Das Vergessen von Terminen oder das Suchen nach Wörtern können erste Anzeichen einer neurodegenerativen Erkrankung sein, aber auch normale Alterserscheinungen. Trotz einiger Gemeinsamkeiten gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Demenzerkrankungen, insbesondere in ihren Ursachen. Die S3-Leitlinie Demenzen empfiehlt daher, neben der syndromalen (klinischen) Diagnose einer Demenz auch eine ätiologische Differenzialdiagnostik durchzuführen, um Betroffene und Angehörige angemessen zu beraten und die richtigen Therapieoptionen anzubieten.
Demenzformen im Überblick
Die S3-Leitlinie Demenzen unterscheidet sechs Demenzformen, die sich in ihren Merkmalen und diagnostischen Kriterien unterscheiden:
- Alzheimer-Krankheit: Sie macht 60 % bis 80 % der Demenzfälle aus. Diagnostische Kriterien umfassen spezifische klinische Phänotypen wie die amnestische Variante (fortschreitendes amnestisches Syndrom vom „Hippocampus-Typ“), die posteriore kortikale Atrophie (fortschreitende Störung der visuellen und anderer posterioren kognitiven Funktionen) und die logopenische Variante der primär progressiven Aphasie (fortschreitende Beeinträchtigung beim Abruf von Einzelwörtern und der Wiederholung von Sätzen). Ein Biomarker-Nachweis der Alzheimer-Krankheit (Amyloid- und Tau-positiv) ist ebenfalls relevant.
- Vaskuläre Demenz: Sie ist für 5 % bis 10 % der Demenzfälle verantwortlich. Charakteristisch sind mikro- oder makroangiopathische Veränderungen. Zu den Subformen gehören die Demenz nach Schlaganfall (Post Stroke Dementia, PSD), die subkortikale ischämische vaskuläre Demenz (SIVaD) und die Multi-Infarkt-Demenz (MID).
- Gemischte Demenz: Hier liegen gleichzeitig verschiedene Pathologien vor, z. B. eine Alzheimer-Pathologie und eine vaskuläre Pathologie. Es wird empfohlen, spezifische gemischte Pathologien zu benennen und nicht die weniger spezifische Klassifikation „gemischte Demenz“ zu verwenden, sofern möglich.
- Frontotemporale Demenz: Die S3-Leitlinie Demenzen unterscheidet fünf Subformen: die Verhaltensvariante, primär progressive Aphasien (nicht flüssige/agrammatische, semantische Variante und logopenische Variante).
- Demenz mit Lewy-Körpern: Typische klinische Merkmale sind schwankende Kognition, wiederkehrende visuelle Halluzinationen und REM-Schlaf-Verhaltensstörung.
- Demenz mit Parkinson-Krankheit: Kernmerkmale sind die Diagnose eines M. Parkinson und ein demenzielles Syndrom mit schleichendem Beginn und langsamer Progression.
Normales Altern vs. Alzheimer-Krankheit
Kognitive Veränderungen sind nicht immer ein Anzeichen für eine Demenz. Sie können auch im Zuge des physiologischen Alterns auftreten. Es ist wichtig zu differenzieren, welche Verhaltensweisen noch zum „normalen“ Altern gehören und welche bereits erste Symptome einer Alzheimer-Krankheit sind. Tabelle 2 stellt typische Differenzierungskriterien gegenüber. Grundsätzlich gilt: Es kommt darauf an, wie häufig und persistierend die Anzeichen bzw. Symptome auftreten und wie stark sie das Leben der Betroffenen beeinträchtigen.
Im "normalen" Alterungsprozess kommt es zu gelegentlichem Vergessen mit späterer Rückkehr der Erinnerung und gelegentlichen Fehlern, beispielsweise beim Bezahlen von Rechnungen. Gelegentlich wird Hilfe benötigt, um beispielsweise elektronische Geräte zu bedienen. Es besteht Unsicherheit in Bezug auf den aktuellen Wochentag, wobei sich die Betroffenen später an den richtigen Wochentag erinnern. Sehbeeinträchtigungen können aufgrund einer Katarakt auftreten. Gelegentlich gibt es Schwierigkeiten, einzelne Wörter zu finden. Gegenstände werden gelegentlich verlegt, die aber wiedergefunden werden können. Gelegentlich werden Fehler gemacht oder falsche Entscheidungen getroffen. Es besteht gelegentliches Desinteresse an familiären oder gesellschaftlichen Verpflichtungen. Gewohnheiten oder Routinen werden gelegentlich irritiert, wenn sie gestört werden.
