Wechselatmung (Anuloma Viloma/Nadi Shodhana): Wirkung auf das Gehirn und den Körper

Die Wechselatmung, auch bekannt als Anuloma Viloma oder Nadi Shodhana, ist eine grundlegende Atemtechnik (Pranayama) im Yoga, die darauf abzielt, Körper und Geist in Einklang zu bringen. Sie wird in fast jeder Yogastunde bei Yoga Vidya praktiziert. Der Sanskritname Anuloma Viloma bedeutet wörtlich "Mit dem Strich, gegen den Strich", was sich auf das abwechselnde Ein- und Ausatmen durch das linke und rechte Nasenloch bezieht. Diese Technik ist nicht nur eine einfache Atemübung, sondern ein kraftvolles Werkzeug zur Harmonisierung der Energiebahnen (Nadis) und zur Förderung des inneren Gleichgewichts.

Was ist Wechselatmung (Anuloma Viloma)?

Anuloma Viloma, auch Nadi Shodhana genannt, ist eine Atemübung, bei der abwechselnd durch das linke und rechte Nasenloch geatmet wird. Die Wechselatmung ist in der Yoga Vidya Reihe die zweite Atemübung (Pranayama) und folgt auf Kapalabhati, die Schnellatmung.

Die Bedeutung der Nadis

Im Yoga wird angenommen, dass der Körper von einem Netzwerk von Energiebahnen, den Nadis, durchzogen ist. Von besonderer Bedeutung sind Ida und Pingala, die links und rechts der Wirbelsäule verlaufen. Ida steht für die kühlende Mondenergie, die mit Ruhe, Kreativität und Introversion verbunden ist, während Pingala die aktivierende Sonnenenergie verkörpert, die rationales Denken und Tatkraft fördert. Die Balance zwischen diesen beiden Energien ist entscheidend für unser Wohlbefinden. Die Wechselatmung wirkt reinigend auf alle 72000 Nadis, sodass Prana, die Lebensenergie, besser fließen kann. Insbesondere Ida, Pingala und Sushumna werden geöffnet, wodurch Sonnen- und Mondenergie in Ida und Pingala harmonisiert werden. Durch das Öffnen der Sushumna kann das Prana in die höheren Chakras fließen.

Wie funktioniert die Wechselatmung?

Bei der Wechselatmung wird im Verhältnis 2:8:4 durch ein Nasenloch eingeatmet, der Atem angehalten und dann durch das andere Nasenloch ausgeatmet. Eine Runde besteht aus sechs Schritten:

  1. Atme durch das linke Nasenloch ein, während du das rechte mit dem Daumen schließt.
  2. Halte den Atem an und schließe beide Nasenlöcher.
  3. Atme durch das rechte Nasenloch aus, während du das linke mit Ringfinger und kleinem Finger geschlossen hältst.
  4. Atme durch das rechte Nasenloch ein, während du das linke geschlossen hältst.
  5. Halte den Atem an und schließe beide Nasenlöcher.
  6. Atme durch das linke Nasenloch aus, während du das rechte mit dem Daumen schließt.

Diese Schritte werden mehrmals wiederholt, wobei die Zeiten später gesteigert werden können.

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Praktische Anleitung

  1. Setze dich in einen bequemen Sitz mit gerader Wirbelsäule, entweder auf einem Stuhl oder auf dem Boden.
  2. Hebe die rechte Hand und beuge Zeige- und Mittelfinger (Vishnu Mudra).
  3. Schließe das rechte Nasenloch mit dem Daumen und atme 4 Sekunden lang durch das linke Nasenloch ein. Der Bauch geht dabei nach vorne.
  4. Schließe beide Nasenlöcher und halte den Atem für 8 Sekunden an.
  5. Öffne das rechte Nasenloch und atme 8 Sekunden lang durch das rechte Nasenloch aus.
  6. Atme rechts 4 Sekunden lang ein, halte den Atem 8 Sekunden lang an und atme links 8 Sekunden lang aus.
  7. Wiederhole diese Runden 5-10 Mal oder länger.

Häufige Fehler und Korrekturen

  • Fehler: Kopf schief (meist nach rechts), Kopf zu weit unten oder oben, rechte Schulter hochgezogen, Wirbelsäule nicht aufgerichtet.
  • Korrekturen: Hände auf die Schultern legen und zurückziehen, um den Rücken gerade zu machen, Schultern entspannen, Kopf sanft gerade rücken.

