Die axonale Polyneuropathie der Beine ist eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, bei der es zu Schädigungen der Nervenfasern (Axone) kommt, die für die Weiterleitung von Signalen zwischen dem Gehirn und den Beinen verantwortlich sind. Diese Schädigung kann zu einer Vielzahl von Symptomen führen, die die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen können.
Was ist eine axonale Polyneuropathie?
Unter einer Polyneuropathie versteht man eine Erkrankung des peripheren Nervensystems. Das periphere Nervensystem umfasst alle Nerven, die außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks liegen. Die Nerven steuern die Muskeltätigkeit, tragen das Körpergefühl und die Wahrnehmung auf der Haut und beeinflussen die Funktion der inneren Organe. Bei einer Polyneuropathie ist die Reizweiterleitung der Nerven gestört. Reize werden nicht, zu stark oder abgeschwächt an das Gehirn geleitet. Kommandos vom Gehirn werden nicht mehr zuverlässig an die Muskeln und die inneren Organe weitergeleitet.
Bei der axonalen Polyneuropathie geht die Nervenfaser selbst kaputt. Im Gegensatz dazu zerfällt bei der demyelinisierenden Polyneuropathie die Isolation um die Nervenfasern herum, sodass die elektrischen Impulse in der Nervenfaser nicht mehr richtig weitergeleitet werden. Beide Formen können auch in Kombination auftreten.
Ursachen der axonalen Polyneuropathie
Insgesamt gibt es mehr als 2.000 Auslöser für eine Polyneuropathie. Die häufigsten Ursachen sind jedoch mit Abstand Diabetes und Alkoholmissbrauch. In den meisten Fällen liegt einer Polyneuropathie eine Stoffwechsel-Erkrankung zugrunde. Sie tritt nur selten allein, z.B. als Erbkrankheit auf.
Weitere häufigere Ursachen sind:
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- Diabetes mellitus: Der erhöhte Blutzucker schädigt die Nerven und die Blutgefäße, die die Nerven versorgen.
- Alkoholmissbrauch: Chronischer Alkoholkonsum kann zu einer Schädigung der Nerven führen, sowohl durch die direkte toxische Wirkung des Alkohols als auch durch Mangelernährung.
- Schilddrüsenerkrankungen
- Nierenerkrankungen
- Lebererkrankungen
- Krebserkrankungen
- Medikamente gegen Krebs
- Vitaminmangel (Vitamin B12) nach Magen-Operationen o.ä.
- Infektionen (z.B. HIV, Borreliose, Diphterie, Pfeiffersches Drüsenfieber)
- Entzündungen der Nerven (Polyneuritis), wie z.B. das Guillain-Barré-Syndrom (GBS)
Nicht immer lässt sich eine eindeutige Ursache feststellen. Rund 20 Prozent aller Fälle bleiben ungeklärt.
Symptome der axonalen Polyneuropathie
Die Symptome einer axonalen Polyneuropathie können vielfältig sein und hängen davon ab, welche Nervenfasern betroffen sind. Die Symptome beginnen meistens an den Füßen, später an den Händen, und steigen dann langsam auf, Richtung Körpermitte.
Mögliche Symptome sind:
- Sensible Symptome:
- Kribbeln
- Stechen
- Taubheitsgefühle
- Schwellungsgefühle
- Druckgefühle
- Gangunsicherheit
- fehlerhaftes Temperaturempfinden
- Motorische Symptome:
- Muskelzucken
- Muskelkrämpfe
- Muskelschwäche
- Muskelschwund
- Autonome Symptome:
- Herzrhythmusstörungen
- Blähgefühl und Appetitlosigkeit, Aufstoßen
- Durchfall und Verstopfung im Wechsel
- Urininkontinenz, Stuhlinkontinenz
- Impotenz
- gestörtes Schwitzen
- schlechte Kreislaufregulation mit Schwindel beim (raschen) Aufstehen (Orthostase)
- Schwellung von Füßen und Händen (Wassereinlagerungen)
Eine Kombination verschiedener Symptome ist bei Polyneuropathie möglich. Bei den meisten Diabetikern besteht in Folge des Diabetes eine Polyneuropathie. Die Symptome zeigen sich zuerst und vor allem im Fuß. Es beginnt meistens mit einem Kribbeln oder Brennen im Fuß. Im späteren Verlauf treten wegen fehlendem Gefühl im Fuß schmerzlose und schlecht heilende Wunden auf, die zu einer Nekrose (schwarzer Verfärbung und Absterben von Zehen, Fuß usw.) führen können (Diabetischer Fuß).
Diagnose der axonalen Polyneuropathie
Die Diagnose Polyneuropathie wird aus der Kombination der Befunde aus dem Anamnesegespräch, einer ausführlichen körperlichen und neurologischen Untersuchung sowie einer neurophysiologischen Diagnostik gestellt.
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- Anamnesegespräch: Der Arzt erkundigt sich nach den Beschwerden, bereits bestehenden Erkrankungen, der aktuellen Medikation sowie dem Alkohol- und Drogenkonsum.
- Körperliche und neurologische Untersuchung: Diese beinhaltet unter anderem:
- Sensibilitätsprüfung
- Prüfung der motorischen Funktion
- Gleichgewichtsprüfung
- Koordinationsprüfung
- Prüfung der Reflexe
- Laboruntersuchung: Hierbei werden, neben einem Blutbild, Entzündungsparameter und Blutzuckerwerte, bei Bedarf auch Vitamin-Spiegel (wie Vitamin B12 und Folsäure) sowie Giftstoffe bestimmt. Die Laboruntersuchung kann Hinweise auf die Ursache einer möglichen PNP geben.
