Parkinson ist mehr als eine rein motorische Erkrankung. Häufig tritt die Krankheit in Verbindung mit weiteren Symptomen auf, wie beispielsweise Demenz. Forscher aus Tübingen haben ein Verfahren entwickelt, um Risikopatienten zu identifizieren und Therapieoptionen zu erarbeiten. Die Parkinson-Krankheit ist eine fortschreitende, unheilbare Nervenkrankheit und nach der Alzheimer-Krankheit die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung.
Einleitung
Viele Menschen mit Parkinson entwickeln im Laufe der Erkrankung kognitive Beeinträchtigungen. Von einer Parkinson-Demenz spricht man, wenn ein Mensch mit Parkinson mindestens zwei kognitive Einschränkungen aufweist, die sein unabhängiges Leben erschweren. Wie stark diese Einschränkungen sind, ist von Person zu Person unterschiedlich.
Parkinson und Demenz: Eine häufige Kombination
An Morbus Parkinson Erkrankte leiden häufig auch unter Demenz-Symptomen. Dank der großen Erfolge der Parkinson-Forschung können bei vielen Patientinnen und Patienten Symptome wie Muskelsteifigkeit und Ruhezittern bereits medikamentös gemindert werden. Doch mit Fortschreiten der Erkrankung kommen weitere Symptome hinzu, die die Betroffenen in ihrem Alltag stark einschränken - eine Demenz ist eines davon. Bei nahezu 30 Prozent aller Parkinson-Patienten tritt eine Parkinson-Demenz auf. Neben den Bewegungsstörungen, aufgrund von Parkinson, treten zusätzlich Beeinträchtigungen der mentalen Fähigkeiten auf.
Die Bedeutung der Früherkennung
„Demenz ist einer der wichtigsten Vorhersagefaktoren für eine reduzierte Lebensqualität und letztendlich auch Sterblichkeit der betroffenen Patientinnen und Patienten“, sagt Parkinson-Forscherin und Privatdozentin Dr. Kathrin Brockmann von der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). „Tritt sie ein, versterben die Patientinnen und Patienten häufig im Verlauf der kommenden fünf Jahre. Die Parkinson-Erkrankung beginnt im Gehirn jedoch oft schon viele Jahre, bevor die ersten Symptome wie beispielsweise motorische Einschränkungen auftreten.
Was ist Parkinson-Demenz?
Unter einer Parkinson-Demenz versteht man eine Demenz, die sich im Verlauf einer Parkinson-Krankheit entwickelt. Als Parkinson-Demenz bezeichnen Mediziner eine Demenz-Erkrankung bei Menschen mit Parkinson-Syndrom, die bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Dazu gehört, dass die Demenz schleichend beginnt und langsam fortschreitet. Außerdem müssen mindestens zwei sogenannte kognitive Funktionen beeinträchtigt sein, also zum Beispiel die Aufmerksamkeit, die Sprache oder das Gedächtnis. Die Beeinträchtigungen müssen so schwer ausgeprägt sein, dass sie das tägliche Leben einschränken, und zwar unabhängig von den motorischen Beschwerden, die das Parkinson-Syndrom mit sich bringt.
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Unterschiede zur Alzheimer-Demenz
Die Parkinson-Demenz kann sich in Verbindung mit der Parkinson-Krankheit entwickeln. Demnach weisen nicht alle Parkinson-Patienten eine Parkinson-Demenz auf. Während die Alzheimer-Demenz insbesondere mit Gedächtnisstörungen und -verlust in Verbindung steht, tritt dies bei Parkinson-Patienten erst im späten Verlauf der Parkinson-Demenz auf. Die Parkinson-Demenz geht mit Aufmerksamkeitsstörungen und verlangsamter kognitiver Verarbeitung einher. Parkinson-Patienten können Neues erlernen bzw. Informationen abspeichern, wobei sich das Abrufen dieser Informationen verzögert. Alzheimer-Patienten können neue Dinge sehr eingeschränkt bis gar nicht erlernen. Auch ist Alzheimer die häufigste Demenzform.
Ursachen und Risikofaktoren
Die Ursache der Parkinson-Demenz ist nicht eindeutig. Wie auch bei anderen Demenzformen, spielen Eiweißablagerungen und Botenstoffe eine Rolle. Der Mangel am Botenstoff Dopamin und folglich auch Acetylcholin sowie die Lewy-Körperchen begünstigen die Entwicklung einer Parkinson-Demenz.
