Demenz ICD-10 Kriterien: Ein umfassender Überblick

Die Demenz ist ein Syndrom, das durch den Abbau kognitiver Funktionen und Alltagskompetenzen gekennzeichnet ist. Die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) bietet einen Rahmen für die Klassifizierung und Diagnose verschiedener Demenzformen. Dieser Artikel beleuchtet die ICD-10-Kriterien für Demenz, insbesondere im Zusammenhang mit der Alzheimer-Krankheit und anderen Demenzformen.

Definition und allgemeine Kriterien der Demenz (F00-F03)

Die Demenz (F00-F03) wird im ICD-10 als ein Syndrom definiert, das als Folge einer meist chronischen oder fortschreitenden Krankheit des Gehirns auftritt. Sie ist durch eine Störung vieler höherer kortikaler Funktionen gekennzeichnet, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen. Das Bewusstsein ist dabei nicht getrübt. Die kognitiven Beeinträchtigungen werden gewöhnlich von Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation begleitet, gelegentlich treten diese auch eher auf.

Allgemeine Kriterien für die Diagnose einer Demenz nach ICD-10

Nach ICD-10 müssen für die Diagnose einer Demenz neben den allgemeinen Kriterien für ein Demenzsyndrom (Dauer mind. 6 Monate, Nachweis einer Störung höherer kortikaler Funktion, Ausschluss einer akuten Bewusstseinsstörung im Sinne eines Delirs und Ausschluss einer wesentlichen Einschränkung der Sinnesorgane) folgende Punkte vorliegen:

  • Gedächtnisstörung
  • Mindestens eine weitere neurologische Teilleistungsschwäche
  • Beeinträchtigung der sozialen Aktivität
  • Schleichender Verlauf über Monate bis Jahre
  • Ausschluss anderer Demenzursachen

Demenz bei Alzheimer-Krankheit (F00.-*)

Die Alzheimer-Krankheit ist eine primär degenerative zerebrale Krankheit mit unbekannter Ätiologie und charakteristischen neuropathologischen und neurochemischen Merkmalen. Sie beginnt meist schleichend und entwickelt sich langsam aber stetig über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Die Alzheimer-Demenz ist mit einem Anteil von 50-70% an allen Demenzen die häufigste Demenzform.

ICD-10-GM F00.0*: Demenz bei Alzheimer-Krankheit, mit frühem Beginn (Typ 2) (G30.0+)

Diese Kategorie bezieht sich auf die Demenz bei Alzheimer-Krankheit mit Beginn vor dem 65. Lebensjahr. Der Verlauf weist eine vergleichsweise rasche Verschlechterung auf, und es bestehen deutliche und vielfältige Störungen der höheren kortikalen Funktionen. Inkludiert sind:

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  • Alzheimer-Krankheit, Typ 2
  • Präsenile Demenz vom Alzheimer-Typ
  • Primär degenerative Demenz vom Alzheimer-Typ, präseniler Beginn

ICD-10-GM F00.1*: Demenz bei Alzheimer-Krankheit, mit spätem Beginn (Typ 1) (G30.1+)

Diese Kategorie bezieht sich auf die Demenz bei Alzheimer-Krankheit mit Beginn nach dem 65. Lebensjahr, meist in den späten 70er Jahren oder danach, mit langsamer Progredienz und mit Gedächtnisstörungen als Hauptmerkmal.

ICD-10-GM F00.2: Demenz bei Alzheimer-Krankheit, atypische oder gemischte Form

ICD-10-GM F00.9: Demenz bei Alzheimer-Krankheit, nicht näher bezeichnet

Diagnostische Kriterien der Alzheimer-Demenz

Für die Diagnose einer Alzheimer-Demenz müssen neben den allgemeinen Kriterien für ein Demenzsyndrom folgende Punkte vorliegen:

  • Gedächtnisstörung
  • Mindestens eine weitere neurologische Teilleistungsschwäche
  • Beeinträchtigung der sozialen Aktivität
  • Schleichender Verlauf über Monate bis Jahre
  • Ausschluss anderer Demenzursachen

Stadien der Alzheimer-Demenz

  • Leichte Alzheimer-Erkrankung: MMST 20 - 26 Punkte
  • Mittelschwere Alzheimer-Erkrankung: MMST 10-19 Punkte
  • Schwere Alzheimer-Erkrankung: MMST < 10 Punkte

Vaskuläre Demenz (F01)

Die vaskuläre Demenz ist das Ergebnis einer Infarzierung des Gehirns als Folge einer vaskulären Krankheit, einschließlich der zerebrovaskulären Hypertonie. Diese entwickelt sich meist sehr schnell nach einer Reihe von Schlaganfällen als Folge von zerebrovaskulärer Thrombose, Embolie oder Blutung. Hierzu zählen Fälle mit Hypertonie in der Anamnese und ischämischen Herden im Marklager der Hemisphären.

