Die Parkinson-Krankheit ist primär für ihre motorischen Symptome bekannt, doch viele Betroffene leiden auch unter einer Vielzahl von nicht-motorischen Symptomen, darunter Sehstörungen. Diese visuellen Beeinträchtigungen können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen, da ein gutes Sehvermögen entscheidend ist, um motorische Defizite auszugleichen und das Sturzrisiko zu minimieren. Studien zeigen, dass Sehstörungen bei Parkinson-Patienten weit verbreitet sind und verschiedene Ursachen haben können. Eine frühzeitige Diagnose und interdisziplinäre Behandlung sind daher von großer Bedeutung.
Häufigkeit von Sehstörungen bei Parkinson
Eine Studie unter der Leitung der Neurologen Prof. Dr. Klaus Seppi und Dr. Carlijn D.J.M. Borm ergab, dass Sehstörungen bei Parkinson-Patienten weitaus häufiger auftreten als bei gesunden Menschen. In der Studie wurden 848 Parkinson-Patienten und eine Kontrollgruppe von 250 nicht an Parkinson erkrankten Menschen mithilfe eines Fragebogens zu ihren Sehstörungen befragt. Zusätzlich wurden 102 der 848 befragten Patienten einer ausführlichen neurologischen und augenärztlichen Untersuchung unterzogen. Die Ergebnisse zeigten, dass 82 % der Parkinson-Patienten mindestens eine oder mehrere Sehstörungen angaben, während in der gleichaltrigen Kontrollgruppe nur 48 % betroffen waren. Viele Betroffene berichteten über subjektive Beschwerden im Alltag, insbesondere beim Lesen, Autofahren und Arbeiten am Bildschirm.
Ursachen von Sehstörungen bei Parkinson
Die Ursachen für Sehstörungen bei Parkinson sind vielfältig. Zum einen kann der für die Krankheit charakteristische Dopaminmangel nicht nur motorische Bahnen, sondern auch die Netzhaut und die visuellen Verarbeitungszentren im Gehirn beeinträchtigen. Dopamin spielt eine wichtige Rolle bei der Signalübertragung zwischen Photorezeptoren und Ganglienzellen. Zum anderen leiden Parkinson-Patienten häufig unter altersbedingten Augenerkrankungen wie Katarakt, Glaukom und Makuladegeneration. Auch Parkinson-Medikamente selbst können Sehstörungen verursachen.
Weitere mögliche Ursachen sind:
- Verminderte Lidschlagfrequenz: Während ein gesunder Mensch etwa 5-10 Mal pro Minute blinzelt, kann sich die Frequenz bei Parkinson-Patienten auf 1-2 Mal reduzieren, was zu trockenen Augen führen kann.
- Kontrastsehstörungen: Hierbei kommt es zu einem zeitweisen Verblassen von Buchstaben beim Lesen.
- Doppelbilder (Diplopie): Sie treten bei 10-30 % der Patienten auf und resultieren aus Störungen der Augenmuskeln und ihrer Koordination.
Arten von Sehstörungen bei Parkinson
Parkinson-Patienten können unter verschiedenen Arten von Sehstörungen leiden, darunter:
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- Trockene Augen (Keratokonjunktivitis sicca): Dies ist eine der häufigsten Beschwerden bei Parkinson-Patienten. Durch den seltenen Lidschlag und eine verminderte Tränenproduktion wird die Augenoberfläche unzureichend mit Tränenflüssigkeit benetzt, was zu unangenehmen Symptomen wie Brennen, Jucken, Fremdkörpergefühl und Verschwommensehen führen kann.
- Augenfehlstellungen und latentes Schielen: Diese können zu Doppelbildern und Schwierigkeiten bei der räumlichen Wahrnehmung führen.
- Verschwommensehen: Viele Patienten klagen über unscharfes Sehen, was das Lesen, Autofahren und andere alltägliche Aktivitäten erschwert.
- Erhöhte Lichtempfindlichkeit: Einige Patienten reagieren empfindlich auf helles Licht.
- Doppelbilder (Diplopie): Etwa 20 % der Parkinson-Patienten leiden an Doppelbildern, die durch Störungen der Augenmuskeln oder des Nervensystems verursacht werden können.
- Halluzinationen und Trugbilder: In einigen Fällen können Parkinson-Patienten visuelle Halluzinationen oder Trugbilder erleben.
- Kontrast- und Farbsehstörungen: Die Betroffenen haben das Gefühl, dass Farben blasser erscheinen oder Kontraste schlechter wahrgenommen werden.
- Eingeschränktes Gesichtsfeld: Einige Patienten berichten über fehlende Teile ihres Gesichtsfelds, was zu Stößen an Gegenständen oder Personen führen kann.
Auswirkungen von Sehstörungen auf den Alltag
Sehstörungen können den Alltag von Parkinson-Patienten erheblich beeinträchtigen. Sie verstärken die ohnehin vorhandene Gangunsicherheit und erhöhen das Sturzrisiko. Zudem können sie die Teilnahme an sozialen Aktivitäten und die Ausübung von Hobbys erschweren. Viele Betroffene berichten über Schwierigkeiten beim Lesen, Autofahren, Arbeiten am Bildschirm und bei der Körperpflege. Die Angst vor Stürzen und Unfällen kann zu sozialer Isolation und einer verminderten Lebensqualität führen.
Eine gute Sehkraft ist wichtig für Betroffene, da viele motorische Defizite, wie z.B. ein unsicherer Gang, durch diese kompensiert werden können.
