Arterielle Versorgung des Rückenmarks: Eine detaillierte anatomische Übersicht

Das Rückenmark, als zentraler Bestandteil des zentralen Nervensystems (ZNS), benötigt eine zuverlässige arterielle Versorgung, um seine vielfältigen Funktionen zu gewährleisten. Dieser Artikel beleuchtet die anatomischen Aspekte der arteriellen Versorgung des Rückenmarks und geht dabei auf die relevanten Gefäße, ihre Versorgungsgebiete und klinische Bezüge ein.

Einführung

Das Rückenmark erstreckt sich vom Foramen magnum im Os occipitale bis zur Höhe des ersten oder zweiten Lendenwirbels und ist in zervikale, thorakale, lumbale und sakrale Regionen unterteilt. Diese Regionen stimmen nicht exakt mit ihren entsprechenden Wirbelniveaus überein. Im Querschnitt besteht das Rückenmark aus einem H-förmigen Bereich grauer Substanz (bestehend aus neuronalen Zellkörpern) und einem umgebenden Bereich weißer Substanz (bestehend aus auf- und absteigenden Bahnen myelinisierter Axone). Die Meningen, faserige Membranen, umhüllen das Rückenmark (und das Gehirn).

Überblick über die arterielle Versorgung

Das Rückenmark wird durch drei longitudinal verlaufende Gefäße und ein quer verlaufendes Gefäßnetz versorgt:

  • A. spinalis anterior: Ein unpaarer Stamm, der in der Fissura mediana anterior verläuft.
  • Aa. spinales posteriores: Zwei paarige Gefäße, die entlang der dorsolateralen Oberfläche des Rückenmarks verlaufen.

Diese longitudinalen Gefäße werden durch segmentale Zuflüsse aus Arterien gespeist, die außerhalb der Wirbelsäule liegen.

Detaillierte Betrachtung der arteriellen Gefäße

A. spinalis anterior

Die A. spinalis anterior versorgt das motorische Vorderhorn, die Basis der Hinterhörner und den Vorderseitenstrang. Sie entsteht aus den Aa. vertebrales und verläuft in der Fissura mediana anterior. Die A. sulcocommissuralis zweigt von der A. spinalis anterior ab und versorgt den zentralen Teil des Rückenmarks.

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Aa. spinales posteriores

Die Aa. spinales posteriores versorgen die dorsalen Anteile der grauen Substanz und den Hinterstrang. Die dorsalen Anteile der grauen Substanz und der Hinterstrang werden durch die Aa. spinales posteriores versorgt.

Segmentale Arterien (Aa. Radiculares)

Ursprünglich existieren 31 paarige Aa. radiculares, die aus den folgenden Arterien entspringen:

  • Zervikal: A. subclavia → Aa. vertebrales, A. cervicalis ascendens.
  • Thorakal: Aorta thoracica → Aa. intercostales posteriores.
  • Lumbal: Aorta abdominalis → Aa. lumbales.
  • Sakral: Aorta abdominalis → A. iliolumbalis → A. sacralis lateralis.

Jede segmentale A. spinalis teilt sich in eine A. radicularis anterior und posterior, die jeweils mit den Nervenwurzeln verlaufen und mit den longitudinal verlaufenden Gefäßen anastomosieren.

A. radicularis magna (Adamkiewicz)

Der Lumbosakralbereich wird durch die bis zu 2 mm starke A. radicularis magna (Adamkiewicz) gespeist, welche in variabler Höhe BWK 9-LWK 1 das Rückenmark erreicht. Die A. radicularis magna ist von besonderer klinischer Bedeutung, da ihre Unterbrechung zu einer spinalen Ischämie führen kann.

Venöse Drainage des Rückenmarks

Über intramedulläre Venen gelangt das Blut in Vv. perimedullares auf die piale Oberfläche des Rückenmarks. Es bilden sich zwei durchgehende venöse Längsstämme, die V. spinalis anterior in der Fissura mediana anterior und die V. spinalis posterior im Sulcus medianus posterior. Aus dem pialen Venengeflecht wird das Blut durch Vv. radiculares in den Plexus venosus vertebralis internus und anschließend über Vv. intervertebrales in den Plexus venosus vertebralis externus weitergeleitet. Die Vv. radiculares verlassen in enger topografischer Beziehung zu den Nervenwurzeln den Durasack.

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  • V. spinalis anterior: Verbindung mit Vv. basivertebrales → V. lumbalis ascendens.
  • V. spinalis posterior: Verbindung mit Vv. des Plexus venosus vertebralis internus.

Die Drainage erfolgt in den folgenden Bereichen:

  • Halsbereich: Drainage in die V. vertebralis.
  • Thorakalbereich: Drainage in die (Hemi-)Azygosvenen→ gemeinsame Drainage in die V. cava superior.
  • Lumbalbereich: Drainage in die V. lumbalis ascendens → V. iliaca communis → V. cava inferior.
  • Sakralbereich: Drainage in die V. iliaca interna.