Im Gegensatz dazu beeinträchtigt ein Gedächtnisverlust das tägliche Leben bei einer symptomatischen Alzheimer-Krankheit. Es treten Schwierigkeiten beim Planen oder bei der Lösung von Problemen auf. Es gibt Probleme bei der Erledigung vertrauter Aufgaben. Der zeitliche Überblick (Jahreszeiten, Datum und Uhrzeit) ist verloren gegangen. Eingeschränkte visuelle und räumliche Fähigkeiten treten auf, z. B. Sehveränderungen mit Gleichgewichtsstörungen oder Schwierigkeiten beim Lesen; Schwierigkeiten bei der Einschätzung von Entfernungen sowie dem Erkennen von Farben und Kontrasten. Es treten neu aufgetretene Schwierigkeiten mit dem Schreiben oder Sprechen auf, z. B.: Schwierigkeiten, einem Gespräch zu folgen; plötzliches Abbrechen eines Gesprächs, unbeabsichtigtes Wiederholen, Wortschatzdefizite bezüglich der Benennung vertrauter Gegenstände. Gegenstände werden verlegt, wobei gleichzeitig die Fähigkeit verloren geht, sie wiederzufinden. Es kommt zu vermindertem Urteilsvermögen und veränderter Entscheidungsfindung beispielsweise in Finanzfragen oder mit Auswirkungen auf die Körperpflege. Hobbys werden vernachlässigt sowie der Rückzug von sozialen oder anderen Aktivitäten. Stimmungsschwankungen und Persönlichkeitsveränderungen treten auf, z. B.: leichte Erregbarkeit, Verwirrtheit, Misstrauen, Depression, Ängstlichkeit.
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Differenzialdiagnostik bei kognitiven Störungen
Deuten die Anzeichen einer leichten kognitiven Störung (Mild Cognitive Impairment, MCI) eher auf die Alzheimer-Krankheit oder eine andere Demenzform hin, ist es wichtig, die Ätiologie sorgfältig abzuklären. Eine MCI kann auch auf reversible Ursachen wie eine depressive Erkrankung oder eine Hypovitaminose zurückgehen. Da die Alzheimer-Krankheit mit einer Vielzahl von Symptomen einhergehen kann, werden verschiedene diagnostische Methoden empfohlen:
- Anamnese: Erhebung von Risikofaktoren (Alter, Familienangehörige ersten Grades mit Alzheimer-Krankheit oder anderen Demenzformen, niedriger Bildungsstand), anderen Erkrankungen, die die Kognition beeinflussen können (Bluthochdruck, Diabetes, Schlaganfall, Morbus Parkinson), und kognitionsbeeinträchtigender Medikation (Schlafmittel, Analgetika, Anticholinergika).
- Klinische Untersuchung: Feststellung vorhandener Begleiterkrankungen oder anderer reversibler Ursachen einer MCI. Relevante Aspekte sind die psychopathologische Untersuchung (z. B. Depression), neurologische Untersuchung (z. B. bezüglich Sprach- oder Hörstörungen sowie Anzeichen eines Schlaganfalls), Prüfung der Medikation und körperliche Untersuchung (Ernährungssituation, Blutdruck, Körpertemperatur, Puls, Abhören von Herz und Lunge).
- Blutuntersuchungen: Bestimmung von Blutbild, Thyreoidea-stimulierendem Hormon (TSH), Serumspiegel von Vitamin B12, Elektrolyten im Serum (Na, K, Ca), C-reaktivem Protein (CRP), Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT), Gamma-Glutamyl-Transferase (GGT), Kreatinin, Harnstoff und geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR). Ggf. kann eine genetische Untersuchung auf ApoE helfen, das genetische Risiko für die Alzheimer-Krankheit abzuschätzen.
- Strukturelle Bildgebung: Zum Ausschluss anderer MCI-Ursachen wird die Magnetresonanztomografie (MRT) empfohlen. Ergänzend kann eine Fluordesoxyglucose-Positronenemissionstomografie (FDG-PET) beziehungsweise Amyloid-PET durchgeführt werden, wenn die Ursache einer Demenz oder leichten kognitiven Störung nach Ausschluss reversibler Ursachen und nach klinischer und neuropsychologischer Untersuchung und ggf. Liquorbiomarkern unklar ist.
Aphasie: Sprachstörung durch Hirnschädigung
Aphasie ist eine Sprachstörung, die durch eine Schädigung des Gehirns verursacht wird. In 80 Prozent der Fälle ist ein Schlaganfall die Ursache. Der Begriff "Aphasie" stammt aus dem Griechischen und bedeutet "keine Sprache" oder "Sprachverlust". Es handelt sich nicht um ein Problem der Mundmuskulatur oder Motorik wie bei einer Sprechstörung (z. B. Stottern oder Gesichtslähmung), sondern um eine Störung von Sprachproduktion und Sprachverständnis.
Etwa 30 Prozent der Menschen, die ihren ersten Schlaganfall erleiden, entwickeln eine Aphasie. In etwa einem Drittel der Fälle normalisiert sich die Sprachfunktion innerhalb von vier Wochen wieder weitgehend. Bei einer Aphasie hat das Gehirn Schwierigkeiten, Wörter und Sätze zu codieren, wobei je nach Form und Schweregrad verschiedene sprachsystematische Leistungen betroffen sein können.
Formen der Aphasie
Es gibt verschiedene Formen der Aphasie, die sich in ihren Symptomen unterscheiden:
- Amnestische Aphasie: Diese leichteste Form fällt oft erst spät auf. Betroffene haben Wortfindungsstörungen in der Spontansprache und beim Benennen von Gegenständen, können dies aber oft durch Redefloskeln oder Umschreibungen kaschieren.