Diagnose von Sehstörungen bei Parkinson
Die Diagnose von Sehstörungen bei Parkinson erfordert eine sorgfältige Anamnese und eine umfassende augenärztliche Untersuchung. Der Arzt wird nach spezifischen Symptomen fragen und die Sehschärfe, das Gesichtsfeld, die Augenbewegungen und den Zustand der Augenoberfläche überprüfen. In einigen Fällen können zusätzliche Untersuchungen wie eine optische Kohärenztomographie (OCT) oder eine Fluoreszenzangiographie erforderlich sein, um die Ursache der Sehstörungen zu ermitteln.
Es ist wichtig, dass sowohl Neurologen als auch Augenärzte eng zusammenarbeiten, um eine umfassende Diagnose zu gewährleisten und die bestmögliche Behandlung zu planen.
Behandlung von Sehstörungen bei Parkinson
Die Behandlung von Sehstörungen bei Parkinson erfordert einen multidisziplinären Ansatz. Ziel ist es, die Symptome zu lindern, die Lebensqualität zu verbessern und das Sturzrisiko zu minimieren.
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Mögliche Behandlungsansätze sind:
- Künstliche Tränen: Bei trockenen Augen helfen konservierungsmittelfreie künstliche Tränen, die die Augenoberfläche befeuchten und Entzündungen reduzieren.
- Prismengläser: Für Patienten mit Doppelbildern können Prismengläser angepasst werden, die die Bilder so verschieben, dass sie wieder übereinanderliegen.
- Optimierung der Beleuchtung: Eine gute Beleuchtung ist entscheidend, um Kontraste zu verbessern und das Lesen zu erleichtern. Kaltlichtlampen können hierbei hilfreich sein.
- Botulinumtoxin-Injektionen: Bei Lidkrampf und Lidheber-Apraxie können Botulinumtoxin-Injektionen eingesetzt werden, um die Muskeln zu entspannen und die Lidschlussfunktion zu verbessern.
- Medikamentenanpassung: In einigen Fällen kann es erforderlich sein, die Parkinson-Medikation anzupassen, um Sehstörungen zu reduzieren.
- Operative Eingriffe: Bei altersbedingten Augenerkrankungen wie Katarakt oder Glaukom können operative Eingriffe erforderlich sein, um die Sehkraft wiederherzustellen.
- Augentraining: Im Jahr 2021 wurde mit Hilfe des Teams von Professor Alexander Mertens, Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft an der RWTH Aachen, eine Augentrainings-Software für tägliches Beüben der Augen im häuslichen Umfeld entwickelt. Das Training kann in drei verschiedenen Schwierigkeitsstufen (Geschwindigkeit) durchgeführt werden und ist mit Maus oder Touchscreen bedienbar.
- Weitere Behandlungsansätze: In einigen Fällen können auch andere Therapien wie Ergotherapie oder Physiotherapie hilfreich sein, um die visuellen Fähigkeiten zu verbessern und das Sturzrisiko zu reduzieren.
Frühzeitige Erkennung und interdisziplinäre Behandlung
Sehstörungen bei Parkinson-Patienten werden oft übersehen oder nicht ausreichend behandelt. Daher ist es wichtig, dass Ärzte und Patienten aufmerksam auf mögliche Symptome achten und frühzeitig einen Spezialisten konsultieren. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Neurologen, Augenärzten, Orthoptisten und anderen Fachkräften ist entscheidend, um eine umfassende Diagnose zu stellen und die bestmögliche Behandlung zu gewährleisten.
Forschung zur Früherkennung von Parkinson durch Augenuntersuchungen
Forschende der Marburger Universitätsmedizin haben herausgefunden, dass die Messung von Augenbewegungen, Pupillengröße und Augenblinzeln eine Schlüsselrolle bei der Erkennung der Parkinson-Krankheit und verwandten Erkrankungen spielen könnte. In einer aktuellen Studie wurde das Augenbewegungsverhalten von Personen mit Parkinson-Krankheit, Multi-System-Atrophie (MSA) und isolierter Rapid Eye Movement-Schlafverhaltensstörung (iRBD) sowie von gesunden Kontrollpersonen verglichen. Die Ergebnisse zeigten, dass sowohl Parkinson-Krankheit als auch MSA-Patienten gegenüber Kontrollprobanden veränderte Augenbewegungen und abnorme Pupillenreaktionen zeigten. Diese Erkenntnisse könnten dazu beitragen, Parkinson frühzeitig zu erkennen und mögliche therapeutische Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Fazit
Sehstörungen sind ein häufiges und oft übersehenes Problem bei Parkinson-Patienten. Sie können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und das Sturzrisiko erhöhen. Eine frühzeitige Erkennung und interdisziplinäre Behandlung sind daher von großer Bedeutung. Durch eine sorgfältige Anamnese, eine umfassende augenärztliche Untersuchung und eine individuelle Therapie können die Symptome gelindert und die Lebensqualität der Betroffenen verbessert werden. Die Forschung zur Früherkennung von Parkinson durch Augenuntersuchungen könnte in Zukunft dazu beitragen, die Krankheit früher zu erkennen und den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Es ist wichtig, dass Parkinson-Patienten und ihre Angehörigen sich der möglichen Sehstörungen bewusst sind und offen mit ihren Ärzten darüber sprechen. Nur so kann eine optimale Versorgung gewährleistet werden.
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