Die Neurologie ist ein medizinisches Fachgebiet, das sich mit dem Aufbau, der Funktion und den Erkrankungen des Nervensystems befasst. Dieses komplexe System besteht aus dem zentralen Nervensystem (ZNS), zu dem Gehirn und Rückenmark gehören, sowie dem peripheren Nervensystem (PNS), das periphere Nerven, Nervenwurzeln und Nervengeflechte umfasst. Ein wichtiger Bestandteil ist auch das vegetative Nervensystem, das innere Organe und unbewusste Körperfunktionen reguliert. Da Muskeln und Nerven eine untrennbare Einheit bilden, fallen auch Muskeln teilweise in den Zuständigkeitsbereich der Neurologie.
Was ist ein Neurologe?
Ein Neurologe ist ein Facharzt, der auf die Erkennung und Behandlung von Erkrankungen des Gehirns, der Sinnesorgane, des Rückenmarks, der peripheren Nerven (einschließlich der Nervenwurzeln) und der Muskeln spezialisiert ist. Im Wesentlichen ist ein Neurologe also ein "Arzt für das Gehirn" und das gesamte Nervensystem.
Ursachen neurologischer Erkrankungen
Die Ursachen neurologischer Erkrankungen sind äußerst vielfältig. Hier sind einige der wichtigsten Bereiche:
- Vaskuläre Neurologie: Sie beschäftigt sich mit Durchblutungsstörungen des Gehirns, die beispielsweise zu einem Schlaganfall führen können.
- Neuroimmunologie: Dieser Bereich befasst sich mit entzündlichen Erkrankungen des zentralen Nervensystems, wie beispielsweise Multiple Sklerose oder verschiedenen Autoimmunerkrankungen.
- Infektionen: Bakterielle oder virale Infektionen können Entzündungen des Gehirns und der Hirnhäute verursachen.
- Degenerative Erkrankungen: Krankheiten wie Parkinson oder Demenz können durch degenerative Prozesse entstehen.
- Neurotraumatologie: Sie befasst sich mit der Diagnostik und den Folgen von Schädel-Hirn-Traumen oder Verletzungen des Rückenmarks und der peripheren Nerven.
- Funktionsstörungen der Hirnelektrischen Aktivität: Diese können sich in Form von Epilepsie äußern.
- Neurologische Schmerzerkrankungen: Hierzu gehören Kopf- und Gesichtsschmerzen, Neuralgien oder Nervenkompressionen, beispielsweise als Folge von Bandscheibenvorfällen.
- Neuroonkologie: Sie umfasst Tumorerkrankungen des Nervensystems.
- Neuropsychologie oder kognitive Neurologie: Dieser Bereich beschäftigt sich mit der Diagnostik und Therapie von kognitiven Störungen.
Grenzbereiche und interdisziplinäre Zusammenarbeit
Die Neurologie hat auch enge Verbindungen zu anderen Fachgebieten:
- Neurootologie: Im Grenzbereich zum HNO-ärztlichen Fachgebiet werden hier beispielsweise Schwindelkrankheiten mit neurologischen Ursachen behandelt.
- Neuroophthalmologie: Im Grenzbereich zur Augenheilkunde werden neurologische Krankheiten der Sehnerven, des sehverarbeitenden Teils des Gehirns und der Augenmuskeln behandelt.
- Psychiatrie: Viele Erkrankungen des Gehirns können auch psychische Symptome hervorrufen.
- Radiologie und Neuroradiologie: Neurologen arbeiten eng mit Radiologen und Neuroradiologen zusammen, die sich mit der Bildgebung neurologischer Krankheiten befassen.
- Neuropathologie: Neurologen kooperieren mit Neuropathologen, die sich unter anderem mit der Diagnostik von Gewebeproben beschäftigen.
Historische Entwicklung der Neurologie
Die neurologische Forschung begann Anfang des 19. Jahrhunderts. Da sich viele neurologische Erkrankungen in Form von körperlichen Beschwerden äußern, war die Neurologie ursprünglich ein Teilgebiet der inneren Medizin. Die Behandlung von "Geisteskranken" entwickelte sich jedoch bereits im 18. Jahrhundert zu einer selbstständigen Fachrichtung, aus der die Psychiatrie hervorging.
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Pioniere der Neurologie
Zu den ersten Ärzten, die die Neurologie als unabhängige Disziplin von der inneren Medizin beschrieben, gehörten Mitte des 19. Jahrhunderts:
- Heinrich-Moritz Romberg (1799-1873)
- Nicolaus Friedreich (1825-1882)
- Wilhelm Heinrich Erb (1840-1921)
- Heinrich Quincke (1842-1922)
Andere Forscher wie Wilhelm Griesinger (1817-1866) und Carl Westphal (1833-1890) befürworteten eine Verbindung der Neurologie mit der Psychiatrie. Die Frage, ob die Neurologie ein Teilgebiet der inneren Medizin oder der Psychiatrie sein sollte, blieb unter Medizinern bis Anfang des 20. Jahrhunderts umstritten.
