Aphasie-Epilepsie-Syndrom: Ursachen, Diagnose und Behandlung

Die Aphasie-Epilepsie-Syndrome sind eine Gruppe von neurologischen Erkrankungen, die durch das Auftreten von epileptischen Anfällen und Sprachstörungen (Aphasie) gekennzeichnet sind. Diese Syndrome können verschiedene Ursachen haben und unterschiedliche Verläufe zeigen. Im Folgenden werden die Ursachen, Diagnose und Behandlung dieser komplexen Erkrankungen detailliert erläutert.

Epidemiologie der Epilepsie im Alter

Die Epidemiologie der Epilepsie wandelt sich von einer vorwiegend im Kindesalter auftretenden Erkrankung hin zu einer Alters(ko)morbidität. Dies bedeutet, dass Epilepsie im höheren Lebensalter häufiger auftritt und oft in Kombination mit anderen altersbedingten Erkrankungen vorkommt. Die demografische Entwicklung führt dazu, dass die Zahl der Epilepsie-Neuerkrankungen bei Menschen über 65 Jahren höher ist als bei Kindern und Jugendlichen.

Trotz dieser Veränderung sind ältere Patienten in neurologischen Spezialeinrichtungen unterrepräsentiert. Eine Studie des Epilepsiezentrums Bonn aus dem Jahr 2003 zeigte, dass der Anteil dieser Patientengruppe lediglich bei sechs Prozent lag. Es wird geschätzt, dass etwa ein Drittel dieser Patienten gar nicht und von den übrigen nur die Hälfte adäquat behandelt wird.

Ein möglicher Grund für diese Diskrepanz ist, dass viele Hausärzte sich kompetent genug fühlen, diese Patientengruppe allein zu betreuen. Besonders in Einrichtungen, in denen die Autonomie und Mobilität der Betroffenen eingeschränkt sind, wird oft der Aufwand gescheut, neurologische Experten hinzuzuziehen. Zudem wird befürchtet, dass die Diagnose „Epilepsie“ in vielen Fällen gar nicht gestellt wird.

Diagnostische Herausforderungen im Alter

Die Diagnostik von Epilepsie im höheren Lebensalter wird durch ungewöhnliche Abläufe der epileptischen Exazerbationen erschwert. Oft handelt es sich um fokale Anfälle von kurzer Dauer und unspektakulärer Ausprägung, die von den Betroffenen oder anwesenden Personen nicht als solche wahrgenommen werden. Auffällig wird der Patient erst in der postiktalen Phase.

Lesen Sie auch: Wege zur Sprachwiederherstellung nach einem Schlaganfall

Phänomene wie Parese oder Aphasie, die bei jüngeren Epilepsiekranken rasch abklingen, halten im Alter deutlich länger an (Faktor 10 bis 20). Dies kann leicht zu Verwechslungen mit einem Schlaganfall oder anderen zerebralvaskulären Ereignissen führen, wie transienten ischämischen Attacken (TIA) oder prolongiertem reversiblen ischämischen Defizit (PRIND). Auch dauerhafte Verwirrtheitszustände können in die Irre führen, da sie sowohl Teil eines bereits abgelaufenen epileptischen Anfalls als auch Symptom eines akuten, nicht-konvulsiven Status epilepticus sein können.

Kontinuierliche Myklonien einer Epilepsia partialis continua werden häufig als „psychogen“ missinterpretiert. Ebenso wird ein „De-novo-Absence-Status“, der mit einem variablen und nicht „epilepsietypischen“ klinischen Bild einhergeht, oft nicht als epileptogen erkannt. Hauptursache hierfür ist oft ein plötzlicher Benzodiazepin-Entzug.

