Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), von der weltweit etwa 2,5 Millionen Menschen betroffen sind. In Deutschland sind es über 100.000 Betroffene, wobei Frauen doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. Die Diagnose MS zu stellen, ist nicht immer einfach, da die Betroffenen oft unterschiedliche Beschwerden haben und es keine Symptome gibt, die nur bei MS vorkommen.
Was ist Multiple Sklerose?
Multiple Sklerose (MS) ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem Teile des Gehirns und des Rückenmarks angreift. Diese autoimmunen Prozesse schädigen Nervenfasern und Nervenzellen, was zu fehlerhaften oder fehlenden Informationsweiterleitungen führt. Dies kann vielfältige neurologische Störungen verursachen, wie z. B. Sehstörungen oder Bewegungseinschränkungen. Die Symptome treten entweder in Schüben auf oder entwickeln sich langsam schleichend.
Ursachen von Multipler Sklerose
Die genauen Ursachen von MS sind bis heute leider unerforscht. Es wird vermutet, dass es sich um eine Autoimmunreaktion handelt, bei der körpereigene Strukturen fälschlicherweise von Abwehrzellen angegriffen werden, was zu einem Abbau der Nervenfaser-Schutzhülle führt. Viele Experten vermuten eine Fehlreaktion des Immunsystems, also eine Autoimmunerkrankung, als Ursache. Bei einer Autoimmunerkrankung wenden sich die Abwehrzellen des Körpers gegen die Strukturen des eigenen Körpers, anstatt eingedrungene Viren oder Bakterien zu bekämpfen. Bei MS greifen weiße Blutkörperchen (Leukozyten) das Nervengewebe an und lösen Entzündungen aus, wodurch die Hüllen der Nervenfasern (Myelinscheiden) zerstört werden. Dieser Vorgang wird als Entmarkung oder Demyelinisierung bezeichnet. MS-Patienten weisen Areale (Plaques) mit Myelinschädigung im Gehirn und im Rückenmark auf, die sich dann zu Narben weiterbilden. Dadurch können Nervensignale nicht oder kaum weitergeleitet werden, was zu Nervenausfällen führt.
Genetische Faktoren
Manche Experten glauben, dass MS teilweise vererbbar sein kann. Studien mit Zwillingen zeigen, dass das Risiko für MS bei Kindern von MS-Kranken, die eineiige Zwillinge sind, um 25-30% höher ist als bei der Normalbevölkerung. Handelt es sich um zweieiige Zwillinge, ist das Risiko um 5% höher. Die Eltern und Kinder eines MS-Erkrankten haben ein doppelt- bis dreifach erhöhtes Risiko, ebenfalls daran zu erkranken. Bis heute ist nicht klar, welche Gene an der Entstehung von MS teilhaben. Vermutet werden unter anderem Veränderungen des HLA-DRB1-Antigens, des Apolipoproteins E oder des Interferon Gamma-Gens.
Infektionen
Es gibt Diskussionen darüber, ob Infektionen MS auslösen können. Mögliche Infektionen sind das Masern-Virus, das Humane Herpes-Virus 6 (HHV-6) und das Epstein-Barr-Virus (EBV). Auch bestimmte Chlamydien-Bakterien, wie Chalmydia pneumoniae, werden mit MS in Zusammenhang gebracht. Es wird jedoch nicht vermutet, dass es nur eine bestimmte Infektionskrankheit gibt, die MS auslösen kann.
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Umweltfaktoren
Rauchen gehört zu den möglichen auslösenden Umweltfaktoren. Daneben vermutet man auch Vitamin D als Risikofaktor für MS. Menschen, die als Kinder verstärkt in der Sonne waren und dementsprechend mehr Vitamin D produziert haben, erkrankten im Vergleich zu Menschen mit einem niedrigen Vitamin D-Spiegel viel weniger an MS. Dieser Risikofaktor wurde bemerkt, nachdem es offensichtlich wurde, dass MS mit der geographischen Breite in Verbindung gebracht werden kann: Je mehr man sich vom Äquator entfernt, desto mehr MS-Fälle gibt es.
Geschlecht
Eine weitere mögliche Ursache ist das Geschlecht, da Frauen in der Regel häufiger an MS erkranken als Männer. Hierfür wurde jedoch noch keine plausible Erklärung gefunden. Es wird lediglich vermutet, dass Frauen häufiger zum Arzt gehen und die Krankheit somit auch häufiger festgestellt werden kann.
Symptome von Multipler Sklerose
Die Symptome von MS sind vielfältig und individuell. Aufgrund der Vielzahl ihrer Symptome gilt die MS auch als „Krankheit mit den 1000 Gesichtern“. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Fatigue-Syndrom: Dauerhafte Müdigkeit, Erschöpfung und Energielosigkeit (96%)
- Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen: Schwindelgefühle, Zittern und Gangstörungen (92%)
- Mobilitätsverlust: Bewegungseinschränkung, Muskelschwäche (91%)
- Gefühlsstörungen: Spannungsgefühle in den Gelenken und der Hüftregion, Gelenkschmerzen (88%)
- Sehstörungen: Entzündeter Sehnerv, verschwommenes Sehen, Lichtblitze, Ausfälle des Gesichtsfelds (82%)
- Muskellähmungen: Lähmungserscheinungen in den Armen und Beinen, Muskelschwäche
Weitere mögliche Symptome sind unsicherer Gang, zitternde Hände, Sprachstörungen, Stimmungsschwankungen und depressive Verstimmungen.
