Morbus Parkinson ist eine neurodegenerative Erkrankung, die primär das motorische System betrifft. Jedoch treten auch nicht-motorische Symptome in allen Stadien der Erkrankung auf, die die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen können. Zu diesen nicht-motorischen Symptomen gehören autonome Störungen, die verschiedene Körperfunktionen betreffen, die normalerweise unwillkürlich ablaufen.
Einführung in autonome Störungen bei Parkinson
Autonome Störungen sind Funktionsstörungen des autonomen Nervensystems, das lebenswichtige Funktionen wie Herzfrequenz, Blutdruck, Atmung, Verdauung, Blasen- und Darmfunktion sowie die Thermoregulation steuert. Bei Parkinson können diese Funktionen beeinträchtigt werden, was zu einer Vielzahl von Beschwerden führt. Prof. Dr. Alexander Storch betont, dass diese nicht-motorischen Symptome nicht als Folge der motorischen Störungen auftreten, sondern ein integraler Bestandteil der Erkrankung sind.
Kategorisierung nicht-motorischer Symptome
Prof. Dr. Alexander Storch unterteilt die nicht-motorischen Symptome im Wesentlichen in drei Kategorien:
- Psychiatrische Symptome: Diese betreffen die Psyche und umfassen Stimmungsveränderungen wie Depressionen und Angstzustände.
- Sensorische Symptome: Diese beziehen sich auf die Sinneswahrnehmung, wobei Schmerz eine häufige Beschwerde darstellt.
- Autonome Symptome: Diese umfassen Blasenstörungen, Verstopfung und orthostatische Hypotonie, eine Form des niedrigen Blutdrucks, die zu Stürzen und Bewusstlosigkeit führen kann.
Ursachen autonomer Störungen bei Parkinson
Die Ursachen autonomer Störungen bei Parkinson sind komplex und multifaktoriell. Ziemlich sicher spielt eine Störung mehrerer Neurotransmittersysteme eine Rolle. Neurotransmitter sind chemische Botenstoffe, die für die Informationsübertragung zwischen den Nervenzellen zuständig sind. Während Bewegungsstörungen bei Parkinson fast ausschließlich auf einem veränderten Dopaminhaushalt beruhen, kommen bei nicht-motorischen Symptomen weitere Faktoren hinzu, die für die jeweilige Symptomatik typisch sind.
Beteiligung des autonomen Nervensystems
Morbus Parkinson kann auch das autonome Nervensystem betreffen, das die Nerven steuert, die nicht willentlich kontrolliert werden können. Das autonome Nervensystem steuert die verschiedensten Funktionen unseres Organismus, um die innere Homöostase des menschlichen Körpers aufrechtzuerhalten. Jedes Organ des menschlichen Körpers wird vom autonomen Nervensystem innerviert und somit reguliert. Verschiedene Bereiche des Gehirns gelten als Bestandteile eines komplexen zentralen autonomen Netzwerks, das ankommende Informationen aus der Peripherie (autonome Afferenzen) verarbeitet und eine entsprechende Reizantwort an die peripheren Zielorgane generiert (autonome Efferenzen).
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Neurodegenerative Prozesse
Als primäre Ursache dieser Dysautonomie kann das fast ubiquitäre Auftreten von Neuronenverlusten und das Auftreten von Lewy-Körperchen in ganz unterschiedlichen Anteilen des peripheren und zentralen autonomen Nervensystems gelten. So beschreiben Braak et al. bei IPS-Patienten bereits zu präklinischen Zeitpunkten und vor dem Auftreten der charakteristischen histopathologischen Veränderungen in der Substantia nigra Läsionen im Bereich des dorsalen Vaguskerns und anderen autonomen Hirnstammzentren.
Dopamin und andere Neurotransmitter
Ja, über den Dopaminhaushalt hängen Motorik und Nicht-Motorik eng zusammen. In einer Studie konnte gezeigt werden: Nicht motorische Symptome verändern sich über den Tag maßgeblich zusammen mit den motorischen. Aus den Ursachen folgt als Grundprinzip: Man optimiert zunächst die sogenannte dopaminerge Stimulation, sprich die auf die Motorik zielende Therapie. Damit kann man auch die nicht motorischen Beschwerden mindern, da bei ihnen ebenfalls auf Dopamin bezogene Faktoren hineinspielen.
Medikamentenbedingte Ursachen
Darüber hinaus können Medikamente zu sekundären autonomen Funktionsstörungen führen, die durch zumeist unerwünschte Interaktionen mit den unterschiedlichen Komponenten des autonomen Nervensystems Fehlfunktionen hervorrufen können.
Häufige autonome Störungen bei Parkinson
Zu den häufigsten autonomen Störungen bei Parkinson gehören:
- Orthostatische Hypotonie: Ein plötzlicher Blutdruckabfall beim Aufstehen, der zu Schwindel, Benommenheit und Stürzen führen kann.