Die Wirkung der Wechselatmung auf das Gehirn

Die Wechselatmung harmonisiert die linke und rechte Gehirnhälfte. Die moderne Hirnphysiologie weiß, dass die Körperhälften von der entgegengesetzten Gehirnhälfte gesteuert werden. Durch das wechselseitige Atmen durch das linke und rechte Nasenloch werden die Hirnhälften besser miteinander verknüpft, was die menschlichen Grundfähigkeiten harmonisiert.

Wissenschaftliche Erkenntnisse

Studien haben gezeigt, dass die einseitige Atmung durch ein Nasenloch die Aktivität in der gegenüberliegenden Gehirnhälfte erhöht. Das Atmen durch das rechte Nasenloch (verbunden mit Pingala und Sonnenenergie) aktiviert die linke Gehirnhälfte, die für analytisches, rationales Denken und logische Prozesse verantwortlich ist. Umgekehrt aktiviert das Atmen durch das linke Nasenloch die rechte Gehirnhälfte, die mit Kreativität und Intuition in Verbindung steht. Eine aktuelle Untersuchung aus dem Jahr 2022 bestätigte, dass das Atmen durch das dominante Nasenloch zu einer erhöhten Aktivität in spezifischen Gehirnregionen führte, während das Atmen durch das nicht-dominante Nasenloch eine ausgleichende Wirkung auf die Gehirnaktivität hatte.

EEG-Messungen und Gehirnwellen

EEG-Messungen vor und nach der Wechselatmung zeigen, dass sich die Gehirnaktivität hin zu einer optimalen Balance bewegt. Menschen mit einem unausgeglichenen Verhältnis zwischen den Gehirnhälften (R/L-Verhältnis) zeigten nach der Übung Werte, die näher am Durchschnitt lagen. Dies deutet darauf hin, dass die Wechselatmung dazu beitragen kann, das Gleichgewicht zwischen den Gehirnhälften wiederherzustellen. Zudem wurde eine Zunahme von Alphawellen beobachtet, was auf einen Zustand entspannter Aufmerksamkeit hindeutet.

Weitere Vorteile der Wechselatmung

Neben der Harmonisierung der Gehirnhälften bietet die Wechselatmung eine Vielzahl weiterer Vorteile:

  • Reinigung der Nadis: Die Wechselatmung hilft, alle Nadis zu reinigen, insbesondere Ida und Pingala, wodurch der Prana-Fluss verbessert wird.
  • Erhöhung der Lungenkapazität: Die Übung hilft, die Lungenkapazität zu erhöhen und die Atmung unter Kontrolle zu bringen.
  • Öffnung der Nasendurchgänge: Anuloma Viloma hilft, die Nasendurchgänge zu öffnen und wirkt vorbeugend gegen Allergien, Heuschnupfen, Asthma und Erkältungskrankheiten.
  • Förderung der Konzentrationsfähigkeit: Die Wechselatmung fördert die Konzentrationsfähigkeit und bereitet den Geist auf die Meditation vor.
  • Innere Ruhe und Kraft: Die Übung hilft, zur inneren Ruhe und Kraft zu finden und emotionelle Ungleichgewichte in ein Gefühl der Stärke umzuwandeln.
  • Verbesserung der Herz-Kreislauf-Funktion: Die Perioden des Atem-Anhaltens sind ein gutes Training für Herz und Kreislauf.
  • Bessere Intuition: Wer regelmäßig Wechselatmung macht, hat eine bessere Intuition und spürt besser, wann es nötig ist, aktiv zu sein oder loszulassen.

Anwendung im Alltag

Die Wechselatmung ist eine einfache und effektive Übung, die leicht in den Alltag integriert werden kann. Sie kann zwischendurch durchgeführt werden, um neue Energie zu gewinnen, sich zu zentrieren und Stress abzubauen. Ob auf einem Stuhl, einer Bank oder auf dem Boden sitzend, die Wechselatmung ist überall und jederzeit praktizierbar.

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Tipps für die Praxis

  • Beginne langsam und steigere die Dauer und Intensität der Übung allmählich.
  • Achte darauf, dass du dich während der Atemtechnik wohl und entspannt fühlst.
  • Konzentriere dich auf den Atem und spüre, wie die Energie durch deinen Körper fließt.
  • Nutze Visualisierungen, um die Wirkung der Übung zu verstärken (z.B. Energie, die in die Stirn oder den Scheitelpunkt fließt).

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