Prädiabetes-Remission: Ein Weg zur Vermeidung von Typ-2-Diabetes und seinen Komplikationen

Prädiabetes, eine Vorstufe des Typ-2-Diabetes, birgt ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Gesundheitsprobleme wie Herzinfarkt, Nierenerkrankungen, Augenerkrankungen und verschiedene Krebsarten. Während es in Deutschland keine zugelassene medikamentöse Therapie für Prädiabetes gibt, suchen Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) nach Mechanismen, die Prädiabetes in Remission bringen können. Remission bedeutet in diesem Zusammenhang einen Zustand, in dem die Blutzuckerwerte wieder im Normbereich liegen, ohne dass von einer vollständigen Heilung auszugehen ist.

Die Bedeutung der Prädiabetes-Remission

Menschen mit Typ-2-Diabetes haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Nierenerkrankungen, Herzinfarkt oder Schlaganfall und sind einer höheren Sterblichkeit ausgesetzt. Bis vor einigen Jahren galt Typ-2-Diabetes als unheilbar. Mittlerweile hat sich jedoch gezeigt, dass eine starke Gewichtsreduktion bei einem Teil der Betroffenen zu einer Remission des Typ-2-Diabetes führen kann, die jedoch selten dauerhaft ist. Die meisten Patienten entwickeln nach fünf Jahren erneut einen Typ-2-Diabetes.

Prof. Dr. Andreas Birkenfeld, Ärztlicher Direktor der Medizinischen Klinik IV des Universitätsklinikums Tübingen und Leiter des Instituts für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Munich an der Universität Tübingen, erklärt: "Wir haben uns daher das Ziel gesetzt, schon früher zu starten und zu untersuchen, ob es möglich ist, bereits in der Vorstufe des Typ-2-Diabetes, dem Prädiabetes, vorbeugend tätig zu werden und diesen rückgängig zu machen." Für Patienten mit Prädiabetes wäre dies von großer Bedeutung, da sie ein erhöhtes Risiko für Komplikationen an Herz, Nieren und Augen haben.

Mechanismen der Remission bei Prädiabetes

DZD-Wissenschaftler vom Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) von Helmholtz Munich in Tübingen und der Klinik für Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie am Universitätsklinikum Tübingen untersuchten in einer Post-hoc-Analyse von Teilnehmern mit Prädiabetes aus der Prediabetes Lifestyle Intervention Study (PLIS), welche Mechanismen zur Remission bei Prädiabetes führen.

In dieser randomisiert-kontrollierten Multicenter-Studie des DZD nahmen 1.105 Prädiabetes-Patienten über ein Jahr an einer Lebensstilintervention teil, die aus gesunder Ernährung und mehr körperlicher Bewegung bestand. Die Forscher werteten die Daten von 298 Teilnehmern aus, die im Rahmen dieser Intervention mindestens fünf Prozent ihres Gewichts verloren hatten. Als Responder galten Teilnehmer, deren Nüchternblutzucker, 2-Stunden-Glukose und HbA1c-Wert sich innerhalb von zwölf Monaten normalisiert hatten, also in Remission gegangen waren. Diejenigen, die trotz Gewichtsverlust keine Remission erreichten und weiterhin einen Prädiabetes hatten, galten als Non-Responder.

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Insulinsensitivität und viszerales Bauchfett als Schlüsselfaktoren

Entgegen den ersten Vermutungen der Forscher war es nicht der Gewichtsverlust allein, der die Menschen unterschied, die in Remission gingen, und diejenigen, die dies nicht taten. Es gab keinen Unterschied in der relativen Gewichtsabnahme zwischen Respondern und Non-Respondern. Allerdings zeichneten sich die Responder dadurch aus, dass sie ihre Insulinsensitivität stärker verbessern konnten als die Non-Responder. Sie konnten also ihre Empfindlichkeit gegenüber dem blutzuckersenkenden Hormon Insulin deutlich stärker steigern als die Non-Responder. Die Menge des ausgeschütteten Insulins blieb indes in beiden Gruppen unverändert. Dies stellt einen wichtigen Unterschied zur Remission von Typ-2-Diabetes dar, die insbesondere durch eine Verbesserung der Insulinausschüttung vermittelt wird.

