Schwerhörigkeit ist ein weit verbreitetes Problem, das die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen kann. Glücklicherweise gibt es Hörgeräte, die helfen können, diese Defizite auszugleichen und die Kommunikation im Alltag zu erleichtern. Für gesetzlich Versicherte in Deutschland übernehmen die Krankenkassen die Kosten für digitale Hörgeräte, die den individuellen Bedürfnissen entsprechen, sowie das erforderliche Zubehör und Serviceleistungen. Dabei gelten Festbeträge, die die Höhe der Kostenübernahme regeln.
Funktionsweise von Hörgeräten
Hörgeräte verstärken Geräusche, um die Auswirkungen von Schwerhörigkeit zu mildern oder zu beseitigen. Moderne Hörhilfen können jedoch noch mehr:
- Sprachverstehen bei Umgebungsgeräuschen verbessern: Filterung von Hintergrundlärm, um Gespräche klarer zu machen.
- Räumliches Hören ermöglichen: Lokalisierung von Schallquellen für ein natürlicheres Hörerlebnis.
- Beeinträchtigung durch Tinnitus abmildern: Spezielle Programme, die Tinnitus-Geräusche überdecken oder reduzieren.
Wer zahlt was? Die Kostenübernahme durch die Krankenkasse
Wenn ein HNO-Arzt eine Hörhilfe verschreibt, übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die Kosten für das medizinisch notwendige Kassengerät. Wer ein höherwertiges, optisch ansprechenderes oder technisch fortschrittlicheres Gerät wünscht, muss den Mehrpreis selbst tragen. Ob ein von der Krankenkasse bezahltes Grundmodell ausreicht, hängt von individuellen Faktoren ab und kann nicht verallgemeinert werden.
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen höchstens 704,37 Euro pro Hörgerät. Zuschläge gibt es für individuell gefertigte Ohrstücke (45,07 Euro) und offene Versorgung mit Hörschlauch und Schirmchen (11,61 Euro). Bei an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit erhöht sich die Kostenübernahme für das Hörgerät auf 734,81 Euro. Bei einohriger Versorgung gibt es einen Zuschlag von bis zu 115,96 Euro, bei an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit sogar bis zu 117,76 Euro. Für Tinnitus-Kombigeräte gelten höhere Festbeträge.
Es ist wichtig zu beachten, dass diese Festbeträge nicht fix sind. Die tatsächlich gezahlten Preise werden zwischen Krankenkassen und Akustikern vereinbart und können unter den genannten Festbeträgen liegen. Derzeit beträgt der durchschnittliche Festbetrag rund 635 Euro je Hörsystem und 40 Euro für die Ohrpassstücke (Otoplastik). Die genaue Höhe kann von Krankenkasse zu Krankenkasse variieren. Der Hörgeräteakustiker ist verpflichtet, ein Hörgerät anzubieten, das den genannten Standards entspricht, unabhängig vom vereinbarten Preis. Ein neues Hörgerät kann frühestens nach sechs Jahren beantragt werden.
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Versicherte zahlen bei einem eigenanteilsfreien Hörgerät (Kassenmodell) lediglich eine gesetzliche Zuzahlung von höchstens 10 Euro pro Gerät. Die Krankenkasse übernimmt zudem die Kosten für Beratung und Anpassung des Geräts durch den Hörgeräteakustiker.
Festbetragsfestsetzung für Hörhilfen: Rechtsgrundlage und gerichtliche Auseinandersetzung
Die Rechtsgrundlage für die Festbetragsfestsetzung für Hörhilfen ist § 36 SGB V (Sozialgesetzbuch V). Diese Vorschrift ermächtigt den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, Hilfsmittel zu bestimmen, für die Festbeträge festgesetzt werden. Dabei sollen gleichartige und gleichwertige Mittel in Gruppen zusammengefasst und die Einzelheiten der Versorgung festgelegt werden. Die Festbeträge sind so festzusetzen, dass sie im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten. Sie sollen Wirtschaftlichkeitsreserven ausschöpfen, einen wirksamen Preiswettbewerb auslösen und sich an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten ausrichten. Die Festbeträge sind mindestens einmal im Jahr zu überprüfen und an eine veränderte Marktlage anzupassen.
Klagen gegen die Festsetzung der Festbeträge haben keine aufschiebende Wirkung.
In der Vergangenheit gab es juristische Auseinandersetzungen um die Festbetragsfestsetzung für Hörhilfen. Eine Klage gegen eine Festbetragsfestsetzung für die Zeit bis zum 30. Juni 2014 wurde zwar als rechtswidrig erachtet, jedoch wurde die Klägerin dadurch nicht in ihren eigenen Rechten verletzt. Das Gericht argumentierte, dass die Festbetragsfestsetzungen Verwaltungsakte in der Form von Allgemeinverfügungen darstellen. Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage gäbe es für Versicherte mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit keinerlei Festbetrag.
Klagebefugnis von Versicherten
Versicherte haben grundsätzlich die Möglichkeit, gegen Festbetragsfestsetzungen zu klagen, wenn sie durch diese beschwert sind. Dies ist der Fall, wenn sie vom persönlichen Geltungsbereich der Festbetragsfestsetzung erfasst sind, beispielsweise aufgrund ihrer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit. Allerdings mangelt es Versicherten an der Klagebefugnis, wenn der Eintritt eines einschlägigen Leistungsfalles gänzlich ungewiss ist.
