Motorische Neurone, auch Motoneurone genannt, sind spezialisierte Nervenzellen, die eine entscheidende Rolle bei der Steuerung von Muskelbewegungen spielen. Sie übertragen elektrische Signale vom Gehirn oder Rückenmark zu den Muskeln im gesamten Körper. Ohne Motoneurone wäre eine präzise und koordinierte Bewegung des Körpers nicht möglich. Dieser Artikel beleuchtet detailliert den Aufbau, die Funktion und die Bedeutung motorischer Neurone.
Einführung in das motorische Neuron
Ein motorisches Neuron ist eine spezialisierte Nervenzelle des zentralen und peripheren Nervensystems, die für die Weiterleitung von Nervenimpulsen an Muskelfasern verantwortlich ist. Nervenzellen können anhand ihrer Funktion in sensible Neurone und Motoneurone unterteilt werden. Der grundsätzliche Aufbau entspricht dem einer normalen multipolaren Nervenzelle. Die motorische Information wird über ein sogenanntes erstes Motoneuron vom Gehirn zum Rückenmark geleitet, wo sie dann auf das zweite umgeschaltet wird, welches daraufhin das Signal an die Muskelzelle weitergibt, die dann die Bewegung ausführt. Die ersten Neurone laufen in motorischen Bahnen, von denen es die pyramidalen und extrapyramidalen gibt.
Die Bauelemente eines Motoneurons
Der Bau eines Motoneurons zeigt die drei typischen Bauelemente aller Neurone:
- Zellkörper (Soma): Der Zellkörper enthält den Zellkern und Organellen. Er ist die zentrale Stoffwechselzentrale der Zelle. Das Soma beinhaltet auch das Zytoplasma.
- Dendriten: Kurze, meist stark verästelte Fortsätze, die Informationen für das Neuron "einsammeln". Sie empfangen Signale von anderen Nervenzellen und leiten diese zum Zellkörper weiter.
- Axon: Ein langer, unverzweigter Fortsatz, der die Informationen schnell über weite Strecken leitet und diese am Ende an andere Zellen weitervermittelt (Synapsen). Das Axon kann bis zu einem Meter lang sein (beim Menschen).
Detaillierter Blick auf das Axon
Das Axon ist ein langer Fortsatz der Nervenzelle, der aus dem Axonhügel hervorgeht. Seine Hauptaufgabe ist die Weiterleitung von Aktionspotentialen zu Nerven- oder Muskelzellen. Um eine möglichst schnelle und verlustfreie Weiterleitung der elektrischen Signale zu gewährleisten, ist das Axon isoliert. Diese Isolation wird durch Stütz- oder Hüllzellen erreicht.
Myelinscheide und Schwannsche Zellen
Motoneurone sind in der Regel von speziellen Gliazellen umgeben, den sogenannten Schwannschen Zellen (außerhalb von Gehirn und Rückenmark). Diese Zellen wickeln sich während der Embryonalentwicklung mehrmals um die Axone und bilden so die Myelinscheide oder Schwannsche Scheide. Die Myelinscheide besteht aus einer lipidreichen Schicht, die das Axon isoliert und eine schnelle Weiterleitung von Nervenimpulsen ermöglicht.
Lesen Sie auch: Wie Neuronen Signale übertragen
Ranviersche Schnürringe
Die Umhüllung des Axons ist immer wieder durch freiliegende Axonbereiche unterbrochen, die als Ranviersche Schnürringe bezeichnet werden. An diesen Stellen ist die Axonmembran nicht von Myelin bedeckt. Die Ranvierschen Schnürringe spielen eine entscheidende Rolle bei der saltatorischen Erregungsleitung, bei der das Aktionspotential von einem Schnürring zum nächsten "springt", wodurch die Geschwindigkeit der Erregungsleitung erheblich erhöht wird.
Synaptische Endknöpfchen
Am Ende des Axons befinden sich die synaptischen Endknöpfchen. Hier wird das elektrische Signal auf die nächste Nervenzelle oder zum Beispiel auf eine Sinnes- oder Muskelzelle übertragen. Dazu wird das elektrische Signal meist in ein chemisches Signal umgewandelt. Die Verbindung am Ende einer Nervenzelle mit einer anderen Zelle wird als Synapse bezeichnet. In den meisten Fällen handelt es sich um chemische Synapsen. Das Endknöpfchen setzt chemische Moleküle (Neurotransmitter) in den synaptischen Spalt - die Lücke zwischen den zwei Zellen - frei. Dort binden sie an Rezeptoren und geben die Erregung weiter.