Ursachen der Epilepsie im fortgeschrittenen Alter

Eine erstmalig im fortgeschrittenen Alter auftretende Epilepsie hat fast immer eine symptomatische Genese. Häufigste Ursachen sind Schlaganfälle, gefolgt von atherosklerotisch bedingten Komplikationen, Traumata, Tumoren und anderen Ereignissen, die umschriebene Läsionen im Gehirn verursachen und somit potenzielle Ausgangspunkte für fokale Anfälle darstellen. Daneben gibt es eine wachsende Gruppe älterer Patienten mit primär generalisierten Anfällen auf der Basis einer degenerativen Erkrankung. Schätzungen zufolge entwickelt jeder dritte Alzheimer-Kranke zusätzlich eine Epilepsie.

Pharmakologisches Management im Alter

Das pharmakologische Management von Epilepsien im höheren Lebensalter stellt besondere Anforderungen, da es sich in der Regel um multimorbide Patienten handelt. Neben dem Anfallssyndrom und der neurologischen Grunderkrankung bedürfen auch die fast regelhaft vorhandenen Störungen in anderen Organsystemen einer Medikation. Klinische Untersuchungen zeigen, dass ein älterer Epilepsiepatient zusätzlich zu seinen Antiepileptika zwischen fünf und sieben weitere Arzneimittel einnimmt, was ein hohes Risiko für Interaktionen birgt.

Aphasie: Sprachverlust nach Spracherwerb

Aphasie bezeichnet einen Sprachverlust nach erfolgreichem Spracherwerb in der Kindheit. Betroffen sind überwiegend Jugendliche und Erwachsene, aber auch Kinder während eines normalen Spracherwerbs können betroffen sein, beispielsweise bei bestimmten Epilepsien. Aphasien entstehen durch Schädigungen sprachverarbeitender und sprachsteuernder Areale im Gehirn. Häufigste Ursache bei Erwachsenen ist ein Schlaganfall, entweder durch eine Durchblutungsstörung oder eine Einblutung in das Hirngewebe. Seltenere Ursachen sind Unfälle, Schädel-Hirn-Traumata, Hirnkrämpfe bzw. Epilepsie, gutartige oder bösartige Hirntumoren. Auch nach Operationen im Gehirn können Aphasien entstehen.

Lesen Sie auch: Ursachen und Therapie von Aphasie bei Parkinson

Oft treten neben der Aphasie weitere Störungen auf, wie Lähmungen. Bei Aphasien sind meist mehrere sprachliche Leistungen gleichzeitig gestört, z.B.:

  • Zuhören können
  • Sprache verstehen
  • Sprechantrieb
  • Wortfindung
  • Sinnhaftigkeit des Gesprochenen
  • Satzbau
  • Grammatik
  • Deutlichkeit der Aussprache
  • Flüssigkeit des Sprechens
  • Fähigkeit zu Lesen und zu Schreiben

Im schlimmsten Fall besteht das Gesprochene nur noch aus einzelnen Silben oder Worten. Es können „falsche“ oder „neu erfundene“ Worte verwendet werden. Das Sprechen kann so stark gestört sein, dass eine Unterhaltung unmöglich ist. Betroffene erleben Sprach- und Sprechstörungen oft als sehr belastend und reagieren seelisch und psychisch darauf, z.B. mit Trauer, Verzweiflung, Mutlosigkeit oder Aggressivität. Besonders belastend ist es, wenn die Betroffenen ihre eigenen Defizite selbst wahrnehmen, aber die Fehler nicht vermeiden können.

Bei einigen Patienten treten zusätzlich zur Aphasie weitere spezielle Sprechstörungen auf, wie Sprechapraxie, Dysarthrie oder Dysarthrophonie. Schluckstörungen (Dysphagie) und Heiserkeiten (Dysphonie) können ebenfalls auftreten.