Klinische Relevanz

Die Kenntnis der arteriellen Versorgung des Rückenmarks ist entscheidend für das Verständnis verschiedener klinischer Syndrome und Erkrankungen.

Vaskuläre Syndrome

  • Zentromedulläres Syndrom: Neurologisches Syndrom, das durch eine Verletzung des Zentrums des Rückenmarks verursacht wird und die spinothalamischen Bahnen (Sensorik) und den medialen Anteilen der Tractus corticospinales (Motorik) betrifft.
  • Vorderes Quadrantensyndrom: Inkomplettes Rückenmarkssyndrom infolge einer Verletzung des ventralen Rückenmarks unter der Schonung der dorsalen Anteile. Klinische Manifestationen sind der Verlust der motorischen und sensorischen Funktion unterhalb des Verletzungsniveaus.
  • Hinteres Quadrantensyndrom: Inkomplettes Rückenmarkssyndrom, das die dorsalen Säulen, die Tractus corticospinales und die absteigenden autonomen Bahnen zur Blase betrifft.
  • Brown-Séquard-Syndrom: Seltenes neurologisches Syndrom, das durch eine halbseitige Rückenmarkschädigung verursacht wird.

Erkrankungen des Rückenmarks

  • Amyotrophe Lateralsklerose (ALS): Neurodegenerative Erkrankung sowohl der oberen als auch der unteren Motoneurone.
  • Multiple Sklerose: Chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, die zur Demyelinisierung des zentralen Nervensystems (ZNS) führt.
  • Bandscheibenvorfall (Prolapsus nuclei pulposi): Druck auf das Rückenmark durch einen Bandscheibenvorfall, der zu neurologischen Ausfallerscheinungen führt.
  • Myelitis: Seltene Erkrankung mit meist immunologischen oder allergischen Ursachen.
  • Neuralrohrdefekte: Verursacht durch den fehlerhaften Verschluss des Neuralrohrs während der Embryonalentwicklung.

Diagnostische und therapeutische Verfahren

  • Lumbale Spinalpunktion: Entnahme von Liquor aus der lumbalen Zisterne unterhalb des Rückenmarks zur Beurteilung von Erkrankungen des ZNS.
  • Epidurale und spinale Anästhesie: Injektion von Opioid-Medikamenten in den Epidural- oder Subarachnoidalraum zur Anästhesie bei der Geburt und bei chirurgischen Eingriffen.

Die arterielle Versorgung des Gehirns im Überblick

Die arterielle Versorgung des Gehirns ist ein komplexes System, das durch die beiden inneren Halsschlagadern (A. carotis interna, ACI) und die beiden Wirbelarterien (A. vertebralis) gewährleistet wird. Diese Gefäße vereinigen sich im Schädelinneren zum Circulus arteriosus cerebri (Willis-Kreis), der eine wichtige Rolle bei der Umverteilung des Blutflusses spielt.

A. carotis interna (ACI)

Die ACI versorgt den größten Teil des Gehirns, einschließlich des Frontal-, Parietal- und Temporallappens sowie die Hypophyse und das Auge. Sie teilt sich in mehrere Segmente, die jeweils spezifische Bereiche des Gehirns versorgen.

  • Segmente der ACI: Die ACI wird in sieben Segmente unterteilt (C1-C7), die sich durch ihren Verlauf und ihre Beziehungen zu umliegenden Strukturen unterscheiden.
  • Versorgungsgebiet der ACI: Die ACI versorgt den gesamten Frontal- und Parietallappen, den anterolateralen Temporallappen, die Hypophyse und das Auge.

A. cerebri anterior (ACA)

Die ACA versorgt den medialen Frontal- und Parietallappen sowie die basalen Vorderhirnstrukturen. Ein Verschluss der ACA kann zu einer beinbetonten Parese und Hypästhesie führen.

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A. cerebri media (MCA)

Die MCA ist das größte Gefäß und versorgt die Basalganglien, die Capsula interna, die Inselrinde und große laterale Anteile des Frontal-, Parietal- und Temporallappens. Ein Verschluss der MCA kann zu einer kontralateralen Hemiparese führen.

A. vertebralis (VA)

Die VA entspringt aus der A. subclavia und vereinigt sich mit der VA der Gegenseite zur A. basilaris.

A. basilaris

Die A. basilaris gibt Äste zur Versorgung des Hirnstamms und des Kleinhirns ab und teilt sich in die beiden Aa. cerebri posteriores (PCA).

A. cerebri posterior (PCA)

Die PCA versorgt den Okzipitallappen und den basalen Teil des Temporallappens sowie kaudale Abschnitte von Striatum und Thalamus. Ein ischämischer Schlaganfall im Versorgungsgebiet der PCA kann zu einer kontralateralen homonymen Hemianopsie führen.

Circulus arteriosus cerebri (Willis-Kreis)

Der Circulus arteriosus cerebri ist ein arterieller Gefäßring an der Hirnbasis, der die ACI und das vertebrobasiläre System miteinander verbindet. Er ermöglicht eine Umverteilung des Blutflusses bei Verschluss eines der zuführenden Gefäße.

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