Subtypen der vaskulären Demenz

  • F01.0 Vaskuläre Demenz mit akutem Beginn
  • F01.1 Multiinfarkt-Demenz
  • F01.2 Subkortikale vaskuläre Demenz
  • F01.3 Gemischte kortikale und subkortikale vaskuläre Demenz
  • F01.8 Sonstige vaskuläre Demenz
  • F01.9 Vaskuläre Demenz, nicht näher bezeichnet

Demenz bei anderenorts klassifizierten Krankheiten (F02)

Diese Kategorie umfasst Formen der Demenz, bei denen eine andere Ursache als die Alzheimer-Krankheit oder eine zerebrovaskuläre Krankheit vorliegt oder vermutet wird.

Beispiele für Demenzformen unter F02

  • F02.0 Demenz bei Pick-Krankheit
  • F02.1 Demenz bei Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
  • F02.2 Demenz bei Chorea Huntington
  • F02.3 Demenz bei primärem Parkinson-Syndrom
  • F02.4 Demenz bei HIV-Krankheit
  • F02.8 Demenz bei anderenorts klassifizierten Krankheitsbildern

Nicht näher bezeichnete Demenz (F03)

Diese Kategorie wird für Demenzen verwendet, die nicht genauer spezifiziert werden können.

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Organisches amnestisches Syndrom, nicht durch Alkohol oder andere psychotrope Substanzen bedingt (F04)

Ein Syndrom mit deutlichen Beeinträchtigungen des Kurz- und Langzeitgedächtnisses, bei erhaltenem Immediatgedächtnis. Es finden sich eine eingeschränkte Fähigkeit, neues Material zu erlernen und zeitliche Desorientierung. Konfabulation kann ein deutliches Merkmal sein, aber Wahrnehmung und andere kognitive Funktionen, einschließlich Intelligenz, sind gewöhnlich intakt.

Andere psychische Störungen aufgrund einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns oder einer körperlichen Krankheit (F06)

Diese Kategorie umfasst andere psychische Störungen, die auf eine Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns oder eine körperliche Krankheit zurückzuführen sind. Hier kann die leichte kognitive Störung (F06.7) codiert werden, wenn eine zugrunde liegende Gehirnerkrankung oder körperliche Krankheit anderer Art benannt werden kann.

Diagnostischer Prozess

Der Diagnoseprozess beginnt mit einer ausführlichen Eigen-, Fremd-, Familien- und Sozialanamnese unter Einschluss der vegetativen und Medikamentenanamnese. Da viele Erkrankungen zu dem klinischen Syndrom einer Demenz führen können, ist eine ausführliche internistische, psychiatrische und neurologische Untersuchung sehr wichtig.

Kognitive Tests

Zur orientierenden Einschätzung kognitiver Störungen dient z. B. der Mini-Mental-Status-Test (MMST), der DemTect oder der Monteal Cognitive Assessment Test (MoCA). Der Uhrentest kann in Kombination mit anderen Kurztestverfahren eingesetzt werden, hat allein aber keine große diagnostische Wertigkeit. Bei klinisch nicht eindeutigem Befund, im frühen Stadium einer Alzheimer-Demenz oder bei noch unklarer Ätiologie einer Demenz sollte der kognitive Status der Betroffenen im Rahmen neuropsychologischer Diagnostik ausführlich untersucht werden.

Laboruntersuchungen

Um reversible Demenzursachen auszuschließen, sollten als Standardparameter im Rahmen der Demenzdiagnostik Blutbild, Elektrolyte, Blutzucker und TSH bestimmt werden. Zudem ist die Erhebung der Parameter CRP, Leber- und Nierenfunktionswerte, Vitamin B12 und Folsäure sinnvoll.

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Liquoruntersuchung

Als nächsten Schritt bei der Alzheimer-Diagnostik steht die Liquorpunktion, bei der Zellzahl, das Gesamtprotein, die Laktatkonzentration, die Glukose, der Albuminquotient, die intrathekale IgG-Produktion und oligoklonale Banden bestimmt werden. Neben dem Ausschluss entzündlicher Demenzursachen können im Liquor auch Korrelate der neuropathologischen Veränderungen einer Alzheimer-Erkrankung gefunden werden. Es empfiehlt sich daher die Bestimmung der Parameter ß-Amyloid-1-42 und Gesamt-Tau oder Phospho-Tau.

