Guillain-Barré-Syndrom: Lähmung, Ursachen, Diagnose und Therapie

Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist eine seltene Autoimmunerkrankung des Nervensystems, die sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch bei Erwachsenen auftreten kann. Sie manifestiert sich durch Kribbeln, leichte Schwäche in den Beinen oder sogar Lähmungserscheinungen.

Was ist das Guillain-Barré-Syndrom?

Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS), auch bekannt als akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (AIDP) oder akute idiopathische Polyneuritis, ist eine entzündliche Erkrankung der Nerven, die zu den Autoimmunerkrankungen gehört. Das bedeutet, dass sich die sogenannten Autoantikörper gegen den eigenen Körper richten und so zu Erkrankungen führen. Die Nerven, bestehend aus einem Zellkörper und einer Nervenfaser, sind von einer isolierenden Schicht, der Myelinschicht, umgeben. Diese ermöglicht eine schnelle Übertragung von Signalen durch die Nervenbahnen. Beim Guillain-Barré-Syndrom greifen die Antikörper irrtümlich die Myelinschicht an, wodurch diese geschädigt wird und die Übertragung von Informationen beeinträchtigt wird.

Das GBS ist eine relativ seltene Erkrankung, die jährlich etwa 1 bis 2 von 100.000 Personen betrifft.

Ursachen des Guillain-Barré-Syndroms

Die genaue Ursache des Guillain-Barré-Syndroms ist derzeit nicht vollständig geklärt. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass eine Immunreaktion gegen die eigenen Nerven vorliegt. In etwa 75 % der Fälle tritt das GBS nach einem Infekt der oberen Atemwege oder des Magen-Darm-Trakts auf.

Zu den häufigsten GBS-verursachenden Bakterien zählt Campylobacter jejuni (30 %), während CMV (Herpesviren) zu den häufigsten GBS-auslösenden Viren zählt (10 %). Auch weitere Erreger können die Krankheit auslösen, u. a.:

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  • Mycoplasma pneumoniae - ein Bakterium, das Lungenentzündungen auslösen kann
  • Epstein-Barr-Virus - der Erreger von Mononukleose, dem Pfeiffer-Drüsenfieber
  • Coronavirus
  • Zika-Virus

Seltener können auch Impfungen (z. B. gegen Tetanus, Polio, Influenza oder Tollwut), Immuncheckpoint-Inhibitoren (z. B. Nivolumab), chirurgische Eingriffe (insbesondere orthopädische, gastrointestinale und kardiologische) oder eine Schwangerschaft das Guillain-Barré-Syndrom hervorrufen.

Symptome des Guillain-Barré-Syndroms

Das Guillain-Barré-Syndrom ist gekennzeichnet durch einen plötzlichen Beginn von Beschwerden. Diese reichen von Problemen beim Gehen über leichte Schmerzen bis hin zur Schwäche der Muskulatur, Kribbeln, Empfindungsverlust oder Lähmungen. Diese Symptome treten meist in den Beinen auf und breiten sich anschließend nach oben auf die Arme aus. Tritt das GBS auf, sind die Reflexe abgeschwächt oder fehlen gänzlich.

Frühsymptome können Kribbeln und Brennen in Händen und Füßen sein oder auch Schmerzen. Dann tritt eine zunehmende Schwäche auf, meist zunächst in den Beinen, oft begleitet von Gangunsicherheit oder -unfähigkeit. Die Lähmungen breiten sich innerhalb weniger Tage symmetrisch aus, aufsteigend von den Beinen zu den Armen und evtl. der Atemmuskulatur. Meistens dauert es 2 Wochen (max. 4 Wochen), bis die Erkrankung ihren Höhepunkt erreicht hat.

In schweren Fällen kann die Lähmung die Atemmuskulatur betreffen und zu Atemnot führen. Auch Herzrhythmusstörungen, Blutdruckschwankungen, Blasenentleerungsstörungen oder ein Darmverschluss können durch die Beteiligung des vegetativen Nervensystems hinzukommen.

Falls Hirnnerven (Nerven, die u. a. die Gesichtsmuskeln steuern) betroffen sind, kann es auch zu Lähmungen der Augenmuskeln mit Auftreten von Doppelbildern, zu Schluckstörungen oder einer Gesichtslähmung (Fazialisparese) kommen.

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Sobald die ersten Symptome auftreten, erreichen diese bei 90 Prozent der Betroffenen innerhalb von drei bis vier Wochen ihren Höhepunkt. Die Ausprägung der Symptome ist abhängig von den jeweils betroffenen Nerven.

Diagnose des Guillain-Barré-Syndroms

Besteht aufgrund der Symptomatik der Verdacht auf das Guillain-Barré-Syndrom, wird zur Diagnostik zunächst eine Anamnese erhoben und eine körperliche Untersuchung durchgeführt. Bemerkt die Ärztin oder der Arzt abgeschwächte oder fehlende Reflexe, erhärtet sich der Verdacht auf das GBS.

