Nervenentzündungen, auch Neuritis genannt, können durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden, darunter Infektionen, Verletzungen, Stoffwechselstörungen und Medikamente. In seltenen Fällen können auch Antibiotika, insbesondere Fluorchinolone, eine Rolle bei der Entstehung von Nervenentzündungen spielen. Dieser Artikel beleuchtet die Zusammenhänge zwischen Antibiotika und Nervenentzündungen, die möglichen Ursachen, Symptome und Behandlungsansätze.
Fluorchinolone und ihre potenziellen Nebenwirkungen auf das Nervensystem
Fluorchinolone sind eine Klasse von Antibiotika, die häufig zur Behandlung bakterieller Infektionen eingesetzt werden. Zu dieser Gruppe gehören Wirkstoffe wie Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin, Norfloxacin und Ofloxacin. Obwohl sie in der Regel gut verträglich sind, können Fluorchinolone in sehr seltenen Fällen schwerwiegende Nebenwirkungen im Bereich der Sehnen, Muskeln, Gelenke und des Nervensystems hervorrufen.
Diese Nebenwirkungen können anhaltend und die Lebensqualität beeinträchtigend sein und möglicherweise dauerhaft sein. Betroffen sind alle Fluorchinolone, die oral eingenommen, injiziert oder inhaliert werden. Die beschriebenen Nebenwirkungen umfassen Entzündungen oder Risse der Sehnen, Muskelschmerzen oder Muskelschwäche, Gelenkschmerzen oder Gelenksschwellungen, Schwierigkeiten beim Gehen, Gefühle von Nadelstichen oder Kribbeln, brennende Schmerzen, Müdigkeit, Depressionen, Gedächtnisstörungen, Schlafstörungen, Probleme beim Sehen oder Hören, veränderter Geschmacks- oder Geruchssinn. Es können mehrere Organe oder Organsystemklassen gleichzeitig und mehrere Sinne betroffen sein.
Aufgrund dieser Risiken hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Zusammenarbeit mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) Risikobewertungsverfahren durchgeführt und Maßnahmen zur Risikominimierung ergriffen. Dazu gehören Einschränkungen der Anwendungsgebiete, Präzisierungen der verbleibenden Indikationen sowie neue Hinweise und Warnhinweise in den Fachinformationen. Angehörige der Gesundheitsberufe wurden durch Rote-Hand-Briefe über die Risiken und Handlungsempfehlungen informiert.
Periphere Neuropathie als mögliche Folge von Fluorchinolon-Einnahme
Einige Studien und Fallberichte deuten darauf hin, dass die Einnahme von Fluorchinolonen zu einer peripheren Neuropathie führen kann. Die periphere Neuropathie ist eine Schädigung der peripheren Nerven, die zu verschiedenen Symptomen wie Schmerzen, Taubheitsgefühlen, Kribbeln und Muskelschwäche führen kann.
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Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA wies in einer Drug Safety Communication darauf hin, dass die periphere Neuropathie unter der Einnahme von Antibiotika aus der Gruppe der Fluorochinolone auftreten kann. Die Komplikation kann sowohl nach einer oralen wie intravenösen Therapie schon nach wenigen Tagen auftreten und bei einigen Patienten noch länger als ein Jahr nach Absetzen der Therapie anhalten. Fluorochinolone gehören (auch in Deutschland) zu den am häufigsten eingesetzten Antibiotika. Das Risiko einer Polyneuropathie ist bekannt und seit 2004 Bestandteil der US-Fachinformation. Der deutsche Beipackzettel erwähnt die Komplikation im Abschnitt „4.4 Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen“. US-Ärzte scheinen den Warnhinweis jedoch nicht immer ernst zu nehmen, was sich immer wieder in Meldungen zum AERS-Register der FDA bemerkbar macht, das unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) von Medikamenten sammelt.
Auffällig ist laut FDA, dass die Komplikation, deren Häufigkeit nicht bekannt ist, oft schon nach wenigen Tagen Therapie auftritt, nach dem Absetzen aber über ein Jahr oder länger anhalten kann. Der FDA werden offenbar immer wieder Fälle berichtet, in denen die Ärzte die Fluorochinolone nicht sofort abgesetzt haben (um auf andere Antibiotika auszuweichen), obwohl dies in den Fachinformationen gefordert wird.
Weitere Antibiotika mit potenziellem neurotoxischem Potenzial
Neben den Fluorchinolonen gibt es auch andere Antibiotika, die potenziell neurotoxische Wirkungen haben können. Dazu gehören unter anderem:
- Linezolid: Dieses Antibiotikum kann in seltenen Fällen zu einer Optikusneuropathie oder einer peripheren Neuropathie führen.
- Metronidazol: Bei längerer Einnahme oder hoher Dosierung kann Metronidazol eine Enzephalopathie oder eine periphere Neuropathie verursachen.
- Isoniazid: Dieses Medikament, das zur Behandlung der Tuberkulose eingesetzt wird, kann den Vitamin-B6-Stoffwechsel beeinträchtigen und zu einer peripheren Neuropathie führen.
- Ethambutol: Dieses Antibiotikum kann eine Optikusneuropathie verursachen, insbesondere bei hohen Dosen oder längerer Behandlungsdauer.