Die Motorische Endplatte: Schaltstelle zwischen Nerv und Muskel
Die motorische Endplatte ist eine spezielle chemische Synapse zwischen einer motorischen Nervenzelle und einer Muskelzelle. Sie ist die Kontaktstelle, an der ein motorisches Neuron ein Signal an eine Muskelfaser überträgt, um eine Muskelkontraktion auszulösen.
Aufbau der motorischen Endplatte
Die motorische Endplatte besteht aus drei Hauptkomponenten:
- Präsynapse: Der Anteil der Synapse, welcher durch das an der motorischen Endplatte beteiligte Neuron gebildet wird. Am präsynaptischen Axon läuft ein elektrisches Signal bis zum Endknöpfchen.
- Synaptischer Spalt: Der Raum zwischen der präsynaptischen und der postsynaptischen Membran.
- Postsynapse: Der zur Muskelzelle gehörige Anteil der motorischen Endplatte, genauer gesagt ein Anteil an deren Membran (Sarkolemm).
Funktion der motorischen Endplatte
Die Hauptfunktion der motorischen Endplatte ist die Übertragung eines Aktionspotenzials von einem alpha-Motoneuron auf eine Muskelfaser. Dieser Prozess läuft wie folgt ab:
Lesen Sie auch: Was macht ein Neurologe wirklich?
- Ein Aktionspotential erreicht das Endknöpfchen der Nervenzelle.
- Calciumionenkanäle öffnen sich, was zur Freisetzung des Neurotransmitters Acetylcholin (ACh) aus den Vesikeln in den synaptischen Spalt führt.
- ACh diffundiert über den synaptischen Spalt und bindet an spezifische nikotinerge Acetylcholin-Rezeptoren auf der postsynaptischen Membran der Muskelzelle. Diese Rezeptoren sind gleichzeitig auch Ionenkanäle.
- Die Bindung von ACh öffnet die Ionenkanäle, was zum Einstrom von Natriumionen (positive Ionen) in die Muskelzelle führt.
- Der Natriumeinstrom depolarisiert die postsynaptische Membran und erzeugt ein sogenanntes Endplattenpotential (EPP).
- Wenn das EPP einen Schwellenwert erreicht, löst es ein Aktionspotential in der Muskelzelle aus, das sich über die gesamte Muskelfaser ausbreitet.
- Das Aktionspotential in der Muskelzelle führt zur Freisetzung von Calciumionen aus dem sarkoplasmatischen Retikulum, was die Muskelkontraktion auslöst.
- Nach der Signalübertragung wird ACh durch das Enzym Acetylcholinesterase im synaptischen Spalt abgebaut. Die Spaltprodukte (Acetat und Cholin) werden von der Präsynapse wieder aufgenommen und recycelt, um neues ACh zu synthetisieren und in Vesikeln zu speichern.
Unterschiede zur interneuronalen Synapse
In der folgenden Tabelle wird eine Synapse, die zwischen zwei Nervenzellen besteht (interneuronale Synapse), mit der motorischen Endplatte verglichen, um die Unterschiede deutlicher zu erkennen:
| Merkmal | Motorische Endplatte | Interneuronale Synapse |
|---|---|---|
| Erregungsübertragung | Elektrisch, dann chemisch | Elektrisch, dann chemisch (selten nur elektrisch) |
| Neurotransmitter | Acetylcholin (erregend) | Viele unterschiedliche (hemmend und erregend) |
| Aktionspotential | Stark positiv | Positiv |
| Beteiligte Zellen | Alpha-Motoneuron und Muskelzelle | Zwei Neurone |
Beeinflussung der motorischen Endplatte
Die Funktion der motorischen Endplatte kann durch verschiedene Substanzen und Faktoren beeinflusst werden:
- Nikotin: Kann an die synaptischen Kanäle an der motorischen Endplatte andocken und die Rezeptoren der Membran hemmen, wodurch die Erregungsübertragung verlangsamt wird.