- Broca-Aphasie: Der Sprachfluss ist langsam und angestrengt. Betroffene sprechen in kurzen, einfachen Sätzen oder reihen inhaltstragende Wörter einzeln aneinander (Telegrammstil). Die Sprache ist oft durch Wortfindungsstörungen erschwert.
- Wernicke-Aphasie: Die Wahl der passenden Wörter, Sätze oder Laute fällt schwer, und das Sprachverständnis ist meist stark gestört. Betroffene sprechen in langen Schachtelsätzen mit Wiederholungen.
- Globale Aphasie: Dies ist die schwerste Form der Aphasie. Sprachverständnis und eigene Sprache sind massiv gestört, ganze Sätze sind selten. Betroffene nutzen oft einzelne Worte, wiederkehrende Halbsätze und Floskeln.
Therapie und Rehabilitation
Das Gehirn kann sich nach einer Schädigung neu organisieren, was Chancen für einen guten Verlauf der Aphasie bietet. In etwa einem Drittel der Fälle normalisieren sich die Beeinträchtigungen innerhalb der ersten vier Wochen. Wesentliche Ziele der Aphasie-Therapie sind die Reorganisation und Kompensation der Hirnareale, der Aufbau von Fähigkeiten und die Förderung von Sprechen und sozialem Kontakt.
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Die Therapie wird von Logopäden oder Patholinguisten durchgeführt und kann bereits in der Stroke-Unit beginnen. In schweren Fällen (globale Aphasie) kann das Erlernen einer Zeichensprache notwendig sein. Technische Entwicklungen wie Sprachapps und Computerprogramme erleichtern die Behandlung und den Alltag der Betroffenen. Studien zeigen, dass intensives Sprachtraining auch bei chronischer Aphasie zu einer Verbesserung der Sprachstörung und der Lebensqualität führen kann.
Ursachen und Abgrenzung zu anderen Sprachstörungen
Die Ursachen für Aphasien liegen immer im Gehirn (Schädigung bestimmter Hirnareale). Im Unterschied zur Aphasie ist die Dysarthrie eine motorische Sprachstörung. Die Sprechapraxie betrifft die neurologische Planung von Sprechbewegungen.
Umgang mit Aphasie im Alltag
Der Verlust der Sprachfähigkeit kann für Betroffene sehr belastend sein. Es ist wichtig, sie trotz ihrer Sprachstörung zu respektieren und nicht für sie zu sprechen oder sie zu korrigieren. Angehörige sollten eine Kommunikationsstrategie entwickeln und Betroffene weiterhin Dinge ausprobieren lassen, um ihre Selbstständigkeit zu bewahren. Hilfsangebote wie die Begleitung beim Arztbesuch können wichtig sein.
Es gibt Hilfsmittel, die die Kommunikation unterstützen können, z. B. Kärtchen mit Sätzen, Bildern oder Buchstaben, sowie elektronische Kommunikationshilfen. Der Kontakt zu anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen kann ebenfalls hilfreich sein.
Aphasie und Demenz: Ein komplexes Zusammenspiel
Aphasie und Demenz sind zwei unterschiedliche neurologische Erkrankungen, die jedoch miteinander in Verbindung stehen können. Während Aphasie eine Sprachstörung ist, die durch Schädigung bestimmter Hirnareale verursacht wird, ist Demenz ein Oberbegriff für verschiedene Erkrankungen, die mit einem Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit einhergehen.
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Aphasie als Symptom von Demenz
In einigen Fällen kann Aphasie ein Symptom von Demenz sein, insbesondere bei bestimmten Formen wie der primär progressiven Aphasie (PPA) und der semantischen Demenz. Bei der PPA gehen vor allem die Nervenzellen des linken Stirnlappens zugrunde, was zu einer Aphasie der gesprochenen Sprache, des Sprachverständnisses, des Lesens und Schreibens führt. Bei der semantischen Demenz können die Betroffenen zwar noch Worte aussprechen, haben aber ihre Bedeutung vergessen.
Abgrenzung von Aphasie und Demenz
Es ist wichtig zu betonen, dass Aphasie nicht automatisch eine Demenz bedeutet. Bei einer "reinen" Aphasie sind die geistigen Fähigkeiten des Betroffenen weitgehend unbeeinträchtigt. Er kann denken, sich erinnern und Situationen analysieren, hat aber Schwierigkeiten, sich sprachlich auszudrücken oder andere zu verstehen. Im Gegensatz dazu beeinträchtigen Demenzerkrankungen zusätzlich das Gedächtnis, das Denken und die sozialen Fähigkeiten.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Umgang
Sowohl bei Aphasie als auch bei Demenz ist ein respektvoller und geduldiger Umgang mit den Betroffenen wichtig. Angehörige und Pflegekräfte sollten sich bemühen, die Kommunikation zu erleichtern, indem sie einfache Sätze verwenden, langsam sprechen und nonverbale Signale nutzen. Es ist wichtig, die Betroffenen in Entscheidungsprozesse einzubeziehen und ihnen so viel Selbstständigkeit wie möglich zu erhalten.
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