Diagnose von Multipler Sklerose
Die Diagnose von MS ist oft mühsam und kann Wochen, Monate oder sogar Jahre dauern. Die Suche nach der „Krankheit mit den 1.000 Namen“ ähnelt einem Puzzle: Je mehr Teile (Befunde) zusammenpassen, desto sicherer liegt tatsächlich eine MS vor. Die Diagnose erfolgt in der Regel durch einen Facharzt für Neurologie und umfasst mehrere Schritte:
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- Krankengeschichte (Anamnese): Der Arzt fragt nach den genauen Beschwerden, dem Zeitpunkt des ersten Auftretens, Veränderungen der Beschwerden und ob Autoimmunerkrankungen oder MS-Fälle in der Familie bekannt sind.
- Neurologische Untersuchung: Überprüfung der Funktion des Gehirns und der Nerven, einschließlich Augen, Hirnnerven, Empfindung, Muskelkraft, Koordination, Reflexe und Zusammenspiel der Nervenleitung für Harnblase, Mastdarm und Sexualorgane.
- Blut- und Urin-Untersuchungen: Ausschluss anderer möglicher Ursachen für die Symptome und Entzündungen im Nervensystem. Es gibt keine spezifischen Blutwerte, die auf MS hindeuten.
- Kernspintomografie (MRT): Sichtbarmachung von Entzündungsherden im Gehirn und Rückenmark. Die Diagnose-Kriterien verlangen bei einer schubförmig verlaufenden MS, dass diese Entzündungsherde räumlich und zeitlich zerstreut (disseminiert) auftreten.
- Liquor-Diagnostik: Untersuchung des Nervenwassers (Liquor) auf chronisch-entzündliche Prozesse im zentralen Nervensystem, wie sie unter anderem bei MS ablaufen. Dazu zählt unter anderem der Nachweis von bestimmten Eiweiß-Mustern, sogenannten oligoklonalen Banden (OKB).
- Neurophysiologische Untersuchung: Test der Leitfähigkeit von Nervenbahnen (evozierte Potenziale), um klinisch nicht nachweisbare Schäden im zentralen Nervensystem nachzuweisen und bestehende Symptome objektiv zu erfassen.
Antinukleäre Antikörper (ANA)
Bei der Diagnostik von Autoimmunerkrankungen, zu denen auch MS gehört, können antinukleäre Antikörper (ANA) eine Rolle spielen. ANA sind Autoantikörper gegen Bestandteile der Zellkerne. Ein positiver ANA-Titer kann auf eine Autoimmunerkrankung hinweisen, muss aber nicht. Falsch-positive ANA-Titer können durch Arzneimittel oder andere Faktoren verursacht werden.
Verlaufsformen von Multipler Sklerose
Man unterscheidet drei Hauptformen der Multiplen Sklerose:
- Schubförmig-remittierende MS (RRMS): Die Krankheit verschlechtert sich in Schüben, gefolgt von Phasen der teilweisen oder vollständigen Remission.
- Sekundär-progressive MS (SPMS): Entwickelt sich aus der RRMS und ist durch eine fortschreitende Verschlechterung der Symptome gekennzeichnet, mit oder ohne Schübe.
- Primär-progressive MS (PPMS): Die Symptome nehmen von Beginn an langsam schleichend zu, ohne dass Schübe auftreten.
Behandlung von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose ist bis heute unheilbar, aber behandelbar. Ziel der Behandlung ist es, die Schübe zu reduzieren, die Zunahme der Behinderung zu verlangsamen und die Symptome zu lindern. Die moderne Therapie zielt auf die Modulation des Immunsystems, den Erhalt der Immunabwehr und die Anpassung von Umweltfaktoren.
Akuter Schub
Bei einem akuten Schub wird in der Regel für wenige Tage ein Kortisonpräparat intravenös verabreicht, um die Entzündungsreaktion einzudämmen.
Immunmodulatorische Therapien
Immunmodulatorische Therapien haben die MS-Behandlung revolutioniert. Sie zielen darauf ab, die Funktion spezifischer Immunpopulationen zu beeinflussen. Beispiele hierfür sind:
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- B-Zell-gerichtete Therapien: Diese Therapien zielen auf B-Zellen ab, die eine wichtige Rolle bei der Entstehung von MS spielen. Rituximab, Ocrelizumab und Ofatumumab sind Beispiele für B-Zell-gerichtete Therapien.
- Antikörpertherapien: Verschiedene Antikörpertherapien sind verfügbar, die auf unterschiedliche Mechanismen wirken. Daclizumab und Alemtuzumab sind Beispiele für Antikörpertherapien.
Umweltfaktoren und Ernährung
Umweltfaktoren wie Virusinfektionen, Vitamin-D-Mangel, salzreiche Ernährung, zu viele überlange Fettsäuren und Zigarettenkonsum werden als Trigger der MS-Manifestation und -Progression diskutiert.
Viele Daten deuten darauf hin, dass die Ernährung den Verlauf der MS beeinflussen kann. Langkettige Fettsäuren fördern die Entstehung und Vermehrung von Entzündungszellen in der Darmwand, während kurzkettige Fettsäuren (Propionsäure oder deren Salz Propionat) zur Entstehung und Verbreitung von regulatorischen Zellen des Immunsystems führen.
Rehabilitation und symptomatische Therapie
Neben der medikamentösen Behandlung spielen Rehabilitation und symptomatische Therapie eine wichtige Rolle bei der Behandlung von MS. Ziel ist es, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern und die Auswirkungen der Erkrankung auf den Alltag zu minimieren.
Leben mit Multipler Sklerose
Das Leben mit Multipler Sklerose kann eine Herausforderung sein. Es ist wichtig, sich umfassend über die Erkrankung zu informieren, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Mit der richtigen Behandlung und Unterstützung können Menschen mit MS ein erfülltes Leben führen.