- Blasenstörungen: Häufiger Harndrang, Inkontinenz oder Schwierigkeiten beim Entleeren der Blase. Dranginkontinenz und Nykturie (nächtliches Wasserlassen) sind häufige Symptome.
- Verstopfung: Schwierigkeiten beim Stuhlgang, die zu Bauchschmerzen und Unwohlsein führen können.
- Sexuelle Dysfunktion: Verminderte Libido, Erektionsstörungen oder andere sexuelle Probleme.
- Schweißstörungen: Vermehrtes Schwitzen oder verminderte Schweißproduktion.
- Speichelfluss: Vermehrter Speichelfluss, der zu Schluckbeschwerden führen kann.
- Kardiovaskuläre Störungen: Hier ist vor allem die orthostatische Hypotonie von klinischer Relevanz.
Diagnostik autonomer Störungen
Die Diagnose autonomer Störungen bei Parkinson erfordert eine sorgfältige Anamnese und körperliche Untersuchung. Ergänzend können spezielle Tests durchgeführt werden, um die Funktion des autonomen Nervensystems zu beurteilen. Dazu gehören:
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- Blutdruckmessung im Liegen und Stehen: Zur Feststellung einer orthostatischen Hypotonie.
- EKG: Zur Überwachung der Herzfrequenz und -funktion.
- Schweißtest: Zur Beurteilung der Schweißproduktion.
- Urinuntersuchung: Zum Ausschluss anderer Ursachen für Blasenstörungen.
- Szintigraphie mit 123I-Metaiodobenzylguanidin (MIBG): Diese Untersuchung kann durchgeführt werden, um differentialdiagnostisch insbesondere die MSA vom M. Parkinson abzugrenzen.
Behandlung autonomer Störungen
Die Behandlung autonomer Störungen bei Parkinson zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Die Therapie ist individuell und richtet sich nach der Art und Schwere der jeweiligen Störung.
Allgemeine Maßnahmen
Manchmal können bei solchen Symptomen schon einfache Tipps helfen. Bei vermehrtem Speichelfluss etwa das bewusste häufigere Schlucken oder bei Blutdruckschwankungen ausreichendes Trinken. In anderen Fällen hilft auch eine Anpassung der Parkinson-Medikamente. Wenn das nicht wirkt können weitere, spezifische Medikamente verschrieben werden.
Medikamentöse Therapie
- Orthostatische Hypotonie: Medikamente zur Erhöhung des Blutdrucks, wie Fludrocortison oder Midodrin.
- Blasenstörungen: Medikamente zur Entspannung der Blasenmuskulatur oder zur Reduzierung des Harndrangs.
- Verstopfung: Ballaststoffreiche Ernährung, ausreichend Flüssigkeit und gegebenenfalls Abführmittel.
- Sexuelle Dysfunktion: Medikamente zur Verbesserung der Erektionsfähigkeit oder zur Steigerung der Libido.
- Schlafstörungen: Bei Schlafstörungen sollte kontrolliert werden, ob Ihre Medikamente richtig eingestellt sind, und die Therapie gegebenenfalls angepasst werden.
Nicht-medikamentöse Therapie
- Physiotherapie: Übungen zur Verbesserung der Körperhaltung und des Gleichgewichts.
- Ergotherapie: Anpassung des Wohnumfelds zur Vermeidung von Stürzen.
- Logopädie: Übungen zur Verbesserung der Sprache und des Schluckens.
- Psychotherapie: Unterstützung bei Depressionen und Angstzuständen.
- Verhaltenstherapie: Die Verhaltenstherapie, die bei Parkinson-Patienten bislang noch selten zum Einsatz kommt, kann eine Option für die Behandlung von Angststörungen sein.
Spezifische Therapieansätze
- Dopaminerge Stimulation: Aus den Ursachen folgt als Grundprinzip: Man optimiert zunächst die sogenannte dopaminerge Stimulation, sprich die auf die Motorik zielende Therapie. Damit kann man auch die nicht motorischen Beschwerden mindern, da bei ihnen ebenfalls auf Dopamin bezogene Faktoren hineinspielen.
- Schlafstörungen: Bei Schlafstörungen zum Beispiel würde man also zunächst schauen, welche Probleme bestehen, und klären: Sollte man die Medikation nachts reduzieren oder muss man stärker und gegebenenfalls kontinuierlich mit Dopamin stimulieren, damit Schlafbewegungen möglich sind und Betroffene besser durch die Nacht kommen? Dann kann man überlegen, inwiefern man auch noch schlafspezifisch behandelt.
Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit
Die Behandlung autonomer Störungen bei Parkinson erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachdisziplinen, wie Neurologen, Urologen, Kardiologen, Gastroenterologen, Psychologen und Physiotherapeuten. Nur so kann eine umfassende und individuelle Betreuung der Betroffenen gewährleistet werden.