Abgrenzung von der inneren Medizin und Psychiatrie
Mit der Gründung der "Gesellschaft Deutscher Nervenärzte" im Jahr 1906 trennte sich die Neurologie erstmals offiziell als Spezialgebiet von der inneren Medizin. Hintergrund war die Überzeugung der Gründungsmitglieder, dass Internisten aufgrund der Vielfalt ihrer Aufgaben nicht mehr in der Lage seien, Nervenkrankheiten angemessen zu behandeln. Wilhelm Erb wurde zum ersten Vorsitzenden der Gesellschaft gewählt.
Nationalsozialistische Zeit und Nachkriegszeit
Im Jahr 1935 verfügte die nationalsozialistische Regierung die Auflösung der "Gesellschaft Deutscher Nervenärzte" und ihre Vereinigung mit der Psychiatrie zu einer "Gesellschaft Deutscher Neurologen und Psychiater". Nach dem Krieg leitete Heinrich Pette die neurologische Sektion dieser Gesellschaft bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1955. Im Jahr 1950 gelang es Pette, die alte Gesellschaft Deutscher Nervenärzte als "Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN)" wiederzugründen.
Diagnostische Verfahren in der Neurologie
Eine Untersuchung bei einem Neurologen dient dazu, Krankheiten des Nervensystems zu erkennen. Diese können sich in vielfältigen Symptomen äußern, wie beispielsweise Lähmungserscheinungen, Schwindel, Sprachproblemen, Muskelschwäche, Empfindungsstörungen oder Verwirrtheit.
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Ablauf einer neurologischen Untersuchung
Eine neurologische Untersuchung umfasst in der Regel die folgenden Schritte:
- Anamnese: Der Arzt befragt den Patienten nach seinen Beschwerden und seiner Krankengeschichte.
- Äußere Anzeichen: Der Arzt achtet auf äußere Anzeichen einer Erkrankung, wie beispielsweise die Art zu gehen, die Körperhaltung, das Gleichgewicht oder Bewegungseinschränkungen.
- Körperliche Untersuchung: Der Arzt hört Lunge und Herz ab und misst den Puls.
- Tests: Es folgen verschiedene Tests, deren Art und Umfang vom vermuteten Krankheitsbild abhängen. Grundsätzlich können alle Bereiche des Körpers neurologisch untersucht werden, die von Nervenkrankheiten betroffen sein können.
Untersuchung der Hirnnerven
Jeder Mensch hat zwölf Hirnnerven, die beispielsweise die Muskeln der Augen, des Kiefers oder der Zunge steuern. Beeinträchtigungen des Sehens, Hörens, Riechens, Schmeckens oder Sprechens können auf eine Nervenerkrankung hindeuten. Der Geruchssinn wird mit Duftstoffen getestet, das Sehvermögen mit Lesetafeln.
Beweglichkeit, Feinmotorik und Koordination
Die allgemeine Beweglichkeit, Feinmotorik und Koordination werden ebenfalls überprüft. Der Arzt beobachtet, wie gut der Patient Arme und Beine bewegen kann, Knopfverschlüsse öffnen oder schreiben kann. Auch Gleichgewichtstests gehören dazu.
Empfindungsvermögen
Ob das Schmerz- und Berührungsempfinden gestört ist, wird meist mit einem weichen Stoff und einer Nadel festgestellt.
Kognitive Fähigkeiten
In diesem Bereich werden Sprach- und Rechentests durchgeführt sowie Fragen zur Merkfähigkeit und zur Orientierung gestellt.
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Apparative Diagnostik
Neben der körperlichen Untersuchung stehen dem Neurologen verschiedene apparative Diagnoseverfahren zur Verfügung:
- Elektromyographie (EMG): Messung der elektrischen Muskelaktivität.
- Elektroenzephalographie (EEG): Messung der Gehirnströme.
- Lumbalpunktion: Untersuchung der Zusammensetzung des Liquors (Nervenwasser).
- Bildgebende Verfahren: Computer- und Kernspintomographie (CT, MRT) sowie Angiographie zur Darstellung von Gehirn und Rückenmark.
Behandlung neurologischer Erkrankungen
Die Behandlung neurologischer Erkrankungen ist vielfältig und richtet sich nach der jeweiligen Diagnose. Sie kann medikamentöse Therapien, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Psychotherapie oder operative Eingriffe umfassen.
