Augenverdrehen: Ursachen und neurologische Hintergründe

Augenverdrehen, oft als unwillkürliche oder willkürliche Bewegung der Augen nach oben oder zur Seite wahrgenommen, kann verschiedene Ursachen haben. In vielen Fällen ist es ein harmloses Verhalten, das Ausdruck von Ungeduld, Verlegenheit oder Respektlosigkeit sein kann. In einigen Fällen kann Augenverdrehen jedoch auch ein Symptom neurologischer Probleme sein. Dieser Artikel untersucht die neurologischen Ursachen des Augenverdrehens und bietet einen Überblick über die verschiedenen Arten von Augenbewegungsstörungen.

Neuroophthalmologische Grundlagen

Neuroophthalmologische Syndrome manifestieren sich entweder als Sehstörungen, die die visuelle Afferenz betreffen, oder als Augenbewegungsstörungen, die die okulomotorische Efferenz beeinträchtigen. Während sich andere Kapitel mit afferenten und zentralen Sehstörungen befassen, konzentriert sich dieser Artikel auf die Efferenz, d. h. okulomotorische Störungen.

Das Verständnis des okulomotorischen Systems hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht, so dass eine präzise neurologisch-topische Diagnose oft schon am Krankenbett möglich ist. Trotzdem stellt dies viele Neurologen vor Herausforderungen, was darauf hindeutet, dass die Kenntnisse über diesen speziellen Bereich der Neurologie weiter verbreitet werden müssen.

Die Bedeutung von Augenbewegungen

Die primäre Funktion von Augenbewegungen ist es, durch die stabile Positionierung der Abbilder der visuellen Welt auf der Netzhaut einen ungestörten Sehvorgang und eine konstante Raumwahrnehmung zu ermöglichen. Dies erfordert das Erreichen von zwei Zielen:

  1. Extrafoveale retinale Bilder von Blickzielen auf die Fovea (die Stelle des schärfsten Sehens) zu zentrieren.
  2. Diese Bilder dort zu fixieren, um retinale Bildverschiebungen bei Eigen- oder Umweltbewegungen zu vermeiden.

Verschiedene okulomotorische Systeme arbeiten zusammen, um diese Ziele zu erreichen:

Lesen Sie auch: Parkinson-Krankheit und Sehbeeinträchtigungen

  • Sakkadisches System: Ermöglicht die schnelle Erfassung neuer Blickziele, indem die Fovea auf ein bestimmtes Sehobjekt zentriert wird. Sakkaden sind schnelle Augenbewegungen mit einer Geschwindigkeit von 100-700°/s, bei denen Richtung, Amplitude und Geschwindigkeit exakt vorprogrammiert werden müssen.
  • Augenfolgesystem ("Smooth Pursuit"): Verfolgt und stabilisiert ein bewegtes Objekt auf der Fovea, indem die Winkelgeschwindigkeit der Augen der Objektgeschwindigkeit angepasst wird.
  • Vestibulookulärer Reflex (VOR): Stabilisiert den Blick bei schnellen Kopfbewegungen durch einen 3-Neuronen-Reflexbogen zwischen Vestibularorgan und Augenmuskeln.
  • Vergenzbewegung: Zentriert beide Foveae auf ein Objekt, wenn es sich in der Raumtiefe auf den Kopf zu oder vom Kopf weg bewegt.
  • Fixation: Eine aktive Leistung, die die Stabilität der visuellen Wahrnehmung unter verschiedenen Bedingungen gewährleistet.

Diese Systeme ergänzen sich und sind hierarchisch geordnet, wobei das vestibuläre System am schnellsten reagiert und das Folge- und Optokinetiksystem langsamer, aber präziser arbeitet. Alle Augenbewegungen können kortikal durch Fixation unterdrückt werden.

Konjugierte und diskonjugierte Augenbewegungsstörungen

Grundsätzlich unterscheidet man konjugierte von diskonjugierten Augenbewegungsstörungen. Bei konjugierten Störungen sind die Bewegungen beider Augen in gleicher Weise und gleichem Ausmaß betroffen, der Patient nimmt keine Doppelbilder wahr, und die verantwortliche Läsion ist supranukleär im ZNS lokalisiert. Diskonjugierte Augenbewegungsstörungen betreffen beide Augen in unterschiedlichem Ausmaß und führen meist zu Doppelbildwahrnehmungen und Fehlstellungen (Strabismus). Die verantwortliche Läsion ist entweder peripher im Bereich der okulomotorischen Hirnnerven bzw. der Augenmuskeln lokalisiert oder zentral im Hirnstamm bzw.

