Benigne psychomotorische Epilepsie Ursachen

Die benigne psychomotorische Epilepsie ist eine Form der Epilepsie, die im Kindesalter auftritt und sich durch spezifische Merkmale auszeichnet. Sie beginnt meist im Kindesalter und endet in der frühen Jugend. Die Anfälle äußern sich durch kurze Angstzustände. Epilepsie im Kindesalter kann die ordnungsgemäße Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen.

Epidemiologie und Einteilung

Die Prävalenz der Epilepsie im Kindesalter beträgt etwa 0,5 Prozent. In den Industrieländern erkranken im Mittel etwa 50 von 100 000 Kindern jedes Jahr neu an einer Epilepsie. Insgesamt macht der Anteil von Kindern 25 Prozent aller Epilepsie-Neuerkrankungen aus.

Die Klassifikation der Epilepsiesyndrome verwendet hauptsächlich die Ätiologie und die Anfallssymptomatik. Als idiopathisch werden Epilepsiesyndrome bezeichnet, die einen genetischen Ursprung haben und bei denen die Betroffenen sonst neurologisch unauffällig sind. Als symptomatisch bezeichnet man Epilepsien mit belegbarer Ursache und als vermutlich symptomatisch (früher kryptogen) solche, bei denen ein Auslöser wahrscheinlich ist, aber nicht bewiesen werden kann. Symptomatische Epilepsien können entweder läsionell (zum Beispiel Trauma, Tumor, Entzündung, Fehlbildung) oder durch genetische Systemerkrankungen verursacht sein.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursachen der benignen psychomotorischen Epilepsie sind noch nicht vollständig geklärt. Mediziner gehen von einer sogenannten genetischen Prädisposition aus. Das heißt, Betroffene haben Veränderungen (Mutationen) im Erbgut, die sie anfälliger für die Erkrankung machen. Vermutlich begünstigen dann äußere Einflussfaktoren, dass die Rolando-Epilepsie tatsächlich ausbricht.

Dass wahrscheinlich Genveränderungen der Rolando-Epilepsie zugrunde liegen, machen Mediziner vor allem an den folgenden Beobachtungen fest:

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  • Häufig neigen Familienmitglieder der Erkrankten ebenfalls zu Krampfanfällen (etwa im Rahmen von Epilepsien oder Fieberkrämpfen).
  • Das EEG aller Rolando-Epileptiker zeigt eine typische Veränderung, den Rolando-Fokus. Er ist oft auch bei nicht-erkrankten, anfallsfreien Familienmitgliedern, zum Beispiel Geschwistern, zu sehen.
  • Unter einigen Betroffenen findet man Veränderungen in den gleichen Genen, beispielsweise im GRIN2A-Gen. Es enthält den Bauplan für eine Andockstelle auf Nervenzellen (NMDA-Rezeptor), worüber sich u.a. die elektrische Aktivität der Zelle erhöht.

Mediziner nehmen an, dass bei der Rolando-Epilepsie viele Gene verändert sind (polygene Störungen). Alle Mutationen zusammen beeinträchtigten letztlich die Gehirnentwicklung (Hirnreifungsstörung). Das könnte zeitweise Fehlfunktionen des Gehirns auslösen, die den Rolando-Anfall hervorrufen.

Experten gehen davon aus, dass zumindest die Veranlagung für die Rolando-Epilepsie vererbbar ist. Demnach handelt es sich um einen autosomal-dominanten Erbgang. Das bedeutet, dass sich der Rolando-Fokus beim Kind auch dann durchsetzt, wenn nur ein Elternteil die Mutation weitergibt.

Symptome

Die Anfälle treten typischerweise im Alter von 3 bis 13 Jahren auf, am häufigsten zwischen 5 und 10 Jahren. Die Anfälle sind meist kurz und treten vor allem im Schlaf auf.

Typische Symptome sind:

  • Klonische Zuckungen der Gesichts-, Mund- und Rachenmuskulatur, oft auf einer Seite des Körpers.
  • Missempfindungen wie Kribbeln oder Taubheitsgefühl im Gesichtsbereich.
  • Sprachstörungen oder Unfähigkeit zu sprechen während des Anfalls.
  • Vermehrter Speichelfluss.
  • Bewusstsein bleibt erhalten.

In manchen Fällen können sich die Anfälle auf andere Körperteile ausbreiten oder zu einem generalisierten tonisch-klonischen Anfall (Grand Mal) führen.

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Diagnose

Die Diagnose der benignen psychomotorischen Epilepsie basiert auf der Anamnese, der neurologischen Untersuchung und dem EEG.

  • Anamnese: Der Arzt erfragt die genaue Beschreibung der Anfälle, das Alter des Patienten bei Auftreten der ersten Anfälle, die Häufigkeit der Anfälle und eventuelle Begleitumstände.
  • Neurologische Untersuchung: Die neurologische Untersuchung dient dazu, andere Ursachen für die Anfälle auszuschließen.
  • EEG: Das EEG ist die wichtigste diagnostische Methode zur Bestätigung der Diagnose. Es zeigt typische epilepsietypische Potentiale (Sharp Waves), am häufigsten zentrotemporal oder in der Nachbarschaft dazu.