- Nitrofurantoin: In seltenen Fällen kann Nitrofurantoin eine periphere Neuropathie auslösen.
Es ist wichtig zu beachten, dass das Risiko für neurotoxische Nebenwirkungen bei Antibiotika von verschiedenen Faktoren abhängt, darunter die Art des Antibiotikums, die Dosierung, die Behandlungsdauer, das Alter des Patienten, die Nierenfunktion und das Vorliegen anderer Erkrankungen.
Ursachen von Nervenentzündungen
Nervenentzündungen können verschiedene Ursachen haben, darunter:
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- Infektionen: Viren (z. B. Herpes Zoster, Masern, Mumps) und Bakterien (z. B. Borreliose, Diphtherie) können Nervenentzündungen verursachen.
- Verletzungen: Unfälle oder Operationen können zu Nervenverletzungen und Entzündungen führen.
- Mechanische Kompression: Druck auf einen Nerv, z. B. durch einen Bandscheibenvorfall oder das Karpaltunnelsyndrom, kann eine Entzündung verursachen.
- Stoffwechselstörungen: Diabetes mellitus, Alkoholismus und Vitaminmangel können Nervenschäden und Entzündungen verursachen.
- Autoimmunerkrankungen: Erkrankungen wie das Guillain-Barré-Syndrom oder die rheumatoide Arthritis können zu Nervenentzündungen führen.
- Medikamente: Bestimmte Medikamente, darunter einige Antibiotika, können Nervenentzündungen auslösen.
- Toxine: Kontakt mit giftigen Substanzen wie Schwermetallen kann Nervenschäden verursachen.
Symptome einer Nervenentzündung
Die Symptome einer Nervenentzündung können je nach betroffenem Nerv variieren. Typische Symptome sind:
- Gefühlsstörungen (z. B. Kribbeln, Taubheitsgefühle)
- Missempfindungen (z. B. brennende Schmerzen, elektrisierende Schmerzempfindungen)
- Muskelschwäche
- Einschränkungen in der Feinmotorik
- Lähmungserscheinungen
- Durchblutungsstörungen
- Schweißausbruch
Diagnose von Nervenentzündungen
Die Diagnose einer Nervenentzündung umfasst in der Regel eine ausführliche Anamnese, eine körperliche Untersuchung und verschiedene neurologische Untersuchungen. Dazu gehören:
- Neurologische Untersuchung: Überprüfung der Sinneswahrnehmungen, der Mimik und Augenbewegung, der motorischen Fähigkeiten und der Reflexe.
- Elektrophysiologische Untersuchungen: Elektroneurographie (ENG) zur Messung der Nervenleitgeschwindigkeit und Elektromyographie (EMG) zur Messung der Muskelaktivität.
- Bildgebende Verfahren: Magnetresonanztomographie (MRT) zur Darstellung von Entzündungsherden im Nervensystem.
- Laboruntersuchungen: Blutuntersuchungen zur Bestimmung von Entzündungswerten, Vitaminspiegeln und zum Ausschluss anderer Erkrankungen. In seltenen Fällen kann eine Lumbalpunktion zur Untersuchung des Liquors erforderlich sein.
Behandlung von Nervenentzündungen
Die Behandlung einer Nervenentzündung richtet sich nach der Ursache und der Art der Erkrankung. Zu den möglichen Behandlungsansätzen gehören:
- Behandlung der Grunderkrankung: Bei einer infektiösen Ursache werden Antibiotika oder Virostatika eingesetzt. Bei Stoffwechselstörungen werden diese behandelt (z. B. Blutzuckereinstellung bei Diabetes). Bei Autoimmunerkrankungen kommen Immunsuppressiva zum Einsatz.
- Schmerzlinderung: Schmerzmittel wie nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR), Antikonvulsiva, Antidepressiva oder Opioide können zur Schmerzlinderung eingesetzt werden.
- Physiotherapie und Ergotherapie: Diese Therapien können helfen, die Muskelkraft und Koordination zu verbessern und Bewegungseinschränkungen zu reduzieren.
- Chirurgische Eingriffe: Bei mechanischer Kompression eines Nervs kann eine Operation erforderlich sein, um den Druck zu entlasten.
- Alternative Therapien: Einige Patienten profitieren von alternativen Heilmethoden wie Akupunktur oder Homöopathie.
Prävention von Nervenentzündungen
Obwohl sich Nervenentzündungen nicht immer verhindern lassen, gibt es einige Maßnahmen, die das Risiko reduzieren können:
- Gesunde Lebensweise: Eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung, ausreichend Schlaf und Stressreduktion können das Nervensystem stärken.
- Vermeidung von Risikofaktoren: Übermäßiger Alkoholkonsum, Rauchen und der Kontakt mit giftigen Substanzen sollten vermieden werden.
- Impfungen: Impfungen gegen bestimmte Infektionskrankheiten (z. B. Masern, Mumps, Röteln) können das Risiko einer Nervenentzündung reduzieren.
- Kontrolle von Grunderkrankungen: Eine gute Einstellung von Diabetes mellitus und anderen chronischen Erkrankungen kann Nervenschäden vorbeugen.
- Vorsicht bei Medikamenten: Bei der Einnahme von Medikamenten, die potenziell neurotoxische Nebenwirkungen haben können, sollten die Risiken und Vorteile sorgfältig abgewogen werden.
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