Weitere diagnostische Maßnahmen sind:

  • Liquoruntersuchung: Die Flüssigkeit des Gehirns und Rückenmarks im Wirbelkanal (Liquor) wird im Rahmen einer Lumbalpunktion entnommen und im Labor untersucht. Typisch für das GBS ist eine erhöhte Konzentration an Eiweißen bei normaler Zellzahl (zytoalbuminäre Dissoziation).
  • Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (Elektroneurographie): Hierbei wird die Leitfähigkeit der Nerven mit kurzen elektrischen Stromstößen überprüft. Beim Guillain-Barré-Syndrom ist die Nervenleitungsgeschwindigkeit typischerweise vermindert.
  • Blutuntersuchung: Im Blut können unter Umständen Autoantikörper nachgewiesen werden. Zudem lassen sich andere Erkrankungen ausschließen, die ähnliche Symptome aufweisen.
  • Magnetresonanztomografie (MRT): Mit Hilfe dieser Technik werden sehr genaue Bilder des Rückenmarks und der austretenden Nerven gemacht.

Therapie des Guillain-Barré-Syndroms

Da sich die Anzeichen und Beschwerden des Guillain-Barré-Syndroms schnell verschlimmern können und es in manchen Fällen lebensbedrohlich werden kann, sollten Betroffene umgehend eine Fachärztin bzw. einen Facharzt aufsuchen. Bei Verdacht auf ein Guillain-Barré-Syndrom ist eine notfallmäßige Krankenhauseinweisung in eine Klinik mit Intensivstation erforderlich.

Ziel der Therapie ist, Symptome zu lindern, Komplikationen zu verhindern und die Rückbildung der Lähmungen zu beschleunigen. Bei schwerem Krankheitsverlauf kann eine Beatmung auf Intensivstation oder die Versorgung mit einem Herzschrittmacher nötig sein.

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Es gibt verschiedene Therapiemethoden, die bei einem GBS helfen können:

  • Intravenöse Immunglobuline (IVIG): Hierbei werden dem Patienten Antikörper über eine Infusion verabreicht, die mit den autoaggressiven Antikörpern in Wechselwirkung treten und dadurch die Immunreaktion normalisieren.
  • Plasmapherese (Blutwäsche): Dabei wird das Blut des Patienten wie bei einer Dialyse durch eine Maschine geleitet, in der sich Membranen befinden. Diese Membranen filtern die schädlichen autoaggressiven Antikörper heraus.
  • Physiotherapie: Diese hilft, die Gelenk- und Muskelfunktion sowie Mobilität zu erhalten.

Kortison ist beim akuten Guillain-Barré-Syndrom nicht wirksam.

Um Folgen der Liegezeit zu vermeiden, sollten Dekubitus- und Thromboseprophylaxen eingeleitet werden. Weitere Behandlungen hängen von den zusätzlichen Symptomen ab.

Verlauf und Prognose des Guillain-Barré-Syndroms

Der Verlauf des Guillain-Barré-Syndroms kann unterschiedlich sein, sodass es sowohl beim Verlauf als auch bei der Prognose keine genaue Leitlinie gibt. Allerdings erreichen in der Regel die Beschwerden des Guillain-Barré-Syndroms ihren Höhepunkt innerhalb von vier Wochen und bilden sich anschließend wieder zurück.

Patient*innen mit Guillain-Barré-Syndrom entwickeln das maximale Ausmaß der Symptome meist innerhalb von 4 Wochen. Die Lähmungen bilden sich in umgekehrter Reihenfolge, in der sie aufgetreten sind, über Wochen bis Monate zurück.

  • 60-80 % der Betroffenen können nach 6 Monaten wieder frei gehen.
  • Etwa die Hälfte ist nach einem Jahr vollständig beschwerdefrei.
  • Weitere 40 % haben milde Restsymptome.
  • 10 % leiden weiterhin unter mäßig schweren bis schweren Symptomen.

Etwa drei Prozent der Patientinnen und Patienten versterben an plötzlichen Komplikationen wie Atemlähmungen, Lungenembolien oder kardialen Arrhythmien. 2-5 % der Betroffenen erleiden einen Rückfall.

Ist das Guillain-Barré-Syndrom heilbar?

Ja, das Guillain-Barré-Syndrom ist in den meisten Fällen heilbar. Allerdings können in seltenen Fällen Komplikationen wie Lähmungen, Atem- und Herzkreislaufprobleme, Lungenembolien oder Langzeitschäden auftreten. Das Guillain-Barré-Syndrom beeinflusst die Lebenserwartung nicht.

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