziele:
- Wiederherstellung der Selbstständigkeit
- Umgang mit Einschränkungen
- Linderung von Folgen des Schlaganfalls wie Lähmungen, Sprachstörungen, Gedächtnisprobleme und Depressionen
- Vorbereitung auf die Rückkehr nach Hause und das Alltagsleben
- Hilfe für Angehörige
- Unterstützung bei einer notwendigen Umstellung des Lebensstils, um einen wiederholten Schlaganfall zu vermeiden
Die Rolle der Neuroplastizität
Das Gehirn ist anpassungsfähig und plastisch. Das heißt, es können sich immer wieder neue Nervenverbindungen bilden, auch im höheren Alter. Wenn im Gehirn ein bestimmter Bereich ausfällt, kann ein anderer dessen Aufgabe übernehmen. Dadurch kann der Körper Störungen wie Sprachprobleme oder Lähmungen ausgleichen. Das garantiert nicht, dass die Einschränkungen ganz zurückgehen. Oft lassen sie sich aber lindern. Ein gezieltes Training kann die entsprechenden Gehirnbereiche aktivieren.
Tipps für eine erfolgreiche Rehabilitation
- Setzen Sie sich konkrete und realistische Ziele: Dies kann helfen, während der Rehabilitation motiviert zu bleiben und sie so gut wie möglich zu nutzen.
- Trainieren Sie selbstständig: Führen Sie die in der Reha erlernten Übungen auch zu Hause regelmäßig durch.
- Sprechen Sie offen über Ihre Herausforderungen: Nur so erhalten Sie die notwendige Unterstützung.
- Halten Sie an Erfolgen fest: Auch kleine Fortschritte sind wichtig und sollten gefeiert werden.
- Scheuen Sie sich nicht, ärztlichen Rat einzuholen: Bei Fragen oder Problemen sollten Sie sich an Ihren Arzt oder Therapeuten wenden.
- Prüfen Sie Ihren möglichen Anspruch auf Pflegeleistungen: Grundvoraussetzung hierfür ist ein anerkannter Pflegegrad.
- Nehmen Sie an einer Schlaganfall-Selbsthilfegruppe teil: Hier können Sie sich mit anderen Betroffenen austauschen und gegenseitig unterstützen.
- Achten Sie auf eine gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung kann dazu beitragen, Risikofaktoren für einen erneuten Schlaganfall zu reduzieren.
- Besprechen Sie die Möglichkeit der Autofahren mit Ihrem Arzt: Ob Sie nach einem Schlaganfall wieder Auto fahren können, sollten Sie zunächst mit Ihrem Arzt besprechen. Zur Überprüfung Ihrer Eignung können Sie sich bei der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde Ihrer Kommune melden.
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