Die Auswirkungen von Stress auf das Nervensystem

Stress ist ein allgegenwärtiges Phänomen des modernen Lebens, das tiefgreifende Auswirkungen auf den Körper und insbesondere auf das Nervensystem hat. Die Stressreaktion, ursprünglich eine lebensrettende Anpassung an Bedrohungen, kann bei chronischer Aktivierung zu einer Vielzahl von körperlichen und psychischen Problemen führen.

Die Stressreaktion: Ein evolutionärer Mechanismus

Die Stressreaktion ist ein komplexer Prozess, der im Gehirn beginnt und den gesamten Organismus in Alarmbereitschaft versetzt. Dieser Mechanismus wurde erstmals von Prof. Hans Selye beschrieben, der entdeckte, dass verschiedene Belastungen wie Infektionen, Traumata oder nervliche Anspannung ähnliche physiologische Reaktionen auslösen.

Die Stressreaktion wird durch das vegetative Nervensystem vermittelt, das aus zwei Komponenten besteht: dem Sympathikus, der für Anspannung und Aktivierung zuständig ist, und dem Parasympathikus, der für Entspannung und Erholung sorgt. In einer Stresssituation überwiegt die Aktivität des Sympathikus, wodurch der Körper für Kampf oder Flucht vorbereitet wird.

Die Bewertung von Stressoren

Ob ein Reiz als Stressor wahrgenommen wird, hängt von der subjektiven Bewertung ab. Was für eine Person eine angenehme Herausforderung darstellt, kann für eine andere eine Bedrohung sein. Diese individuelle Bewertung bestimmt, ob die Stressreaktion ausgelöst wird.

Die Auswirkungen von Stress auf körperlicher Ebene

Stress beeinflusst vorwiegend das Hormonsystem, das vegetative Nervensystem und das Immunsystem.

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Das vegetative Nervensystem

Das vegetative Nervensystem steuert lebenswichtige Körperfunktionen wie Herzschlag, Atmung und Verdauung. Bei Stress "kippt" das vegetative Nervensystem in einen Modus der Überaktivierung des Sympathikus. Dies kann zu Herzrasen, Blutdruckanstieg, beschleunigter Atmung, Magenproblemen oder Durchfall führen.

Die Herzschlagvariabilität (HRV) ermöglicht es, den Aktivierungsgrad des vegetativen Nervensystems direkt zu messen.

Das Hormonsystem

Stress führt über einen komplexen Regelmechanismus des Gehirns zu einer Ausschüttung von Cortisol aus der Nebennierenrinde. Cortisol beeinflusst zahlreiche körperliche und psychische Funktionen, kann aber bei längerer Erhöhung zu Gewichtszunahme, Blutzuckeranstieg, Schlafstörungen und Reizbarkeit führen.

Stress beeinflusst auch Wachstums- und Geschlechtshormone. Bei Frauen kann Stress zu Veränderungen oder dem Ausbleiben der Regelblutung führen.

Das Immunsystem

Stress unterdrückt üblicherweise die Immunantwort auf Krankheitserreger. Dauerhafter Stress kann jedoch zu einer übermäßigen oder fehlerhaften Immunantwort führen, was das Risiko von Autoimmunkrankheiten, Allergien und Krebserkrankungen erhöhen kann.

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Die Psychoneuroimmunologie hat in den letzten Jahren die Zusammenhänge zwischen Nervensystem und Immunsystem entschlüsselt und gezeigt, dass beide Systeme eng miteinander verbunden sind.

Die Auswirkungen von Stress auf psychischer Ebene

Auf psychischer Ebene führt Stress zu typischen Symptomen und Verhaltensänderungen. Dazu gehören:

  • Fokussierung der Aufmerksamkeit
  • Erhöhte Reizbarkeit
  • Wachheit
  • Angst
  • Erschöpfung

Chronischer Stress: Ein Teufelskreis

In der heutigen Zeit halten Stresssituationen oft an. Arbeitsplatzbelastungen oder Beziehungskonflikte können sich täglich wiederholen. Chronischer Stress führt zu einer dauerhaften Aktivierung des Sympathikus und kann vielfältige körperliche und psychische Probleme verursachen.

Dauerhafter Stress reduziert unsere Leistungsfähigkeit und erhöht die Anfälligkeit für Erkrankungen. Ein erhebliches Maß an subjektivem Leidensdruck, eine erhöhte Inanspruchnahme des Gesundheitssystems sowie eine Reduktion der Arbeitsproduktivität sind die Folge.