Um herauszufinden, warum sich die Insulinsensitivität bei den Respondern stärker verbessert hatte, suchten die Forscher nach weiteren Unterschieden zwischen den beiden Gruppen - und wurden in der Körpermitte fündig: Die Responder hatten trotz gleicher Gewichtsabnahme mehr viszerales Bauchfett abgebaut als die Non-Responder. Viszerales Bauchfett liegt direkt in der Bauchhöhle und umgibt den Darm. Es kann die Insulinsensitivität beeinflussen, unter anderem durch eine Entzündungsreaktion im Fettgewebe. Die Teilnehmer, die in Remission gingen, hatten tatsächlich auch weniger Entzündungsproteine im Blut. Arvid Sandforth, einer der beiden Erstautoren, betont: "Da Responder insbesondere eine Verringerung des viszeralen Bauchfetts aufwiesen, ist es wichtig, in Zukunft die Faktoren zu identifizieren, die den Verlust des viszeralen Bauchfetts begünstigen." Bei der Reduktion des Leberfetts dagegen - ebenfalls ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung von Diabetes - gab es überraschenderweise keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen.

Langfristige Vorteile der Prädiabetes-Remission

Die Teilnehmer, die eine Remission erreicht hatten, wiesen noch zwei Jahre nach Ende der Lebensstilintervention ein um 73 Prozent reduziertes Risiko auf, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Außerdem zeigten sie reduzierte Marker der Nierenschädigung und einen besseren Zustand ihrer Blutgefäße. Die Teilnehmer der PLIS-Studie werden überdies von den Wissenschaftlern weiter beobachtet, um zu erfassen, wie lange sich dieser Vorteil in Zukunft fortsetzt.

Remission als neues Therapieziel

Aktuell besteht die Behandlung des Prädiabetes in einer Gewichtsreduktion und Verbesserung des Lebensstils, um den Ausbruch des Typ-2-Diabetes hinauszuzögern - allerdings ohne, dass glukosebasierte Zielwerte zur Verfügung stehen, an denen sich der Behandlungsprozess orientieren könnte. Die neue Analyse des DZD schließt diese Lücke: "Basierend auf den neuen Daten sollte die Remission das neue Therapieziel bei Menschen mit Prädiabetes sein. Dies hat das Potenzial, die Behandlungspraxis zu verändern und die Komplikationsrate für unsere Patientinnen und Patienten zu minimieren", sagt Co-Erstautor Prof. Dr. Reiner Jumpertz-von Schwartzenberg.

Von einer Remission bei Prädiabetes ist der Studie zufolge auszugehen, wenn der Nüchternblutzucker unter 100mg/dl (5,6 mmol/l), die 2-Stunden-Glukose unter 140mg/dl (7,8 mmol/l) und der HbA1c-Wert unter 5,7 Prozent sinkt. Die Wahrscheinlichkeit einer Remission steigt den neuen Ergebnissen zufolge, je mehr das Körpergewicht gesenkt wird und der Bauchumfang zumindest um etwa 4 cm bei Frauen und ca. 7 cm bei Männern reduziert werden. Daran könnten sich ärztliches Personal und Patienten nun orientieren, so die Forschenden. Im weiteren Verlauf wollen sie untersuchen, ob diese Strategie kostensparend ist, um auch die Unterstützung der Kostenträger für eine entsprechende Therapie zu gewährleisten.

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Fazit

Die Forschung des DZD zeigt, dass eine Remission bei Prädiabetes möglich ist und langfristige Vorteile für die Gesundheit bietet. Durch gezielte Lebensstilinterventionen, die auf die Verbesserung der Insulinsensitivität und die Reduktion des viszeralen Bauchfetts abzielen, können Menschen mit Prädiabetes ihr Risiko für Typ-2-Diabetes und seine Komplikationen deutlich reduzieren. Die Festlegung der Remission als neues Therapieziel könnte die Behandlungspraxis verändern und die Gesundheit von Millionen von Menschen verbessern.

Original-Publikation:

Sandforth A, Jumpertz-von Schwartzenberg R et al. (2023): Mechanisms of weight loss-induced remission in people with prediabetes: A Post-hoc Analysis of the Randomized Controlled Multicenter Prediabetes Lifestyle Intervention Study (PLIS).

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