Ursachen für die Verwechslung von b und d bei Kindern

Sechs bis zehn Prozent aller Schüler sind von einer Lese-/Rechtschreibschwäche betroffen, wobei nicht jedes Kind mit diesen Schwierigkeiten automatisch als Legastheniker gilt. Oftmals liegt die Ursache in einer veränderten Wahrnehmung von Zeichen und Formen. Die Verwechslung von Buchstaben wie b und d ist ein häufiges Phänomen bei Kindern im Lernprozess des Lesens und Schreibens. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen für dieses Problem und gibt Hinweise, wie man damit umgehen kann.

Wahrnehmungsveränderung als Ursache

Nicht selten handelt es sich bei der Schwierigkeit, Buchstaben wie "b" und "d" zu unterscheiden, um eine veränderte Wahrnehmung von Zeichen und Formen. Dies bedeutet, dass die Kinder räumliche Beziehungen nicht sicher erfassen können, was dazu führt, dass Unterschiede zwischen bestimmten Buchstaben nicht registriert werden. So werden beispielsweise "M" und "W" oder "a" und "e" verwechselt.

Reifung der Raumorientierung

In der Unterstufe ist die Verwechslung von Buchstaben wie "b" und "d" nicht unbedingt ein sicheres Indiz für Legasthenie. Vielmehr deutet es auf eine mangelnde Reifung der Raumorientierung hin. Die Entwicklungspsychologin Jean Ayres betont, dass eine sichere Wahrnehmung der Raumlage von Formen erst mit etwa neun Jahren erreicht wird.

Das sogenannte Tassenphänomen, das von den Psychologen Betz und Breuninger beschrieben wird, veranschaulicht dies: Es ist unerheblich, ob der Henkel einer Tasse nach links oder rechts zeigt; die Tasse bleibt eine Tasse. Bei Buchstaben ist die Ausrichtung jedoch entscheidend. Kinder müssen in ihrer Wahrnehmung einen "Schalter" umlegen, was manchen bereits mit fünf, anderen erst mit neun Jahren gelingt. Bis zum zehnten Lebensjahr kann es daher schwierig sein, Unterschiede zwischen bestimmten Buchstabenformen zu erkennen, da die Wahrnehmung individuell reift.

Legasthenie als mögliche Ursache

Legasthenie ist eine erbliche oder durch verschiedene Faktoren in den ersten Schuljahren erworbene Lernstörung. Sie äußert sich in Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben trotz ausreichender Beschulung und Unterstützung im häuslichen Umfeld. Die erbliche Form kann sich bereits im Kindergartenalter durch ein unausgereiftes Phonem-Bewusstsein und mangelndes Interesse an Buchstaben äußern. Die erworbene Form entwickelt sich hingegen langsam, wenn ungünstige Faktoren zusammenkommen, beispielsweise wenn Eltern und Lehrer nicht erkennen, dass bestimmte Entwicklungen Zeit brauchen.

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Auswirkungen von Übungsdruck

Viele Eltern machen die Erfahrung, dass häufiges Üben ihrem Kind nicht wirklich hilft. Im Gegenteil: Es kann sogar eine Abneigung gegen Buchstaben und deren Zusammenhänge entwickeln. Die Enttäuschung, nicht lesen zu können, verstärkt sich, wenn Kinder feststellen, dass ihre Klassenkameraden diese Fähigkeit bereits beherrschen.

Alternativer Umgang mit Sprache

Um dem entgegenzuwirken, benötigen Kinder eine andere Art des Umgangs mit Sprache, Klang, Rhythmus und Formen. Anstatt ausschließlich an Texten zu üben, sollten sie spielerische Zugänge zur Sprache erhalten.

Unterstützung durch die Waldorfpädagogik

Die Waldorfpädagogik setzt beim Lesen- und Schreibenlernen darauf, soziale, handwerkliche und sprachliche Fähigkeiten gleichzeitig zu entwickeln. Durch die Förderung mehrerer Sinnesbereiche werden bildende Kräfte im Kind angesprochen, die eine solide Grundlage für weitere Fortschritte schaffen. Vielseitige Malübungen und das Formenzeichnen stärken zudem das räumliche Vorstellungsvermögen.

Beurteilung von Lernverhalten

Es stellt sich die Frage, anhand welcher Kriterien Lehrer der Unterstufe beurteilen sollen, ob es sich bei abweichendem Lernverhalten um eine entwicklungsbedingte Verzögerung der Wahrnehmung oder um eine "echte Legasthenie/Dyskalkulie" handelt. Eine ererbte Legasthenie ist in jedem Fall behandlungsbedürftig. Doch welche Indizien weisen in die eine oder die andere Richtung?

Grundfertigkeiten des Lernens

Um die vorhandenen Potenziale zu erkennen, lohnt es sich, die Grundfertigkeiten des Lernens zu betrachten:

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  • Begriffsbildung: Das sprachliche Ausdrucksvermögen des Kindes gibt Aufschluss über seine Entwicklung. Kann es den Sprachrhythmus in Silben erfassen und Reimwörter bilden, verbessert sich die sichere Anwendung der Sprache. Erkennt das Kind Grundsätzliches und Regelhaftes in Naturphänomenen, Mathematik und Wortbausteinen, lernt es, eigenständige Begriffe zu bilden und zuzuordnen.