Differentialdiagnose

Die Rolando-Epilepsie ähnelt manchmal anderen Epilepsien des Kindesalters, zum Beispiel dem Lennox-Gastaut-Syndrom oder der Absence-Epilepsie des Schulkindalters. Der Arzt grenzt sie durch die gezielten Untersuchungen von der Rolando-Epilepsie ab.

Zudem gibt es das sogenannte Pseudo-Lennox-Syndrom. In der Literatur spricht man stellenweise auch von der atypischen benignen fokalen Epilepsie des Kindesalters oder der atypischen Rolando-Epilepsie.

Anfälle verlaufen hier oft wie bei der Rolando-Epilepsie. Daneben sind Symptome möglich, die für gewöhnlich bei anderen Epilepsien auftreten, zum Beispiel die Absence (geistige Abwesenheit). Im EEG erkennen Mediziner ebenfalls zusätzliche Veränderungen.

Die Erkrankung beginnt meist bereits im Alter von drei bis vier Jahren und die Behandlung gestaltet sich schwierig. Die kognitive Entwicklung ist stark beeinträchtigt. Bereits Erlerntes geht oftmals im Rahmen der Erkrankung wieder verloren. Auch die atypische Verlaufsform endet spontan, kognitive Schwächen bleiben aber häufig bestehen.

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Therapie

Die Behandlung der benignen psychomotorischen Epilepsie ist nicht immer notwendig. Bei seltenen Anfällen und geringem Leidensdruck kann auf eine medikamentöse Therapie verzichtet werden.

Wenn eine medikamentöse Therapie erforderlich ist, kommen Antiepileptika zum Einsatz. Sultiam (Ospolot, R) ist Mittel der 1. Wahl und sehr gut verträglich. Die Medikamente sind in der Regel gut wirksam und können nach einigen Jahren wieder abgesetzt werden, wenn keine Anfälle mehr auftreten und auch die EEG-Veränderungen verschwunden sind.

Prognose

Die Prognose der benignen psychomotorischen Epilepsie ist sehr gut. Die Anfälle verschwinden in der Regel mit der Pubertät von selbst. Auch ohne medikamentöse Therapie werden die meisten Patienten anfallsfrei.

In seltenen Fällen kann es zu Teilleistungsstörungen (z.B. Sprachstörungen) oder Verhaltensauffälligkeiten kommen.

Begleiterkrankungen

Etwa 70 Prozent aller Kinder mit Epilepsie sind kognitiv normal entwickelt. Andererseits ist eine Intelligenzminderung (IQ < 70) die häufigste Komorbidität bei Kindern mit Epilepsie. In epidemiologischen Studien sind Zerebralparese, Hydrozephalus, Tuberöse Sklerose und Sturge-Weber-Syndrom die häufigsten Begleiterkrankungen.

Schlaf und Epilepsie

Zwischen Schlaf und Epilepsie bestehen komplexe Beziehungen. Epileptische Anfälle im Schlaf sind seit Jahrhunderten bekannt, wobei sowohl Schlaf als auch Schlafmangel das Auftreten von Anfällen beeinflussen können. Als Schlafepilepsie wird die Untergruppe der Epilepsien bezeichnet, bei der Anfälle ausschließlich oder überwiegend im Schlaf auftreten. Dabei können sich sowohl fokale als auch generalisierte Epilepsiesyndrome als Schlafepilepsie manifestieren.

Schlafbezogene hypermotorische Epilepsie (SHE)

Hypermotorische oder hyperkinetische Anfälle werden zumeist in epileptogenen Frontallappenregionen generiert. Fokale Frontallappenepilepsien sind eine ätiologisch heterogene Gruppe von Epilepsien mit vom Frontallappen ausgehenden Anfällen. Deren gemeinsame Merkmale bestehen in einem „explosiven“ Beginn und plötzlichen Ende häufiger, kurzer und oft in Clustern auftretender Anfälle mit minimaler postiktaler Verwirrung. Die Anfälle sind durch eine fokale klonische motorische Aktivität mit meist rascher Generalisierung in Form komplexer, bizarrer motorischer Automatismen inklusive eines asymmetrischen tonisches Verharrens charakterisiert, dabei sind Status epileptici aller Art möglich. Die schlafbezogene hypermotorische Epilepsie (SHE) ist ein wahrscheinlich schon Mitte des 19. Jahrhunderts beschriebenes, in den 1980er-Jahren dann von dem italienischen Neurologen, klinischen Neurophysiologen, Somnologen und Epileptologen Elio Lugaresi zunächst als wahrscheinlich nichtepileptische hypnogene bzw. paroxysmale nokturnale Dystonie bezeichnete Krankheit bzw. in Anbetracht der inzwischen beschrieben Unterformen Gruppe von Krankheiten.

Wichtige altersgebundene Epilepsiesyndrome bei Kindern und Jugendlichen

  • Mit Beginn im ersten Lebensjahr
  • Mit Beginn im frühen Kindesalter (etwa bis sechstes Lebensjahr)
  • Mit Beginn im Kindesalter (etwa bis 12. Lebensjahr)
  • Mit Beginn im Jugendlichenalter (ab etwa 13. Lebensjahr)

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