Andreas Kutschke: Demenzforschung und die Vernachlässigung von Suchterkrankungen in der Altenpflege

Die wachsende Zahl älterer Menschen mit Suchterkrankungen stellt Altenheime vor besondere Herausforderungen. Während die Forschung und Versorgung von Menschen mit Demenz im Fokus stehen, wird die Problematik der Sucht im Alter oft vernachlässigt. Pflegeexperte Andreas Kutschke betont, dass das Thema Sucht viel stärker in der Altenpflege verankert werden müsse, da es in der Ausbildung der Pfleger kaum eine Rolle spiele.

Die Problematik der Suchterkrankungen im Alter

Experten fordern, dass Suchterkrankungen bei älteren Menschen in Altenheimen deutlich mehr berücksichtigt werden müssen. Dies setzt jedoch ausreichend Personal voraus. Wissenschaftler, Pflegeexperten und Interessensverbände plädieren für einen anderen Umgang mit alkoholkranken Senioren in Altenpflegeeinrichtungen.

Der Bonner Pflegeforscher und Geriater Dr. Dirk K. Wolter betont, dass Heime ein Problembewusstsein entwickeln müssen. Er schlägt Aufklärungskonzepte, ein Warnsystem und eine intensive Zusammenarbeit mit Hausärzten vor. Die Mannheimer Gerontologin und Psychologin Professor Dr. Martina Schäufele bekräftigt, dass Menschen mit alkoholbezogenen Störungen in den Heimen stärker in den Blick genommen werden müssen. Studien von Schäufele und ihrem Kollegen Professor Dr. Siegfried Weyerer zeigen, dass der Anteil alkoholkranker Menschen in Altenheimen stark variiert.

Die Rolle von Andreas Kutschke und anderen Experten

Pflegeexperte Andreas Kutschke kritisiert, dass immer nur von Verbesserungen für Demenzkranke die Rede sei und das Thema Sucht in der Altenpflege vernachlässigt werde. Der Pflegeschutzbund BIVA verweist auf das personelle Dauerproblem der Altenpflege: Um alkoholkranke Heimbewohner gut betreuen zu können, braucht es genügend Personal.

Alkohol im Altenheim: Ein Balanceakt zwischen Selbstbestimmung und Fürsorge

Der Konsum von Alkohol ist in Altenheimen in der Regel nicht verboten. Ein Sprecher des Pflegeschutzbundes BIVA erklärt, dass es unüblich sei, Alkohol komplett auszuschließen. Moderates Trinken werde geduldet, und zu besonderen Anlässen werde in den Einrichtungen auch Alkohol gereicht. Allerdings kann ein Pflegeheim Alkoholgenuss auf dem Heimgelände auch explizit ausschließen. Ansonsten gelte das grundgesetzliche Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, auf Selbstbestimmung und damit auch auf selbstschädigendes Verhalten. Solange Dritte nicht beeinträchtigt sind, könne das Trinken nicht verweigert werden.

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Dennoch stehen Seniorenheime oft vor einem ethischen Dilemma zwischen ihrem Fürsorgeauftrag für die ihnen anvertrauten Bewohner und der gebotenen Achtung von deren Autonomie und Willen, sagt Wolter.

Ein Beispiel: Wolfgang H. und sein Wunsch nach Selbstbestimmung

Wolfgang H. (72) möchte trinken. Er spricht etwas verwaschen, ist geistig aber klar und formuliert sorgfältig und selbstbewusst. Er hat Leberkrebs und Leberzirrhose, ist aber nach eigener Aussage nicht demenzkrank. Er möchte in ein Heim, wo es für Menschen wie ihn Angebote gibt und wo er auch trinken darf.

Die Herausforderungen für Altenheime

Die Zahl alter Menschen, die zu viel trinken, steige ganz eindeutig, sagt der Pflegeforscher und Geriater Dirk K. Wolter. Gut gerüstet sei man für diese Problematik aber nicht. Altenheime fokussieren sich oft auf die ungleich höhere Zahl von Senioren mit Demenz und haben Bewohner mit Alkoholproblemen nicht auf dem Schirm, so Andreas Kutschke.

Bewohner mit Alkoholproblemen sind häufig schwieriger zu betreuen als andere Heimbewohner, erklärt Schäufele. Sie werden meist nur geduldet, wenn sie nicht gegen die Hausregeln verstoßen und den Ablauf nicht stören, sagt Christine Liebermann, die das Altenzentrum Bürgerheim leitet.

Zu wenige Altenheime setzen sich mit der Thematik auseinander, sagt Kutschke. Schon in der Ausbildung der Pfleger spiele das Problem Sucht im Alter fast überhaupt keine Rolle. Für Schulungen fehle dem Personal die Zeit. Dabei bräuchten Seniorenheime auf jeden Fall mehr Hilfe beim Umgang mit dieser Klientel, betont die Pflegedienstleiterin des Seniorenzentrums Werdohl (NRW), Sonia Tabiadon.

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Lösungsansätze und Forschungsprojekte

Um die Versorgung von Menschen mit Demenz zu verbessern, gibt es verschiedene Forschungsansätze. Ein Beispiel ist das Projekt "insideDEM", das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Initiative „Pflegeinnovationen für Menschen mit Demenz“ gefördert wird. Ziel des Projekts ist die Entwicklung und Evaluation des Einsatzes von Technik in der Häuslichkeit, um pflegende Angehörige zu unterstützen.

Das Projekt beinhaltet die Adaption eines Instruments (IdA) für die Häuslichkeit und die Gestaltung eines anwenderfreundlichen technischen Assistenzsystems, das die verstehende Diagnostik für pflegende Angehörige anwendbar macht. Eine wesentliche technische Komponente ist die sensorgestützte Bestimmung des Aktionsniveaus von herausforderndem Verhalten mit Hilfe eines speziellen Sensorarmbands.

Angst als Auslöser für herausforderndes Verhalten bei Demenz

Angst gehört zu den Basisemotionen aller Menschen. Betroffene können oft die eigene Situation nicht mehr sicher einschätzen, und das kann dann zu Verhaltensweisen führen, die falsch interpretiert und nicht als angstbasiert erkannt werden. Die Betroffenen fühlen sich nicht selten bedroht, verfolgt oder betrogen. Ängste sind oft Gründe für Schreckhaftigkeit, Konzentrationsstörungen, Rückzug, aber auch Scham, und nicht selten kommt es zu körperlichen und vegetativen Problemen. Für Angehörige und Betreuende heißt das, Zeichen von Angst zu erkennen und richtig zu deuten, um dann den Betroffenen Sicherheit anzubieten. Mit Gelassenheit und Präsenz kann hier oft schon viel erreicht werden.

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