Klinische Untersuchung von Augenbewegungsstörungen

Die klinische Untersuchung von Augenbewegungsstörungen umfasst mehrere Schritte:

  1. Spontane Augenstellung: Beurteilung der Primärposition von Augen- und Kopfhaltung, Vorliegen eines Exophthalmus und eventueller konjugierter Blick- oder Kopfdeviationen oder diskonjugierter Augenfehlstellungen (Strabismus).
  2. Allgemeine Bulbusmotilität: Prüfung der Augenbewegungen in den 8 möglichen Extrempositionen, um Fehlstellungen oder Bewegungs- und Blickfeldeinschränkungen zu erkennen.
  3. Abdecktest: Ermittlung eines latenten Strabismus (Esophorie oder Exophorie) anhand einer Einstellbewegung beim alternierenden Abdecktest.
  4. Doppelbildwahrnehmung: Bei Lähmungsschielen kann der betroffene Muskel durch den Abdecktest ermittelt werden. Die Verwendung eines Farbglases kann helfen, Doppelbilder zuzuordnen.
  5. Kopfzwangshaltung: Beobachtung einer kompensatorischen Kopfzwangshaltung in Zugrichtung des gelähmten Muskels.
  6. Blickparese: Prüfung der konjugierten Wendung beider Bulbi in verschiedene Richtungen.
  7. Fixationsstörungen: Unterteilung in sakkadische Oszillationen und Nystagmusphänomene, deren Klassifikation oft eine Elektronystagmografie erfordert.
  8. Sakkadenuntersuchung: Beurteilung der prompten Ausführung (Latenz), Zielsicherheit (Metrik) und Geschwindigkeit von Sakkaden.

Nystagmus: Unwillkürliche Augenbewegungen

Nystagmus ist eine rhythmische, in zwei Phasen ablaufende, unwillkürliche okuläre Oszillation, die in der Regel aus einer schnellen (Sakkade) und einer langsamen Komponente besteht. Er kann physiologisch (visuell oder vestibulär induziert) oder pathologisch sein. Pathologischer Nystagmus stört die Fixation und die visuelle Stabilität.

Es gibt verschiedene Arten von Nystagmus, darunter:

Lesen Sie auch: Augenprobleme im Zusammenhang mit neurologischen Erkrankungen

  • Pendelnystagmus: Sinusähnliche Oszillationen ohne Unterscheidung zwischen einer schnellen und langsamen Phase.
  • Vestibulärer Nystagmus: Horizontal, vertikal oder torsionell, oft durch Fixation supprimiert und bei Blick in Richtung der schnellen Phase aktiviert.
  • Kongenitaler Nystagmus: Häufig mit frühkindlichen Sehdefekten kombiniert, verursacht durch eine Störung des Fixations- und Blickfolgesystems.
  • Latenter Fixationsnystagmus: Tritt nur während monokulärer Fixation auf und ist immer mit einer Schielamblyopie assoziiert.
  • Blickrichtungsnystagmus: Tritt bei Blick in eine bestimmte Richtung auf.

Die klinische Untersuchung bei Nystagmus umfasst die Beobachtung in der Primärstellung, im Seit-, Auf- und Abblick sowie in Seitlagerung. Die Frenzel-Brille kann verwendet werden, um die visuelle Fixationssuppression zu reduzieren und einen Spontannystagmus sichtbar zu machen. Der Kopfschütteltest kann ebenfalls zur Diagnose vestibulärer Funktionsstörungen eingesetzt werden.

Ursachen von Augenbewegungsstörungen

Augenbewegungsstörungen können periphere, faszikuläre, nukleäre oder supranukleäre Ursachen haben. Periphere Formen betreffen die Augenmuskeln oder die okulomotorischen Hirnnerven, während zentrale Formen durch Funktionsstörungen von Hirnstamm, Kleinhirn oder anderen übergeordneten Zentren verursacht werden.