Diagnostik der Aphasie

Eine umfassende Diagnostik ist entscheidend, um die Ursache und den Schweregrad der Aphasie zu bestimmen und eine geeignete Therapie einzuleiten. Die Diagnostik umfasst in der Regel:

  • Neurologische Untersuchung: zur Beurteilung der neurologischen Funktionen und zum Ausschluss anderer Erkrankungen.
  • Radiologische Untersuchung: zur Klärung der Lokalisation der Sprech- und Sprachstörung im Gehirn und zur Identifizierung möglicher Ursachen, wie Schlaganfälle oder Tumoren.
  • Sprech- und Sprachuntersuchung: zur detaillierten Prüfung der kommunikativen Defizite.
  • Audiogramm: zum Ausschluss einer Schwerhörigkeit, die den erneuten Spracherwerb behindern könnte.
  • Sehtest: zum Ausschluss von Sehproblemen oder Gesichtsfeldausfällen, die häufig bei Aphasien nach Schlaganfällen auftreten.
  • Spiegeluntersuchung mit Endoskopie: zur Beurteilung der Muskeln im Mund, Rachen und Kehlkopf bei Schluckstörungen oder Heiserkeit.

Therapie der Aphasie

Die Therapie der Aphasie sollte möglichst rasch nach Beginn der Erkrankung begonnen werden, da die Fähigkeit des Gehirns, sich zu regenerieren, in den ersten Wochen besonders gut ist. Eine Sprech- und Sprachtherapie ist immer eine aktive Therapie, die Mitarbeit und Motivation erfordert. Angehörige werden oft in die Therapie mit einbezogen, um über die Störungen aufgeklärt zu werden und zu lernen, wie sie den Betroffenen beim Sprechen helfen können. Die Übungen umfassen nicht nur das Sprachverstehen und das Sprechen, sondern auch Lesen und Schreiben.

Lesen Sie auch: Umfassender Überblick: Frontotemporale Demenz

Die meisten Aphasien bessern sich deutlich, besonders innerhalb des ersten Jahres nach Beginn der Erkrankung. Die Besserung kann sich entweder in einer gleichmäßigen Reduktion des Schweregrades aller Störungen äußern oder in einem unterschiedlich starken Rückgang der Symptome, was zu einem Syndromwandel führen kann.

Epilepsie-Aphasie-Syndrome im Kindesalter

Bei Kindern können Aphasie-Epilepsie-Syndrome im Alter von 2 bis 10 Jahren auftreten, wobei Knaben häufiger betroffen sind als Mädchen. Die Entwicklung der Kinder ist zunächst unauffällig, später treten Wortfindungsstörungen auf, die bis zur Stummheit führen können. Das Sprachverständnis ist in der Regel ungestört. Anfälle treten meist selten auf oder fehlen in einem Drittel der Betroffenen ganz. Sie können dem Sprachverlust vorausgehen oder diesem nachfolgen. Das EEG zeigt bei etwa jedem vierten Kind langsame Wellen. Deswegen ist eine Behandlung in der Regel dringlich.

Die Anfälle und EEG-Veränderungen schwinden spätestens in der Pubertät. Das Sprach- und Sprachvermögen werden jedoch oft nicht vollständig wiederhergestellt.

Zu den Merkmalen der Epilepsie gehören ein Anfallsbeginn in der Regel zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr, eine fokale Epilepsie mit sprachlichen und/oder globalen Entwicklungsrückschritten und ein Elektroenzephalogramm (EEG), das kontinuierliche Entladungen mit Spikes und Wellen im Schlaf oder sehr aktive zentrotemporale Entladungen zeigt. Zu den Anfallstypen gehören Anfälle, die mit einer Aura perioraler Parästhesien einhergehen, fokale oder fokal-motorische Anfälle (die oft in generalisierte tonisch-klonische Anfälle übergehen) und atypische Absence-Anfälle. Zu den Epilepsiesyndromen können gehören: Landau-Kleffner-Syndrom (LKS), epileptische Enzephalopathie mit kontinuierlichen Spike-and-Wave-Anfällen im Schlaf (ECSWS), Epilepsie im Kindesalter mit zentrotemporalen Spikes (CECTS), atypische Epilepsie im Kindesalter mit zentrotemporalen Spikes (ACECTS), autosomal-dominante rolandische Epilepsie mit Sprachstörung (ADRESD) und epileptische Enzephalopathie im Kindesalter.