Dopamin- und Acetylcholinmangel
Wissenschaftler vermuten, dass bei Parkinson-Patienten ein Mangel an Dopamin und damit ein Ungleichgewicht zwischen den Botenstoffen Dopamin und Acetylcholin herrscht. Dopamin ist für die Steuerung körperlicher Funktionen verantwortlich, weshalb sich der Mangel an Dopamin negativ auf diese auswirkt. Aufgrund des Mangels an Dopamin kommt es zu einer „Ausgleichfunktion“ des Körpers und die Menge an Acetylcholin steigt stark an. Im Verlauf der Parkinson-Erkrankung sterben jedoch Zellen ab, welche diese Botenstoffe erzeugen. Folglich herrscht nicht nur ein Mangel an Dopamin, sondern ebenfalls an Acetylcholin. Letzteres ist wichtig für die geistigen Fähigkeiten und bekannt als mögliche Ursache einer Demenz.
Lewy-Körperchen
Auch bei verstorbenen Parkinson-Patienten werden Lewy-Körperchen im Gehirn festgestellt. Anders als bei der Lewy-Körperchen-Demenz sind diese nicht vermehrt in der Großhirnrinde zu finden, sondern in der Substantia nigra, welches ein Kerngebiet im Mittelhirn darstellt.
Weitere Risikofaktoren
Es sind mehrere Risikofaktoren der Parkinson-Demenz bekannt. Ein bedeutender Risikofaktor ist das Lebensalter. Mit 70+ Jahren steigt das Risiko einer Parkinson-Demenz enorm. Daneben beeinflusst die Dauer der Parkinson-Krankheit das Auftreten einer Demenz. Auch weitere Erkrankungen bzw. Symptome wie Halluzinationen oder Depression sind Risikofaktoren.
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Genetische Faktoren
Außerdem wird vermutet, dass ein genetischer Faktor, die so genannte GBA1-Mutation, eine Rolle spielt. Diese könnte sowohl das Risiko für Parkinson als auch für eine Parkinson-Demenz erhöhen. Im Rahmen des Forschungsverbundes „PDdementia“ wurden bei circa zehn Prozent aller Patienten mit Parkinson Erbveränderungen im sogenannten GBA-Gen festgestellt.
Symptome der Parkinson-Demenz
Die Symptome der Parkinson-Demenz können, wie bei Demenz-Symptomen anderer Demenzformen, individuell in Art und Ausprägung variieren. Typischerweise treten bei der Parkinson-Demenz kognitive Einschränkungen auf. Diese unterscheiden sich jedoch von den typischen Alzheimer-Symptomen wie z. B. Gedächtnisprobleme.
Kognitive Einschränkungen
Häufig sind die Aufmerksamkeit, die Problemlösefähigkeit, die Sprache oder die Orientierung betroffen. Auch das Lang- und Kurzzeitgedächtnis kann bei Menschen mit Parkinson-Demenz nachlassen. Menschen mit Parkinson-Demenz verarbeiten Informationen oft langsamer und es kann zu Persönlichkeitsveränderungen kommen.
- Beeinträchtigte Aufmerksamkeit: Menschen mit Parkinson-Demenz haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren und Aufgaben zielgerichtet zu erledigen.
- Probleme beim Planen und Problemlösen: Es fällt schwer, Aufgaben vorausschauend zu planen und umzusetzen.
Verhaltensänderungen und psychische Symptome
Neben den kognitiven Beeinträchtigungen kommt es bei Menschen mit Parkinson-Demenz auch zu Änderungen des Verhaltens. Betroffene wirken oft apathisch, sie verlieren ihre Spontaneität und Motivation. Auch Veränderungen der Persönlichkeit und Stimmungsschwankungen mit Ängsten und depressiven Symptomen treten auf. Einige Menschen mit Parkinson-Demenz leiden an Halluzinationen und Wahnvorstellungen.
Weitere Symptome im Überblick
- Probleme, aufmerksam zu sein bzw. zu bleiben
- Probleme mit der visuell-räumlichen Wahrnehmung und Orientierung
- Verlangsamung der kognitiven Prozesse (z. B. verringerte Reaktionszeit)
- Schwierigkeiten beim Sprechen, Planen, Denken, Einhalten von Reihenfolgen
- Verringerung oder Verlust der Multitasking-Fähigkeit
- Veränderungen der Persönlichkeit
- Veränderungen des Verhaltens (z. B. Gleichgültigkeit, Teilnahmslosigkeit)
- Begleitsymptome wie Depression, Angstzustände, Halluzinationen
Diagnose der Parkinson-Demenz
Bei Verdacht auf eine Demenz wie der Parkinson-Demenz wird der Arzt verschiedene Untersuchungen durchführen. Zuerst erfragt er die Krankengeschichte (Anamnese) im Gespräch mit dem Betroffenen und den Angehörigen. Dabei lässt er sich zum Beispiel die Symptome genau schildern, also etwa Probleme mit der Konzentration. Außerdem fragt der Arzt, seit wann diese Symptome bestehen, ob andere Erkrankungen vorliegen und welche Medikamente der Betroffene einnimmt. Nach dem Anamnese-Gespräch folgt eine körperliche Untersuchung. Außerdem entnimmt der Arzt eine Blutprobe für eine Laboranalyse.