Einige spezifische Ursachen und Läsionsorte sind:

  • Faszikuläre Läsionen: Schädigungen des kurzen Anteils der einzelnen Augenmuskelnerven innerhalb des Hirnstamms.
  • Nukleäre Läsionen: Schädigungen des Nucleus oculomotorius, trochlearis oder abducens.
  • Supranukleäre Läsionen: Schädigung okulomotorischer Bahnsysteme oder supranukleärer Kerngebiete, die in der Regel die Bewegung beider Augen beeinträchtigen.
  • Zerebelläre Störungen: Beeinträchtigung der Blickfolgebewegungen, Blickhaltefunktion und/oder Sakkaden.
  • Internukleäre Ophthalmoplegie (INO): Ausfall der Adduktion aufgrund einer Läsion des medialen Längsbündels.
  • Skew Deviation: Vertikale Fehlstellung aufgrund einer Läsion der Otolithen oder deren zentralen Projektionen.

Augenverdrehen als Symptom neurologischer Erkrankungen

In einigen Fällen kann Augenverdrehen ein Symptom neurologischer Erkrankungen sein, wie z. B.:

  • Epilepsie: Bei epileptischen Anfällen können die Augen nach oben verdreht sein. Dies ist besonders häufig bei generalisierten tonisch-klonischen Anfällen (Grand-mal-Anfällen).
  • Schlaganfall: Ein Schlaganfall kann zu Schäden im Gehirn führen, die die Augenbewegung kontrollieren, was zu Augenverdrehen oder anderen Augenbewegungsstörungen führen kann.
  • Multiple Sklerose (MS): MS kann die Nerven schädigen, die die Augenbewegung steuern, was zu Nystagmus oder anderen Augenbewegungsstörungen führen kann.
  • Hirntumore: Tumore im Gehirn können auf die Nerven drücken, die die Augenbewegung steuern, was zu Augenverdrehen oder anderen Augenbewegungsstörungen führen kann.
  • Hirnverletzungen: Hirnverletzungen können die Nerven schädigen, die die Augenbewegung steuern, was zu Augenverdrehen oder anderen Augenbewegungsstörungen führen kann.
  • Nystagmus: Diese Erkrankung verursacht unkontrollierbare, sich wiederholende Augenbewegungen, die dazu führen können, dass sich die Augen verdrehen.

Weitere Ursachen für Augenverdrehen

Neben neurologischen Ursachen kann Augenverdrehen auch durch andere Faktoren verursacht werden, wie z. B.:

Lesen Sie auch: Der Zusammenhang zwischen Augenerkrankungen und Demenz

  • Muskelermüdung: Längere Anstrengung der Augenmuskeln kann zu vorübergehendem Augenverdrehen führen.
  • Medikamente: Einige Medikamente können als Nebenwirkung Augenverdrehen verursachen.
  • Stress: In seltenen Fällen kann Stress zu unwillkürlichem Augenverdrehen führen.
  • Dehydration: Dehydration kann zu Muskelkrämpfen führen, die auch die Augenmuskeln betreffen und Augenverdrehen verursachen können.
  • Tic-Störungen: Augenverdrehen kann auch ein Tic sein.

Behandlung von Augenbewegungsstörungen

Die Behandlung von Augenbewegungsstörungen hängt von der zugrunde liegenden Ursache ab. Einige Behandlungen umfassen:

  • Medikamente: Medikamente können eingesetzt werden, um die Symptome von Nystagmus, Epilepsie oder anderen neurologischen Erkrankungen zu lindern.
  • Brillen oder Kontaktlinsen: Diese können helfen, die Sehschärfe bei Menschen mit Nystagmus oder anderen Augenbewegungsstörungen zu verbessern.
  • Sehtraining: Sehtraining kann helfen, die Augenmuskeln zu stärken und die Augenbewegung zu verbessern.
  • Operation: In einigen Fällen kann eine Operation erforderlich sein, um die Augenmuskeln zu korrigieren oder andere Probleme zu beheben, die zu Augenbewegungsstörungen führen.
  • Änderungen des Lebensstils: Änderungen des Lebensstils, wie z. B. Stressreduktion, ausreichender Schlaf und Vermeidung von Alkohol und Drogen, können helfen, die Symptome von Augenbewegungsstörungen zu lindern.

tags: #Augen #verdrehen #Ursachen #Neurologie