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Im Hilfsmittelbereich genügt es für die Klagebefugnis, dass die Klägerin zu den Versicherten mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit zählt und aktuell eine Versorgung mit Hörgeräten begehrt. Ein Leistungsanspruch der Klägerin gegen ihre Krankenkasse ist nicht ausgeschlossen, selbst wenn das von ihr ausgewählte Hörgerät hinter den im angefochtenen Beschluss genannten technischen Mindestanforderungen zurückbleibt. Die Formulierung im Beschluss, dass Hörgeräte für die Versorgung von an Taubheit grenzenden Patienten über bestimmte Features verfügen müssen, darf nicht als ausnahmsloses Abgabeverbot für Geräte ohne diese Features verstanden werden. Denn Festbeträge sollen nur "im Allgemeinen" eine ausreichende Versorgung gewährleisten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall auch ein Hörgerät ausreichend sein kann, das technisch nicht den genannten Anforderungen genügt.
Prüfung der Festbetragsfestsetzung
Bei der Prüfung von Festbetragsfestsetzungen ist ein eigener Prüfungsmaßstab anzuwenden, der die Besonderheiten dieser Regelungsmaterie berücksichtigt. Anders als bei der Festbetragsgruppenbildung im Arzneimittelbereich, die durch untergesetzliche Normen geregelt wird, wird über die Festbetragsgruppenbildung für Hilfsmittel durch Verwaltungsakt entschieden. Zudem berechtigt § 36 Abs. 1 Satz 2 SGB V den Beklagten auch, "Einzelheiten der Versorgung" festzulegen.
Hörgeräteversorgung in der Praxis
Die Versorgung mit Hörgeräten beginnt in der Regel mit einem Hörtest beim Hörakustiker. Dieser untersucht das Gehör und stellt fest, ob eine Schwerhörigkeit vorliegt. Bei Bedarf wird eine Ohrabformung zur Herstellung eines individuellen Ohrpassstücks genommen. Der Hörakustiker berät den Kunden bei der Auswahl des passenden Hörgeräts und passt es individuell an.
Die Krankenkassen haben Verträge mit Hörgeräteakustikern geschlossen, in denen die Einzelheiten der Hörgeräteversorgung festgelegt sind. Die Qualität der Hilfsmittel sowie die notwendige Beratung der Versicherten und sonstige erforderliche Dienstleistungen müssen sichergestellt werden. Der Hörakustiker übernimmt in der Regel die Abwicklung der Formalitäten mit der Krankenkasse.
Moderne Hörsysteme und ihre Vorteile
Moderne Hörsysteme bieten eine Vielzahl von Vorteilen:
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- Verbesserung der Lebensqualität: Aktivitäten mit Familie und Freunden, Telefonieren, Fernsehen, Musik hören, Auto und Fahrrad fahren werden trotz Hörverlust wieder möglich.
- Teilnahme an Gesprächen: Volle Teilnahme an Gesprächen, was auch für das Umfeld eine enorme Erleichterung darstellt.
- Vorbeugung sozialer Isolation: Unversorgte Hörprobleme belasten zwischenmenschliche Beziehungen und führen häufig zu beruflichen Nachteilen und zur sozialen Isolation.
- Gesundheitliche Vorteile: Vorbeugung einer Vielzahl gesundheitlicher Folgen und Risiken, die eine unversorgte Hörminderung zur Folge haben kann, wie Depression, erhöhtes Sturzrisiko im Alter und die Gefahr kognitiven Leistungsabfalls.
Regelmäßige Hörtests empfohlen
Ein nachlassendes Hörvermögen kommt selten über Nacht. Meistens verändert sich die Hörfähigkeit schleichend und unbemerkt. Deshalb wird dazu geraten, das Gehör auch ohne konkreten Anlass regelmäßig testen zu lassen. Je schneller eine Hörminderung versorgt wird, desto weniger Nachteile entstehen für den Betroffenen und desto größer sind die persönlichen Vorteile.
Festbeträge der Krankenkassen im Überblick
Die Höhe des Zuschusses der Krankenkassen für Hörsysteme ist gesetzlich geregelt und richtet sich in erster Linie nach dem Grad der Schwerhörigkeit. Der Spitzenverband gesetzlicher Krankenkassen (GKV) fasst die unterschiedlichen Schwerhörigkeitsgrade in zwei Gruppen zusammen - WHO2/3 und WHO4 (an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit). Die Klassifizierung der jeweiligen Schwerhörigkeitsgrade ist von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegt worden.
Seit März 2012 gelten neue Festbeträge für gesetzlich Versicherte für an Taubheit grenzende Schwerhörige nach WHO 4. Der Festbetrag für an Taubheit grenzende Schwerhörige nach WHO 4 ist etwas höher als für mittel- bis hochgradig Schwerhörige.
Zuzahlung und Eigenanteil
Die Höhe der Zuzahlung für ein Hörgerät richtet sich nach dem Funktionsumfang des Hörsystems und nach den Festbeträgen der jeweiligen Krankenkasse. Je nach Krankenkasse und Hörgerät-Modell beträgt die Zuzahlung für Hörgeräte bis zu 2.800 EUR pro Gerät (WHO 4 Fall), zzgl. Rezeptgebühr.
Es ist möglich, ein Hörgerät zu wählen, das mehr kostet als die Krankenkasse zuzahlt. In diesem Fall muss der Patient den Differenzbetrag selbst tragen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, bei der Krankenkasse eine Kostenerstattung für Mehrleistungen zu beantragen.
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