Spezialisierungen innerhalb der Neurologie
Innerhalb der Neurologie gibt es verschiedene Spezialisierungen, wie beispielsweise:
- Vaskuläre Neurologie: Behandlung von Schlaganfällen und anderen Durchblutungsstörungen des Gehirns.
- Neuroimmunologie: Behandlung von Multipler Sklerose und anderen entzündlichen Erkrankungen des Nervensystems.
- Epileptologie: Behandlung von Epilepsie.
- Bewegungsstörungen: Behandlung von Parkinson, Dystonie und Tremor.
- Schmerztherapie: Behandlung chronischer Schmerzen.
- Neuroonkologie: Behandlung von Tumoren des Nervensystems.
- Neuropädiatrie: Behandlung neurologischer Erkrankungen bei Kindern.
Der Neurochirurg als Spezialist für operative Eingriffe
Im Gegensatz zum Neurologen führt der Neurochirurg operative Eingriffe am zentralen, peripheren und vegetativen Nervensystem durch. Er behandelt Verletzungen, Erkrankungen und Fehlentwicklungen von Strukturen der großen Nervensysteme sowie die sie versorgenden Blutgefäße und Hüllen. Die Neurochirurgie ist ein hochspezialisiertes Gebiet, das mikrochirurgische Eingriffe erfordert.
Aufgaben eines Neurochirurgen
Zu den Aufgaben eines Neurochirurgen gehören:
- Diagnostik: MRT, EEG, Elektromyographie (EMG), Liquordiagnostik.
- Operative Eingriffe: Behandlung von Bandscheibenvorfällen, Karpaltunnelsyndrom, Schädel-Hirn-Trauma, Hirntumoren, Hydrocephalus.
- Schmerztherapie: Interventionelle Schmerztherapie bei chronischen Schmerzen.
- Rehabilitation: Begleitung der Patienten vor und nach der Operation.
Risikofaktoren für neurologische Erkrankungen
Es gibt verschiedene Risikofaktoren, die das Auftreten neurologischer Erkrankungen begünstigen können. Einige davon sind beeinflussbar, andere nicht.
Beeinflussbare Risikofaktoren
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen erhöhen das Risiko für Schlaganfälle und vaskuläre Demenzen.
- Übergewicht: Adipositas kann das Risiko für verschiedene neurologische Erkrankungen erhöhen.
- Rauchen: Nikotin schädigt die Gefäße und erhöht das Risiko für Schlaganfälle und Demenzen.
- Alkohol: Übermäßiger Alkoholkonsum kann das Nervensystem schädigen.
- Bewegungsmangel: Regelmäßige körperliche Aktivität kann das Risiko für neurologische Erkrankungen senken.
- Ungesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten ist wichtig für die Gesundheit des Nervensystems.
- Stress: Chronischer Stress kann das Nervensystem belasten und das Risiko für neurologische Erkrankungen erhöhen.
- Schlafstörungen: Ausreichend Schlaf ist wichtig für die Regeneration des Nervensystems.
- Vitamin-D-Mangel: Ein Mangel an Vitamin D kann das Risiko für Demenz erhöhen.
- Luftverschmutzung: Studien deuten darauf hin, dass Luftverschmutzung das Risiko für Demenz erhöhen kann.
Nicht beeinflussbare Risikofaktoren
- Alter: Das Risiko für viele neurologische Erkrankungen steigt mit dem Alter.
- Genetische Veranlagung: Einige neurologische Erkrankungen sind erblich bedingt.
- Geschlecht: Einige neurologische Erkrankungen treten häufiger bei Männern oder Frauen auf.
Prävention neurologischer Erkrankungen
Ein gesunder Lebensstil kann dazu beitragen, das Risiko für neurologische Erkrankungen zu senken. Dazu gehören:
- Regelmäßige Bewegung: Sportliche Aktivität fördert die Durchblutung des Gehirns und stärkt das Nervensystem.
- Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten versorgt das Gehirn mit wichtigen Nährstoffen.
- Nichtrauchen: Nikotin schädigt die Gefäße und erhöht das Risiko für Schlaganfälle und Demenzen.
- Mäßiger Alkoholkonsum: Übermäßiger Alkoholkonsum kann das Nervensystem schädigen.
- Stressmanagement: Entspannungstechniken wie Yoga oder Meditation können helfen, Stress abzubauen.
- Ausreichend Schlaf: Ausreichend Schlaf ist wichtig für die Regeneration des Nervensystems.
- Geistige Aktivität: Regelmäßiges Lesen, Knobeln oder das Erlernen neuer Fähigkeiten hält das Gehirn fit.
- Soziale Kontakte: Soziale Interaktion und ein aktives soziales Leben können das Risiko für Demenz senken.
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