Mikroblutungen im Gehirn bleiben oft unbemerkt, können aber auf schwerwiegende zugrunde liegende Probleme hinweisen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten von atypischen Blutungen im Gehirn.
Was sind atypische Blutungen im Gehirn?
Bei einer Mikroblutung im Gehirn treten winzige Blutmengen aus den Gefäßen aus. Bis vor etwa zehn Jahren konnten diese nur durch eine Biopsie diagnostiziert werden. Moderne Magnetresonanztomographie (MRT) hat die Diagnose zwar deutlich vereinfacht, aber das Wissen über die Ursachen und Auswirkungen ist noch begrenzt.
Ursachen von atypischen Blutungen im Gehirn
Die Auslöser für Mikroblutungen können je nach Form variieren:
- Hypertensive Blutungen: Hoher Blutdruck überlastet die Gefäße in der Mitte des Gehirns, was zum Reißen der Gefäße führen kann.
- Zerebrale Amyloidangiopathie (CAA): Ein Überschuss des Proteins Beta-Amyloid lagert sich in den Gefäßen der Gehirnrinde ab und macht diese brüchig.
Weitere Ursachen für intrazerebrale Blutungen (ICB) sind:
- Erkrankungen von Arterien und Arteriolen: Genetisch bedingte und erworbene Erkrankungen der kleinen und großen Gefäße.
- Zerebrales Aneurysma: Eine Ausstülpung in der Wand eines Blutgefäßes im Gehirn, die platzen kann.
- Moya-Moya-Erkrankung: Eine seltene Gefäßkrankheit, die zu einer fortschreitenden Verengung der Hirnarterien an der Hirnbasis führt.
- Vaskulitiden: Entzündungen der Blutgefäße.
- Reversibles Vasokonstriktionssyndrom: Eine vorübergehende Verengung der Blutgefäße im Gehirn.
- Venöse Erkrankungen: Venen- oder Sinusthrombose.
- Gefäßmalformationen: Arteriovenöse Malformationen (AVM), durale arteriovenöse Fisteln und zerebrale kavernöse Malformationen.
- Tumoren, Ischämie: Blutungen können auch im Zusammenhang mit Tumoren oder nach einem ischämischen Schlaganfall auftreten.
- Blutgerinnungsstörungen: Angeborene oder erworbene Störungen der Blutgerinnung, einschließlich iatrogener Ursachen (z.B. durch Vitamin-K-Antagonisten).
- Hämatologische Erkrankungen: Erkrankungen des Blutes.
- Intrazerebrale Blutungen im Kontext anderer Erkrankungen: Infektiöse Endokarditis.
- Intoxikation: Vergiftung.
Risikofaktoren für Hirnblutungen
Der wichtigste Risikofaktor ist arterielle Hypertonie. Weitere Risikofaktoren sind:
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- Exzessiver Alkoholkonsum
- Rauchen
- Niedrige Gesamtcholesterinwerte
- Einnahme von Antikoagulantien und Thrombozytenaggregationshemmern
Lokalisation von Hirnblutungen
Häufige Lokalisationen spontaner zerebraler Blutungen sind:
- Telencephale Stammganglien: Putamen (ca. 35%), gefolgt von anderen Bereichen der Stammganglien (insgesamt 35-50%).
- Subkortikales Marklager der Großhirnlappen: Ca. 30%.
- Thalamus: 10-15%.
- Kleinhirn: 7-10%.
- Pons und andere Hirnstammbereiche: Seltener (<5%).
Symptome von atypischen Blutungen im Gehirn
Die Symptome hängen davon ab, welches Hirnareal betroffen ist und wie stark die Blutung ist. Mögliche Symptome sind:
- Ausfälle bei komplexen motorischen Abläufen (Gehen, handwerkliche Tätigkeiten, Sport)
- Koordinationsschwierigkeiten
- Steife Gelenke, Spastiken
- Plötzliche Kopfschmerzen
- Übelkeit, Erbrechen
- Halbseitige Muskelschwäche oder Lähmungen
- Taubheitsgefühle
- Seh-, Sprech- und Sprachstörungen
- Schluckstörungen
- Schwindel und Bewegungsstörungen
- Bewusstseinseintrübung, Bewusstseinsverlust
- Krampfanfälle
Diagnose von atypischen Blutungen im Gehirn
Die Diagnose umfasst:
- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und Risikofaktoren.
- Neurologische Untersuchung: Prüfung der Hirnfunktionen.
- Bildgebung:
- Cerebrale Computertomographie (CCT): Goldstandard zur schnellen Erkennung von Blutungen. Akut: hyperdense Raumforderung, im Verlauf hypodens.
- Kernspintomographie (MRT): Geeignet zur differenzialdiagnostischen Abklärung und Darstellung von Mikroblutungen. Blutsensitive Sequenzen sind wichtig für den Nachweis von Mikroblutungen.
- CT-Angiographie (CTA) / MR-Angiographie (MRA): Zur Darstellung der Blutgefäße und Erkennung von Gefäßmalformationen oder Aneurysmen.
- Laboruntersuchungen: Blutbild, Gerinnungsstatus, Entzündungsparameter.
- Lumbalpunktion: Bei Verdacht auf Subarachnoidalblutung, wenn die Bildgebung unauffällig ist.
Therapie von atypischen Blutungen im Gehirn
Die Therapie zielt darauf ab, die Blutung zu stoppen, den Hirndruck zu senken und Folgeschäden zu minimieren:
- Allgemeine Maßnahmen:
- Monitoring und Überwachung auf einer Stroke Unit oder Intensivstation.