Neurologische Erkrankungen

Vor allem dauerhafter Stress kann neurologische Symptome verschlechtern. Nachgewiesen ist das bei Multipler Sklerose, Parkinson, Migräne und vielen anderen Krankheiten. Bei Stress schüttet der Körper vermehrt Hormone wie Adrenalin und Cortisol aus. Ist ihre Konzentration im Blut über längere Zeit erhöht, werden Immunzellen aktiv. Die gelangen ins Gehirn und lösen Entzündungen im Nervengewebe aus.

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Die Darm-Hirn-Achse

Unter der Bauch-Hirn-Achse, oder wissenschaftlich genauer Darm-Hirn- Achse, versteht man die enge Verbindung und den intensiven Informationsaustausch zwischen dem Darm und dem Gehirn, und zwar in beiden Richtungen. Sowohl der Darm als auch das Gehirn sind lebenswichtige Organe, und damit wir als Organismus gut funktionieren und uns gesund und wohl fühlen, müssen die Aktivität des Darms und jene des Gehirns gut aufeinander abgestimmt sein. Die Kommunikation zwischen Darm und Gehirn erfolgt auf unterschiedlichen „Kanälen“, etwa über Darmmikroben, Hormone, Botenstoffe oder sensorische Neuronen. Via Darm-Hirn-Achse steuert der Verdauungstrakt nicht nur Hungergefühl und Appetit, sondern er beeinflusst auch Stimmungslage, Emotionen und kognitive Prozesse. Wenn es Probleme mit einem der Organe gibt, kann deshalb auch sehr oft das andere Organ betroffen sein.Um die Darm-Hirn-Achse zu verstehen, müssen wir auch wissen, wie die beiden Organe miteinander kommunizieren, nämlich über Nerven, Hormone, Immunbotenstoffe und mikrobielle Botenstoffe. Deshalb ist häufig, wenn es in einem der beiden Organe ein Problem gibt, das andere ebenfalls stark davon betroffen.

Stressbewältigung: Wege aus dem Teufelskreis

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Stress zu einer der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts erklärt. Es ist daher entscheidend, Strategien zur Stressbewältigung zu entwickeln und anzuwenden.

Prävention und Behandlung

Bei stressbedingten Symptomen und Erkrankungen sollte möglichst früh und möglichst ursächlich in den Krankheitsprozess eingegriffen werden. Idealerweise setzt man aber an, bevor der Stress krank macht.

Stressbewältigungsstrategien

Um mit Stresssituationen effektiver umgehen zu können, bieten sich diverse Stressbewältigungsstrategien an. Als längerfristige Stressbewältigungs-Strategien kommen vor allem Entspannungsverfahren (u.a. Progressive Muskelentspannung, oder Autogenes Training), regelmäßige Bewegung, ein gesundes und realistisches Zeit-Management, Selbstfürsorge und das Kultivieren von Beziehungsfertigkeiten in Betracht.

Entspannungstechniken

Entspannungsmethoden wie Yoga, Meditation oder andere Achtsamkeitsübungen können dabei helfen, das Stresslevel zu senken und das Nervensystem wieder zu beruhigen. Ebenso fördert regelmäßige Bewegung wie Ausdauertraining oder Krafttraining den Stressabbau.

Ernährung und Schlaf

Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten kann die Gesundheit des autonomen Nervensystems unterstützen. Um möglichen Beschwerden vorzubeugen, empfiehlt es sich außerdem, auf Alkohol und Koffein zu verzichten.

Ein gesunder Schlaf ist unerlässlich für die Stressbewältigung und Regeneration des Nervensystems.

Der Vagusnerv

Der Vagusnerv ist ein wichtiger Teil des parasympathischen Nervensystems und spielt eine entscheidende Rolle bei der Entspannung. Er kann durch gezielte Übungen wie Atemtechniken, Kältereize oder Summen bewusst aktiviert werden. Die Zwerchfellatmung gilt als Goldstandard für Stressreduktion.

Akute Stressbewältigung

In akuten Stressmomenten kann man sich auf eine langsame Ausatmung konzentrieren. Die 4-7-8-Atemtechnik kann helfen: 4 Sekunden einatmen, 7 halten, 8 ausatmen. Diese Atmung aktiviert direkt den Parasympathikus (also den „Entspannungsnerv").

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