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Kognitive Tests und neuropsychologische Untersuchung
Mit sogenannten kognitiven Kurztests prüft der Arzt, ob der Betroffene tatsächlich an einer Parkinson-Demenz (oder sonstigen Demenz) leidet. Allerdings sind diese Tests bei leichter Demenz wenig aussagekräftig. Dann ist gegebenenfalls eine vertiefende neuropsychologische Untersuchung nötig. Ein Test, der extra für Menschen mit Parkinson entwickelt wurde, heißt PANDA-Test (Parkinson Neuropsychometric Dementia Assessment). Damit werden zum Beispiel die Aufmerksamkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wortfindung getestet.
Bildgebende Verfahren
Bei Demenz-Verdacht wird oft das Gehirn bildlich dargestellt - mittels Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT, Kernspintomografie). Bei dementen Menschen erkennt man auf den Aufnahmen, dass das Hirngewebe geschrumpft ist (Atrophie). In unklaren Fällen von Demenz folgen weitere Untersuchungen.
Nervenwasseruntersuchung
Brockmann und ihr Team untersuchten in ihrer Studie das Nervenwasser von rund 400 Parkinson-Patientinnen und Patienten; 80 davon weisen eine Veränderung im GBA-Gen auf. Passend dazu konnten Brockmann und ihr Team erstmals zeigen, dass auch das Nervenwasser von Parkinson-Betroffenen mit GBA-Mutation trotz Demenz kein Alzheimer-Profil aufwies.
Therapie der Parkinson-Demenz
Die Therapie der Parkinson-Demenz ähnelt der Alzheimer-Therapie. Mithilfe geeigneter (nicht-)medikamentöser Therapieansätze kann die Verschlechterung der Symptomatik hinausgezögert werden, um ein selbstständiges Leben der Betroffenen möglichst lange aufrechtzuerhalten.
Medikamentöse Therapie
Gegen die Symptome der Parkinson-Demenz können Medikamente mit dem Wirkstoff Rivastigmin helfen. Dieser kann dem Mangel am Botenstoff Acetylcholin entgegenwirken, sodass die kognitiven Funktionen länger erhalten bleiben. Der Wirkstoff Donepezil wirkt sich auch positiv auf die kognitiven Leistungen und das allgemeine Befinden der Patientinnen aus. Angewendet wird dieser jedoch ohne offizielle Zulassung, weshalb hier von „off-label-use“ gesprochen wird. Während Neuroleptika bei einigen Demenzformen eingesetzt werden, um psychischen Symptomen entgegenzuwirken, werden diese bei der Parkinson-Demenz meistens nicht eingesetzt. Grund dafür, ist die erhöhte Anfälligkeit von Nebenwirkungen der Parkinson-Patientinnen. Es kann z. B. zur Verringerung der Beweglichkeit und Aufmerksamkeit kommen bzw. zur allgemeinen Verschlechterung der Parkinson-Symptome. Die Antipsychotika Clozapin und Quetiapin können gegebenenfalls eingesetzt werden.
Nicht-medikamentöse Therapie
Wie bei allen Demenzformen ist auch die nicht-medikamentöse Therapie enorm wichtig, um den Symptomen bestmöglich entgegenzuwirken. Krankengymnastik bzw. Physiotherapie, alltägliche Bewegung, eine überdurchschnittliche Flüssigkeitszufuhr sowie eine gesunde Ernährung sollten beherzigt werden. Gedächtnistraining wird empfohlen und kann insbesondere im frühen Stadium der Parkinson-Demenz eingesetzt werden. Auch können künstlerische Therapieansätze und damit das Malen, Tanzen und/ oder Musizieren Bestandteil des Therapieplanes sein. Insgesamt ist es von großer Bedeutung auf die Ernährung, Bewegung, kognitives Training sowie soziale Kontakte zu achten.
Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität
- Anpassung der Wohnsituation: Um den Alltag der Betroffenen nicht zusätzlich zu erschweren, sollte auf eine angemessene Wohnsituation geachtet werden. Teppiche, Spielzeuge und ähnliches sind Stolperfallen, die verhindert werden sollten. Zudem sollten Möbel und ähnliches nicht verschoben werden, sodass die Orientierung im eigenen Zuhause nicht noch schwerer fällt.
- Ambulante Pflegedienste: Betroffene der Parkinson-Demenz sind im schleichenden Verlauf auf Hilfe angewiesen. Für Angehörige kann die Symptomatik und das Betreuen der erkrankten Person sehr kräftezehrend sein. Unterstützend können ambulante Pflegedienste Ihnen und der betroffenen Person zur Seite stehen. Ob Haushalts-, Betreuungs- und/ oder Pflegekräfte, Sie sind nicht allein und können jederzeit die von Ihnen benötigte Hilfe bekommen! Daneben ist ein angemessener und individueller Therapieplan unabdingbar.
Forschung und neue Therapieansätze
Mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation WHO beging die European Parkinsons Disease Association 1997 zum ersten Mal den Parkinson-Tag. Gemeinsam mit ihrem Team gelang Brockmann nun im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsverbundes „PDdementia“ die Charakterisierung grundlegender molekularer Mechanismen der Demenz bei Parkinson-Patienten mit Erbveränderungen im GBA-Gen. Von dieser Veränderung sind circa zehn Prozent aller Parkinson-Patienten betroffen und sie führt zu einem besonders schnellen Verlauf der Erkrankung. Diese Ergebnisse ermöglichen es erstmals, zwei wesentliche Ursachen der Demenz bei Parkinson-Patienten schon zu Lebzeiten der Betroffenen voneinander zu unterscheiden, was Auswirkungen auf mögliche Therapien haben wird.
Klinische Studie mit monoklonalem Antikörper
Die Ergebnisse legen eine wichtige Grundlage für eine nun folgende klinische Studie für Patientinnen und Patienten mit GBA-Mutation, die gemeinsam mit weiteren renommierten Parkinson-Zentren sowie einer großen Pharma-Firma in Planung ist. Erstmals sind hier nicht Bewegungsstörungen das primäre Zielsymptom, sondern die kognitive Verschlechterung der Patientengruppe. Hoffnungsträger der Forschenden ist ein monoklonaler Antikörper, der die Ausbreitung von krankhaftem Alpha-Synuklein aufhalten und damit die Entwicklung einer frühzeitigen Demenz verhindern soll.
Elektromagnetische Felder und neurodegenerative Erkrankungen
Ob ein Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern und neurodegenerativen Erkrankungen besteht, wird innerhalb der Wissenschaft seit vielen Jahren untersucht. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) verfolgt hierfür die Studienlage und geht Hinweisen mit eigener Forschung weiter nach.
Ergebnisse von Studien
Frühere epidemiologische Studien lieferten Hinweise, dass einige neurodegenerative Erkrankungen vermehrt auftreten können bei beruflicher Exposition gegenüber niederfrequenten Magnetfeldern. Dies betrifft ALS und Alzheimer-Demenz. Eine Meta-Analyse von 42 Kohorten- und Fall-Kontroll-Studien aus dem Jahr 2013 deutet auf einen Zusammenhang zwischen der beruflichen Exposition mit niederfrequenten Magnetfeldern und neurodegenerativen Erkrankungen hin.
Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2018 von zwanzig epidemiologischen Studien zeigte bei beruflicher Magnetfeldexposition ein erhöhtes Risiko, an Alzheimer-Demenz zu erkranken. In einer neueren Studie aus dem Jahr 2020 wurden verschiedene berufsbegleitende Umstände im Zusammenhang mit dem Auftreten von Demenzen untersucht (Art und Komplexität der Arbeit sowie Passivität und Aktivität bei der Arbeit).
Forschung des BfS
Zusammengefasst sind die Ergebnisse der einzelnen Studien für ALS und die Alzheimer-Demenz nicht konsistent. In der Gesamtschau zeigte die Mehrheit der Studien für Berufsgruppen, die im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung wesentlich höheren Magnetfeldexposition ausgesetzt sind, in dieselbe Richtung: Es scheint einen schwachen, aber konsistenten Zusammenhang zwischen der Exposition von niederfrequenten Magnetfeldern und dem Erkrankungsrisiko von ALS sowie Alzheimer-Demenz zu geben. Dieser Zusammenhang ist für ALS insgesamt stärker ausgeprägt als für Alzheimer-Demenz. Für Parkinson und multiple Sklerose wurde kein Zusammenhang mit Magnetfeldern gefunden.