- Blutdrucksenkung (RRsyst. ≤140 mmHg) mit Urapidil, Clonidin. Cave: Bei zu starker Blutdrucksenkung besteht die Gefahr einer Autoregulationsstörung.
- Temperatursenkung, Normothermie (<37,5°C).
- Normoglykämie (Blutzucker <180 mg/dl).
- Analgesie mit NSAIDs.
- Thromboseprophylaxe mit Thrombosestrümpfen und Low-Dose-Heparinisierung (24 Stunden nach Ereignis).
- Spezifische medikamentöse Therapie:
- Bei Einnahme von Phenprocoumon: INR antagonisieren mit Prothrombin-Komplex-Konzentraten (PPSB) und Vitamin K.
- Bei Einnahme von Apixaban, Rivaroxaban: Antagonisierung mit Faktor Xa (Andexanet alfa) oder PPSB.
- Bei Einnahme von Edoxaban: PPSB.
- Bei Einnahme von Dabigatran: Antagonisierung mit Idarucizumab.
- Bei ICB durch Vollheparinisierung: Antagonisierung mit Protaminsulfat.
- Chirurgische Therapie:
- Ausgedehnte und tiefliegende Stammganglienblutungen: OP bringt meist keinen Nutzen. Ausnahme: Bohrloch-Blutungsdrainage bei sehr jungem Alter, Koma.
- Jüngere Patienten, Blutung supratentoriell, kalottenah: Indikation zur OP im Einzelfall, insbesondere bei GCS-Verschlechterung auf GCS<9. OP möglichst innerhalb von 8 Stunden.
- Bei GCS-Verschlechterung auch OP von älteren Patienten (Blutung kalottennah, <1cm zur Kalotte), bei gutem prämorbidem Zustand.
- Minimalinvasive Operation /Katheteranlage wenn möglich.
- Bei Blutungen mit mind. 30 ml Volumen: Hämatomabsaugung.
- Operation einer Aneurysma- oder Angiomblutung.
- Operation von infratentoriellen Blutungen (Hirnstamm, Kleinhirn) bei raumforderndem Ödem >3cm oder klinische Zeichen der Hirnstammkompression.
- EVD-Anlage ggf. bei Ventrikeleinbruch, Hydrocephalus, Kompression des Aquädukts.
- Ggf. i.v. Lyse über Ventrikelkatheter.
- Intrathekale Thrombolyse mit Alteplase.
- Antikoagulation nach ICB: Erneute Gabe von Antikoagulantien nach ca. 4-8 Wochen möglich, wenn die Blutdruckwerte im Normbereich liegen.
- Therapie von Komplikationen:
- Hirndruck: Konservativ (Oberkörperhochlagerung, Normovolämie, Normotonie, Normoglykämie, Normothermie) oder operativ.
- Epileptische Anfälle: Therapie mit Levetiracetam oder Valproat.
Rehabilitation nach Hirnblutung
Die Rehabilitation ist ein wichtiger Bestandteil der Behandlung nach einer Hirnblutung. Sie zielt darauf ab, verlorengegangene Fähigkeiten wiederzuerlangen und die Lebensqualität zu verbessern. Mögliche Therapiebausteine sind:
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- Physiotherapie
- Ergotherapie
- Sprachtherapie (Logopädie)
- Neuropsychologische Therapie
- Psychosoziale Betreuung
- Schlucktherapie
- Spiegeltherapie
- Interdisziplinäre Gruppentherapien
Prävention von Hirnblutungen
- Blutdruckkontrolle: Regelmäßige Messung und Behandlung von Bluthochdruck.
- Gesunder Lebensstil: Regelmäßige Bewegung, gesundes Körpergewicht, ausgewogene Ernährung.
- Rauchverzicht: Rauchen erhöht das Risiko für Hirnblutungen.
- Moderater Alkoholkonsum: Hoher Alkoholkonsum kann das Risiko erhöhen.
- Schutz vor Kopfverletzungen: Tragen eines Helms bei Sportarten mit Verletzungsrisiko.
Zerebrale Amyloidangiopathie (CAA) im Detail
Die zerebrale Amyloidangiopathie (CAA) ist eine wichtige Ursache für lobäre Hirnblutungen, insbesondere bei älteren Menschen.
Pathophysiologie: Ablagerung von β-Amyloid in den Wänden kortikaler und leptomeningealer Gefäße, was zu einer Degeneration der Gefäßwand und einer erhöhten Brüchigkeit führt.
Diagnose:
- Boston-Kriterien: Klinische und MR-morphologische Kriterien zur diagnostischen Annäherung.
- Blutsensitive MRT-Sequenzen: Nachweis kortikaler, subpialer Einblutungen (superfizielle Siderose).
Klinische Merkmale:
- Rezidivierende lobäre Blutungen
- Häufig ältere Patienten (>60 Jahre)
- Assoziation mit Alzheimer-Pathologie und Apolipoprotein E Polymorphismus
- In seltenen Fällen entzündliche Varianten (CAA-ri, ABRA)
Therapie: Derzeit keine kausale Therapie bekannt.
Zerebrale Mikroblutungen (CMB)
Zerebrale Mikroblutungen (CMB) sind kleine Ablagerungen von Hämosiderin, die in blutsensitiven MRT-Sequenzen als punktförmige, hypointense Läsionen erscheinen. Sie können als Indikatoren für eine erhöhte zerebrale Blutungsneigung dienen.
Lokalisation:
- Stammganglien: Assoziiert mit arterieller Hypertonie.
- Kortikal/Lobär: Assoziiert mit CAA und Morbus Alzheimer.
Bedeutung: Die prädiktive Bedeutung von CMB für Hirnblutungen ist noch nicht eindeutig geklärt.
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