Abgrenzung zu atypischen Parkinson-Syndromen
Es ist wichtig, das idiopathische Parkinson-Syndrom (IPS) von den atypischen Parkinson-Syndromen (APS) zu unterscheiden, da sich die Prognose und Therapieansätze unterscheiden können. Bei frühzeitig auftretenden, schweren autonomen Regulationsstörungen muss immer differenzialdiagnostisch an das Vorliegen einer Multisystematrophie gedacht werden, die heute mit geeigneten innovativen Untersuchungstechniken diagnostisch abgegrenzt werden kann.
Multisystematrophie (MSA)
Gemeinsames Merkmal beider Typen und zugleich wichtiges Unterscheidungskriterium zum M. Parkinson und zu anderen atypischen Parkinson-Syndromen sind ausgeprägte Störungen des autonomen Nervensystems, welche zum Teil Jahre vor Beginn der Parkinson- bzw. Kleinhirnsymptome auftreten können.
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Diagnostische Hilfsmittel
Durch Unterstützung in der Diagnosestellung wollen wir dazu beitragen, Betroffene mit APS möglichst frühzeitig zu identifizieren und ihnen dadurch eine zielgerichtete Behandlung zu ermöglichen. Hierfür können unter anderem folgende Untersuchungen hilfreich sein:
- Nervenwasseruntersuchung
- Kernspintomographie
- Kardiovaskuläre Funktionstests
- Da-TSCAN® (123J-Dat-Scan)
- 18F FDG PET
- MIBG-Szintigraphie
Umgang mit der Erkrankung im Alltag
Parkinson-Patienten sollten nicht nur auf der Couch sitzen, sondern auch gefordert werden. Rhythmischer Sport ist hilfreich, zum Beispiel Nordic Walking, Tanzen, Schwimmen, Golfen und Tennis, aber nicht unbedingt Gewichtheben - Hauruckbewegungen sind nicht hilfreich. Es geht darum, Rhythmus und Bewegungsfluss wieder zu erlernen. Bei der Ernährung kann man nicht viel falsch oder richtig machen. Alkohol ist nicht explizit verboten. Koffein scheint eine positive Wirkung zu haben, die aber umstritten ist.
Soziale Interaktion
Die eingeschränkte Mobilität und vor allem auch Probleme in der Kommunikation wirken sich häufig deutlich auf das Sozialleben von Parkinson-PatientInnen aus. Unternehmen Sie alles, was Sie vorher auch getan haben, solange es für Sie körperlich machbar ist. Schließlich ist sozialer Kontakt nicht nur eine der wichtigsten Quellen zum Schöpfen von Energie, sondern bietet auch Ablenkung und Freude.
Kommunikation
Manche Situationen sind nicht nur für Sie, sondern auch für Ihre Angehörigen und Freunde Neuland. Daher ist es wichtig, dass beide Seiten bestmöglich miteinander kommunizieren. Ebenso bei Gedächtnisproblemen und Problemen mit der Sexualität wie verminderter Lust auf sexuelle Aktivitäten, Erektionsproblemen oder übersteigerte Sexualität kann neben der Anpassung der Therapie das offene Ansprechen hilfreich sein. Nicht nur Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt gegenüber, sondern auch Ihrer Partnerin/Ihrem Partner gegenüber.
Sprachtherapie
Zu einer der wirksamsten und am besten untersuchten sprachtherapeutischen Ansätze bei Parkinson zählt das Lee Silverman Voice Training das dem Motto „Denken Sie laut!“ folgt. Sprechen Sie wirklich laut! Wenn Sie das Gefühl haben, Sie sprechen zu laut, ist das vermutlich nur eine falsche Rückmeldung durch Ihr Gehirn. Trainieren Sie außerhalb von alltäglichen Gesprächen Ihre Aussprache. Dies können Sie am besten mit Ihren Angehörigen durchführen, indem Sie beispielsweise Geschichten laut vorlesen und dabei die Wörter überdeutlich betonen. Ihre Angehörigen können Ihn dann Feedback zur Aussprache und Laustärke geben. Es ist auch möglich, dass sie einzelne Silben wie „Ma, Ro, La, Le, …“ isoliert aussprechen.
Selbsthilfegruppen
Es ist ratsam, sich über verlässliche Medien oder die Selbsthilfe gut über seine Erkrankung, die Therapie und mögliche Beschwerden zu informieren. Mein Rat ist auch, sich einer Parkinsonselbsthilfegruppe anzuschließen. Sie bietet Unterstützung in allen Bereichen und funktioniert in Deutschland unglaublich gut. Es gibt flächendeckend Gruppen, die sich helfen, Tipps geben und über die Deutsche Parkinsonvereinigung die neusten Informationen bereitstellen. Die Selbsthilfegruppen sind ein hilfreiches Netzwerk für Austausch und Unterstützung.