Bildgebung

Besteht ein Demenzsyndrom, sollte eine zerebrale Bildgebung, als erste Wahl ein cMRT, durchgeführt werden. Bei Kontraindikationen wie z. B. einem Herzschrittmacher, kann stattdessen ein cCT angefordert werden. In der Bildgebung können einige potenziell reversible Ursachen wie ein Tumor, ein subdurales Hämatom oder ein Normaldruckhydrozephalus aufgedeckt werden und z. B. anhand des Atrophiemusters zwischen ätiologisch verschiedenen primären Demenzerkrankungen unterschieden werden.

Weitere Untersuchungen

Bei klinisch unklarer Konstellation gibt es nuklearmedizinische Verfahren wie funktionelle Messungen des Glukosemetabolismus (18F-FDG-PET), Messungen der zerebralen Perfusion (HMPAO-SPECT) und die Darstellung des zerebralen Amyloids im PET, die die Diagnostik ergänzen können. Eine Sonographie der gehirnversorgenden Gefäße (Doppler- und Duplex) kann bei der Differentialdiagnose einer vaskulären Demenz relevant werden. In speziellen Fällen wie beim Verdacht auf eine Epilepsie, ein Delir oder eine Creutzfeld-Jakob-Erkrankung kann ein ergänzendes EEG sinnvoll sein. Bei Verdacht auf die seltene, monogen vererbte Demenzerkrankung sollte eine genetische Beratung angeboten werden.

Differentialdiagnosen

Wichtige Differenzialdiagnosen bei einem Demenzsyndrom sind neben anderen primären Demenzsyndromen (z. B. vaskuläre Demenz, Frontotemporale Demenz, Lewy-Body-Demenz) sekundäre Demenzsyndrome z. B. nach einem Trauma oder Tumor, wegen metabolischer oder toxischer Ursache, hypoxisch bedingt, entzündlich/infektiös bedingt oder im Rahmen eines Normaldruck-Hydrozephalus. Ein psychopathologischer Befund liefert Hinweise zu psychiatrischen Differenzialdiagnosen einer Demenz, allen voran zur Depression. Des Weiteren kann ein Delir mit einer Demenz verwechselt werden und auch Abhängigkeitserkrankungen oder Negativsymptomatik bei Schizophrenie präsentieren sich ggf.

Therapie

Alle primären Demenzformen verlangen nach psychosozialer Intervention im Sinne von kognitiver Stimulation, Ergotherapie und ab dem mittleren Schweregrad auch multisensorischen Verfahren. Es ist wichtig, Angehöre in die Therapie mit einzubeziehen. Körperliche Aktivität verbessert das physische und psychische Funktionsniveau und ist in allen Stadien sinnvoll. Generell ist eine Alzheimer-Erkrankung nicht heilbar und nur im Verlauf modifizierbar.

Pharmakologische Therapie

Die Grundlage der spezifischen pharmakologischen Therapie von Morbus Alzheimer im Frühstadium ist die Acetylcholin-Mangelhypothese. Donepezil, Galantamin und Rivastigmin sind Acetylcholinesterasehemmer, die den Acetylcholinspiegel erhöhen sollen, um die kognitiven Funktionen zu verbessern. Im mittleren und schweren Stadium der Alzheimer-Erkrankung können NMDA-Antagonisten (Memantine) eingesetzt werden, die Glutamat-Rezeptoren blockieren.

ICD-11: Änderungen und Neuerungen

Die International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems 11 (ICD-11) stellt einen klaren Fortschritt gegenüber ICD-10 dar. In ICD-11 werden aktuelle diagnostische Klassifikationen neurodegenerativer Demenzerkrankungen aufgegriffen.

Wesentliche Änderungen in ICD-11

  • Anpassung der Klassifikationen an den aktuellen Stand des Wissens
  • Differenzierte Codiermöglichkeiten von Demenzerkrankungen
  • Differenzierte Codiermöglichkeiten gemischter Demenzformen
  • Aktualisierung von Begriffen im Vergleich zu ICD-10
  • Kapitelübergreifende Postkoordination zur präziseren Erfassung eines Krankheitsbildes

Kritikpunkte an ICD-11

  • Weiterhin syndromale Einteilung in weiten Teilen
  • Syndromale Diagnostik mit Unschärfe bezüglich der zugrunde liegenden Pathologie
  • Nicht enge Anlehnung an klinische Kriterien für einzelne neurodegenerative Erkrankungen
  • Fehlen der syndromalen Beschreibung atypischer Formen der Alzheimer-Krankheit

Fortschritte in ICD-11

  • Codierung des Schweregrads der Demenz in leicht, mittelgradig und schwer
  • Codierung einzelner psychischer und Verhaltenssymptome durch Postkoordination
  • Einführung der leichten neurokognitiven Störung

Prävention

Um einer Alzheimer-Demenz vorzubeugen, empfiehlt es sich die Prävention der oben genannten Erkrankungen, die in die Ätiologie der Erkrankung einfließen.

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