  • Nachahmung: Die Nachahmungsfähigkeit zeigt, ob das Kind auf nonverbaler Ebene verstehen und lernen kann. Sehen und hören, was angeboten wird, und dieses wiedergeben zu können, eröffnet die Möglichkeit, "am Modell" zu lernen.

  • Bewegungskoordination und Raumorientierung: Fortschritte in der Raumorientierung zeigen sich am deutlichsten in der Bewegung. Einen Ball zu werfen und dabei das richtige Kraftmaß anzuwenden, vermittelt ein Erfolgserlebnis. Kinder spüren, dass sie Distanzen richtig einschätzen und innerhalb ihres eigenen Raumes agieren können. Die Eroberung des persönlichen Raums unterstützt die Fähigkeit, sich in andere Räume wie Zahlenräume und Formen hineinzuversetzen.

Sind diese Grundfertigkeiten ausreichend angelegt, kann man darauf vertrauen, dass sich das Kind seinen Weg in seinem individuellen Tempo bahnen wird. Dennoch sollte die Entwicklung der Kinder aufmerksam beobachtet werden.

Das Ranschburg-Phänomen

Der ungarische Psychologe Paul Ranschburg entdeckte zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Phänomen, dass ähnliche Lerninhalte, die zeitnah gelernt werden, sich überlagern und nicht korrekt abgerufen werden können. Dies betrifft nicht nur ähnliche Buchstaben, sondern alle Lernthemen, die zu Verwechslungen führen können.

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Strategien zur Unterscheidung von b und d

  • Nicht beide Buchstaben gleichzeitig lernen: Übungen, die versuchen, beide Buchstaben auf einmal zu begreifen, können das Problem verschärfen. Es ist einfacher, zunächst nur einen der beiden Buchstaben zu lernen.
  • Eselsbrücken vermeiden: Eselsbrücken wie "das b hat einen Bauch und das d trägt einen Rucksack" können verwirrend sein.
  • Geschichten erfinden: Wähle einen der beiden Buchstaben aus und erfinde eine Geschichte dazu. Das Kind kann den Buchstaben in verschiedenen Farben und Größen auf Zettel malen und diese in der Wohnung verteilen.
  • Visuelle und auditive Verknüpfung: Das Kind sollte den Buchstaben nicht nur ansehen (visueller Kanal), sondern auch immer wieder laut sagen (auditiver Kanal), um eine Verknüpfung im Gehirn zu erzeugen.
  • Üben mit Listen: Verwende Listen mit vielen unterschiedlichen Buchstaben, in denen das Kind alle ausgewählten Buchstaben einkreisen soll.
  • Den Kreisverkehr nutzen: Ein Schüler beschrieb seine Vorgehensweise, indem er sagte, er gehe in einen "Kreisverkehr", wenn er "b" oder "d" schreiben soll. Er malt erst einen Kreis und entscheidet dann, ob es ein "b" oder "d" wird.

Bedeutung der Seitigkeit

Defizite bei den Vorläuferleistungen können sich als Schreib- und Leseunsicherheiten manifestieren. Bei Kindern mit LRS-Risiko ist häufig keine eindeutige Seitigkeit feststellbar. Oft ist eine linkswendige Orientierung von Auge und Hand zu beobachten. Diese Kinder haben Schwierigkeiten bei der Reihung der Buchstaben von links nach rechts. Eine schwache Rhythmusdifferenzierung geht mit einer schwachen Speicherfähigkeit einher.

Förderung bei Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten (LRS)

Eine LRS ist kein unvermeidliches Schicksal. Durch geeignete Methoden kann geholfen werden. Materialien mit der Silbenmethode können den Förderbedarf verringern.

Beobachtungen und Beispiele aus der Praxis

  • Lara: Lara konnte fließend lesen, hatte aber Schwierigkeiten mit freieren Diktattexten. Sie hatte keine Schreibstrategien entwickelt und konnte das Silbensprechen nicht mit synchronem Klatschen begleiten.
  • Markus: Markus konnte nicht lesen und sollte auf Förderschultauglichkeit überprüft werden. Durch gezielte Förderung konnte er jedoch Fortschritte erzielen.
  • Annegret: Annegret kannte nur wenige Buchstaben und war nicht in der Lage, Silben zu lesen oder zu schreiben. Durch die Silbenmethode konnte sie ihre Schreibunlust überwinden.

Die Rolle der Lehrkräfte

Lehrkräfte spielen eine wichtige Rolle bei der frühzeitigen Erkennung von LRS. Sie können wertvolle Beobachtungen beisteuern, da sie das Kind in einem schulischen Umfeld erleben und die Leistung des Kindes im Vergleich zum Altersdurchschnitt besser einordnen können.

Diagnose und Förderung

Bei Verdacht auf LRS ist es wichtig, rechtzeitig den Rat von Fachkräften einzuholen. Eine gezielte Diagnose kann Klarheit bringen und den Weg für eine gezielte Förderung ebnen. Besonders geeignet ist eine Lerntherapie im 1:1 Setting, in welcher das Kind auf Basis eines individuell angepassten Therapieplans gefördert wird.

Sehfehler als Ursache

Versteckte, nicht korrigierte Sehfehler können die Ursache sein oder vorhandene andere Probleme verstärken. Scharfes Sehen ist eine wichtige Voraussetzung für scharfes Denken.

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