Der Krankheitsverlauf ist unterschiedlich: Bei einigen Betroffenen verläuft die Entwicklung normal und die Anfälle klingen spontan ab, während andere eine therapierefraktäre Epilepsie und schwere Entwicklungsstörung entwickeln. Bei den schwereren Epilepsie-Apasie-Störungen kommt es häufig zu einer sprachlichen und/oder globalen Entwicklungsregression.

Genetische Ursachen: GRIN2A-Gen

Pathogene Varianten des GRIN2A-Gens stören die Funktion der exzitatorischen NMDA-Rezeptoren des Gehirns, was zu vermehrten elektrischen Entladungen führt. NMDA-Rezeptoren sind wichtige molekulare Komponenten für die Lern- und Gedächtnisleistung des Gehirns. Sie sind Neurotransmitter- und Spannungs-gesteuerte Ionenkanäle, die als Tetramere aus jeweils zwei Glycin- und zwei Glutamat-bindenden Untereinheiten bestehen. Das GRIN2A-Gen kodiert für die Glutamat-bindende Rezeptoruntereinheit GluN2A.

Unterschiedliche Variantentypen, die verschiedene Proteindomänen betreffen, sind beschrieben. GRIN2A-Gen assoziierte Krankheitsbilder folgen einem autosomal-dominanten Erbgang mit intrafamiliärer Variabilität und teilweise reduzierter Penetranz. Es wurden de novo Varianten beschrieben, aber auch Familien, in denen die Variante von einem Elternteil ererbt wurde, der einen unterschiedlichen oder auch fehlenden Phänotyp aufwies.

Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall

Wenn man Zeuge eines epileptischen Anfalls bei einer anderen Person wird, ist es sehr wichtig, ruhig und besonnen zu bleiben. Vor allem sollte man überlegen, wie man die Person vor Verletzungen schützt. Alles andere hängt von der Stärke und der Art der Anfälle ab.

  • Leichte epileptische Anfälle mit wenigen Symptomen: Bei kurzen Absencen oder Muskelzuckungen besteht keine unmittelbare Gefahr. Danach können sich die Betroffenen unsicher fühlen und Unterstützung benötigen.

  • Anfälle mit eingeschränktem Bewusstsein oder Verhaltensänderungen: Wenn Menschen mit einem epileptischen Anfall verwirrt wirken, ist es wichtig, sie vor Gefahren zu schützen (z. B. im Straßenverkehr). Gehen Sie dabei mit der Person ruhig um und fassen Sie sie nicht hart an. Hektik, Zwang oder Gewalt können zu starken Gegenreaktionen führen. Versuchen Sie dem oder der Betroffenen Halt und Nähe zu vermitteln.

  • Große generalisierte epileptische Anfälle: Bei einem großen generalisierten Anfall verkrampft der ganze Körper und die Person verliert das Bewusstsein. In diesen Fällen sollten Sie Folgendes tun:

    • Wählen Sie immer den Notruf 112 und rufen Sie professionelle Hilfe.
    • Sorgen Sie für Sicherheit, indem Sie z. B. gefährliche Gegenstände beiseite räumen.
    • Polstern Sie den Kopf des Betroffenen ab.
    • Nehmen Sie seine/ihre Brille ab.
    • Lockern Sie enge Kleidung am Hals, um die Atmung zu erleichtern.
    • Bitten Sie Menschen, die in der Situation nicht helfen können, weiterzugehen.
    • Bleiben Sie nach dem Anfall bei der Person und bieten Sie Ihre Unterstützung an.
    • Wenn die Person nach dem Anfall erschöpft ist und einschläft, bringen Sie sie in die stabile Seitenlage.

Das sollten Sie in keinem Fall tun:

  • Die/den Betroffene/n festhalten oder zu Boden drücken
  • Der betroffenen Person etwas in den Mund schieben - auch wenn sie sich in die Zunge beißt

tags: #Aphasie #Epilepsie #Syndrom #Ursachen