- Botulinumtoxin (Botox): Unterbindet die Ausschüttung von ACh, was zu einer Hemmung der Erregungsweiterleitung und damit zur Muskelrelaxation führt.
Krankheiten der motorischen Endplatte
Störungen an der motorischen Endplatte können zu schwerwiegenden Muskelfehlfunktionen führen. Ein bekanntes Beispiel ist die Myasthenia gravis, eine Autoimmunerkrankung, bei der Autoantikörper die ACh-Rezeptoren an der postsynaptischen Membran besetzen und blockieren. Dies führt zu einer Belastungsschwäche der Muskeln, insbesondere der Mimikmuskulatur.
Weitere wichtige Aspekte
Reflexe und Motoneurone
Reflexe sind automatische, unwillkürliche Reaktionen des Körpers auf bestimmte Reize, die schon direkt im Rückenmark verschaltet werden. Muskelspindeln in den Muskeln messen kontinuierlich seine Länge. Über afferente Fasern wird bei Dehnung der Spindel ein sensibles Signal ins Rückenmark geleitet. Dort findet eine Verschaltung zu einem alpha-Motoneuron statt, das denselben Muskel innerviert. Über dieses Neuron wird dann eine Muskelkontraktion eingeleitet.
Hemmung von Motoneuronen
Alpha-Motoneurone können von Interneuronen, den Renshaw-Zellen, gehemmt werden. Diese werden wiederum von denselben alpha-Motoneuronen aktiviert. Das heißt im Umkehrschluss, dass Motoneurone ihre eigene Hemmung veranlassen können. Eine solche Hemmung wird rekurrente Hemmung genannt und wird im Falle der Renshaw-Zellen über den Neurotransmitter Glycin oder auch GABA (gamma-Aminobuttersäure) vermittelt.
Lesen Sie auch: ICD-10 I69: Schlaganfallfolgen detailliert
Schädigungen der Motoneurone
Schädigungen in den ersten Motoneuronen führen in der Regel zu spastischen Lähmungen, Hyperreflexien und positiven Pyramidenbahnzeichen. Ein Beispiel für eine Erkrankung, die durch den Untergang von Motoneuronen gekennzeichnet ist, ist die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS).
Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine neurodegenerative Erkrankung, die durch den fortschreitenden Verlust von Motoneuronen im zentralen Nervensystem gekennzeichnet ist. Dieser Verlust führt zu Muskelschwäche, Muskelatrophie, Muskelkrämpfen und Zuckungen sowie Schwierigkeiten beim Sprechen, Schlucken und Atmen. Die genauen Ursachen der ALS sind noch nicht ausreichend geklärt, aber es werden viele Mechanismen diskutiert, die auf zellulärer Ebene stattfinden.
Weitere Zelltypen im Nervengewebe
Neben Neuronen besteht das Nervengewebe auch aus Stützzellen, den sogenannten Gliazellen. Diese Zellen leiten keine elektrischen Signale, sondern unterstützen die Neuronen in verschiedenen Funktionen. Im ZNS gibt es vier Arten von Gliazellen:
- Oligodendrozyten: Produzieren und erhalten die Myelinscheide.
- Astrozyten: Versorgen Neuronen mit Nährstoffen und induzieren die Bildung der Blut-Hirn-Schranke.
- Mikroglia: Immunzellen des ZNS, die bei Entzündungen aktiviert werden können.
- Ependymzellen: Kleiden die Ventrikel des Gehirns und den Zentralkanal des Rückenmarks aus.
Im PNS werden die unterstützenden Zellen als periphere Neuroglia bezeichnet und umfassen Schwann-Zellen und Mantelzellen.
Klinische Relevanz
Das Verständnis der Struktur und Funktion motorischer Neurone ist entscheidend für die Diagnose und Behandlung von neurologischen Erkrankungen, die die Muskelkontrolle beeinträchtigen. Erkrankungen wie ALS, Myasthenia gravis und das Guillain-Barré-Syndrom können die Funktion motorischer Neurone und der motorischen Endplatte beeinträchtigen und zu Muskelschwäche, Lähmung und anderen neurologischen Symptomen führen.
tags: #bau #eines #motorischen #neurons