- Neurophysiologische Untersuchung: Dazu gehört die Elektroneurograhie (ENG) und die Elektromyographie (EMG). Mit Ersterer kann die Nervenleitgeschwindigkeit der peripheren Nerven gemessen werden. Die Elektromyographie gibt hingegen die elektrische Aktivität von Muskeln an. Je nachdem, ob es sich um eine axonale oder demyelinisierende PNP handelt, kommt es zu unterschiedlichen Untersuchungsergebnissen.
- Weitere Untersuchungen: Bei Bedarf können zudem noch weitere Untersuchungen durchgeführt werden, wie z.B. eine Nervenbiopsie oder eine Hautbiopsie.
Behandlung der axonalen Polyneuropathie
Am besten lässt sich eine Polyneuropathie therapieren, wenn die Ursache herausgefunden wurde und behandelt werden kann. Aber auch dann braucht es viele Wochen bis Monate, bis sich die Nerven erholen.
Die Therapie der Polyneuropathie richtet sich nach ihrer Ursache. Sind die Nervenschäden wegen einer anderen Grunderkrankung entstanden, gilt es zuerst, diese zu behandeln.
- Diabetes: Durch die Senkung des Blutzuckers kann ein Voranschreiten der Erkrankung verhindert werden. Durch richtige Fußhygiene können Entzündungen oder unbemerkte Verletzungen vermieden werden.
- Alkoholmissbrauch: Für eine erfolgreiche Therapie von alkoholbedingter Polyneuropathie ist eine absolute Alkoholabstinenz notwendig. Ggf. werden Vitamindefizite durch hoch dosierte Nahrungsergänzungsmittel ausgeglichen.
- Symptomatische Behandlung: Auch wenn die Ursache der Erkrankung nicht eindeutig sein sollte, kann man Polyneuropathie symptomatisch behandeln. Dazu werden vor allem physikalische Therapie und Medikamente genutzt.
- Physikalische Therapie: In der physikalischen Therapie können vor allem sensible und motorische Symptome gelindert werden. Dazu werden Bäder, Elektrotherapie und Wärmeanwendungen genutzt. In der Krankengymnastik, der Sporttherapie und der medizinischen Trainingstherapie (spezielles Krafttraining) lernen Betroffene spezielle Übungen und stärken ihre geschwächte Muskulatur.
- Medikamentöse Therapie: Herkömmliche Schmerzmittel zeigen bei Nervenschmerzen kaum Wirkung. Besser wirken Medikamente, die ursprünglich gegen Epilepsie und gegen Depression entwickelt wurden. Außerdem werden mögliche Begleiterscheinungen der Polyneuropathie bzw. ihrer Therapie behandelt: Bei Magen- und Darmproblemen helfen häufigere, aber kleinere Mahlzeiten. Übelkeit und Durchfall werden mit Medikamenten behandelt. Schwindel und körperliche Schwäche werden mit Stützstrümpfen und regelmäßigem Muskeltraining behandelt. Bestimmte Medikamente können Impotenz auslösen. Wirkstoffe wie Sildenafil können die Beschwerden lindern.
Rehabilitation bei Polyneuropathie
Im Fachbereich für neurologische Rehabilitation wird Polyneuropathie nach einem ganzheitlichen und interdisziplinären Therapiekonzept behandelt. Zusammen mit dem Patienten wird ein geeigneter Therapieplan entwickelt. Therapieziele sind:
- optimalerweise die Wiederherstellung der gestörten Nervenfunktionen
- ersatzweise die Entwicklung von alternativen Strategien für die gestörten Nervenfunktion anhand verbliebender körperlicher Funktionen
- Anpassung von Hilfsmitteln: Wenn Hilfsmittel (z.B. Gehhilfen, Rollstühle) erforderlich sind, werden diese an die Bedürfnisse und Lebensbedingungen angepasst.
- optimale Pflege und möglichst Regenerierung der Haut und der chronischen Wunden
Prognose der axonalen Polyneuropathie
Die Frage, ob eine Heilung der Polyneuropathie möglich ist, lässt sich leider nicht eindeutig beantworten. Sie hängt unter anderem vom Zeitpunkt der Diagnose, der zugrundeliegenden Erkrankung und dem Ausmaß der bereits bestehenden Nervenschädigung ab. Wenn bisherige Behandlungen nicht zur gewünschten Beschwerdefreiheit geführt haben, ist ein Reha-Aufenthalt eine sinnvolle therapeutische Ergänzung. Physiotherapeutische und physikalische Maßnahmen sind als langfristige Behandlungen am effektivsten.
Polyneuropathien beeinflussen für gewöhnlich die Lebenserwartung nicht direkt, jedoch kann die Lebensqualität durch Symptome wie Schmerzen, verminderte Mobilität und die damit verbundene erhöhte Sturzgefahr eingeschränkt sein. Die effektivsten Maßnahmen gegen Polyneuropathie sind regelmäßige Bewegung oder Physiotherapie, eine ausgewogene Ernährung und gegebenenfalls die Substitution von Vitaminen.
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Vorbeugung
Durch gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung lässt sich das Risiko für die Entstehung eines Diabetes mellitus Typ 2 häufig eindämmen. Außerdem helfen Alkoholabstinenz und der regelmäßige ärztliche Check-up dabei, die eigene Gesundheit im Blick zu behalten. Für alle Polyneuropathien gilt: regelmäßige Kontrolle der Füße auf Druckstellen, Tragen von bequemem Schuhwerk, Meidung von Druck, Nutzung professioneller Fußpflege, Verbesserung des Lebensstils mit regelmäßiger körperlicher Betätigung (150 min Ausdauersport/Woche z. B. Gehen, Radfahren, Schwimmen).